Russisches Know-how im Nato-Land Türkei: Warum Moskau den S-400-Deal technisch wagt

 

Raketen aus russischer Produktion in einem Nato-Land – dies wirkt nicht nur politisch spektakulär, sondern lässt auch Fragen nach möglichen technischen Schwierigkeiten aufkommen. Mit dem Thema beschäftigt sich die Onlinezeitung vz.ru im Hinblick auf die geplante Lieferung russischer S-400-Luftabwehrsysteme an die Türkei.

Zur Vorgeschichte des S-400-Deals schreibt vz.ru, die Türkei habe jahrelang mit den USA über eine Lieferung von Luftabwehrsystemen des Typs Patriot ergebnislos verhandelt. Sie grenze ja an Syrien und den Irak, wo aktiv gekämpft wird, aber auch an den „chronisch feindlichen Iran“.

„Außerdem läuft der ewige Konflikt der Türkei mit ihrem westlichen Anrainer, dem Nato-Mitglied Griechenland, längst auf Provokationen und Duelle in der Luft hinaus. Die beiden Länder erleiden regelmäßig Verluste. Die Türkei verfügt aber über keine modernen Flugabwehrsysteme, die gegen die Griechen eingesetzt werden könnten, denn alle Kampfjets und Fla-Systeme der Nato haben eine Freund-Feind-Erkennung. Eine türkische Fla-Rakete aus US-amerikanischer oder deutscher Produktion wird, grob gesprochen, halt nicht in Richtung eines griechischen Kampfjets fliegen, weil sie ihn für einen ‚Freund‘ hält“, erläutert die Onlinezeitung.
Sie schreibt weiter: „Dabei hat Griechenland russische Flugabwehrsysteme bereits gekauft, was ihm einen Vorteil gegenüber der türkischen Luftwaffe in der Ägäis ermöglichte. Übrigens war Griechenland das erste Nato-Mitglied, das russische Waffen aktiv kaufte. Die gegen die Türkei gerichteten Vorwürfe eines Verstoßes gegen das ‚Unternehmensleitbild‘ der Nato sind also nicht besonders korrekt – wobei ausgerechnet die Tatsache, dass die russische S-400-Exportversion keine Nato-spezifische Freund-Feind-Erkennung hat, eines der Hauptargumente der USA und Deutschlands ausmacht.“

„Man muss verstehen: Alle Exportversionen gegenwärtiger russischer Waffensysteme haben (zum Teil wesentliche) Unterschiede zur Grundausfertigung, die an die russischen Streitkräfte geliefert wird“, stellt vz.ru fest.

Es gehe dabei nicht nur um „klimabedingte“ Unterschiede – wie beispielsweise bei jenen Panzern, die vor den Lieferungen in den Nahen Osten auf die Wüstenverhältnisse zugeschnitten wurden: „Die Exportversionen schließen in der Regel eine potenzielle Nachbau-Möglichkeit aus und haben niedrigere taktisch-technische Parameter.“

„Außerdem werden Veränderungen in den Softwares vorgenommen, was weder ein Knacken noch ein Kopieren unmöglich macht. Selbst wenn die Türken jede Rakete und jedes Radar komplett auseinanderschrauben, werden sie nach Ansicht der meisten Hardware-Experten nicht selbständig in der Lage sein, diese Erzeugnisse ordentlich nachzubauen“, so der Kommentar.

Zwar sehe der S-400-Deal nicht nur eine Lieferung aus Russland vor, sondern auch einen Zusammenbau einiger Systeme in der Türkei. Doch die Türkei verfüge derzeit über keine industrielle Grundlage für eine solche Produktion. Folglich werde der Vertrag eine Umrüstung der zuständigen türkischen Produktionsstätten durch russische Fachleute zur Folge haben, schreibt vz.ru.

 

Quelle: Sputnik