Russland und Weißrussland halten bereits zum dritten Mal die Militärübungen „Zapad“ ab – nach 2009 und 2013 nun auch in diesem Jahr. Auffallend ist, dass bei den ersten zwei Übungen die Handlungen der russischen und weißrussischen Militärs bei den Nachbarn sowie bei irgendjemandem in der Welt keine besondere Beunruhigung auslösten.
Jetzt herrscht in den Nato-Ländern jedoch wahre Hysterie, die Russland eine präzedenzlose Konzentrierung der Truppen an der Grenze der Allianz und die Vorbereitung eines Vorstoßes in Richtung Westen vorwerfen, schreibt die „Nesawissimaja Gaseta“ am Montag.
Am Manöver 2009 nahmen rund 12.500 Soldaten teil, 2013 waren es mehr als 10.000, in diesem Jahr sind 12.700. Es handelt sich demnach um ähnliche Zahlen. Warum sind die benachbarten Länder so panisch gestimmt?
Die Antwort auf diese Frage ist äußerst einfach. Die ersten zwei „Zapad“-Manöver fanden vor den radikalen Änderungen der politischen Situation in der Ukraine und vor der Erklärung Russlands zum Aggressor durch Kiew statt. Der Generalstabschef der ukrainischen Armee, Viktor Muschenko, behauptet jetzt, dass die Zahl der Soldaten bei den Übungen sich auf 230.000 bis 240.000 belaufen könne, wobei 100.000 von ihnen in der strategischen Richtung Südwest zu den Manövern herangezogen werden könnten.
„Das bedeutet objektiv die Entstehung der militärischen Gefahr einer großangelegten bewaffneten Aggression Russlands gegen die Ukraine und die Nato-Länder“, sagte Muschenko. Der „Anlass zur Aggression“ könnten „großangelegte Provokationen“ in der Ostukraine bzw. in den Ländern des Baltikums sein, weshalb von der Notwendigkeit des Schutzes von angeblich verletzten Rechten der russischsprachigen Bevölkerung gesprochen werde, so Muschenko.
Solche Schlussfolgerungen wurden sofort von den Schirmherren der ukrainischen Regierung aufgegriffen. Der Militärexperte der Brookings Institution, Michael O‘Hanlon, weist direkt darauf hin, dass die Einschätzung der russisch-weißrussischen Übungen durch westliche Länder jetzt direkt vom geopolitischen Kontext beeinflusst werde, darunter vom Krim-Beitritt zu Russland und vom Militärkonflikt im Donbass. „Angesichts des Ausmaßes der Übungen ‚Zapad‘ und ihrer Nähe zu den Grenzen der Nato-Länder geht das Problem der russisch-weißrussischen Manöver in die politische Dimension über“, sagte Robbin F. Laird von der U.S. Naval Academy in Annapolis.
Der weißrussische Militärexperte Alexander Alessin meint, dass die Krim als Hauptargument im Informationskrieg genutzt werde. Die Regierungen der baltischen Länder und Polens fürchten, dass sich die Situation wiederholen könnte und prorussische Elemente in ihren Ländern die Tore der Städte vor den russischen Truppen öffnen könnten.
Das vollständige gegenseitige Misstrauen bestimmt heute die Beziehungen zwischen Russland und den Nato-Ländern. Deswegen wiederholen Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly, Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaitė und viele andere Politiker eine phantastische Kennzahl – 100.000 Militärs aus Russland und Weißrussland, die an der Ostflanke der Nato unbegründet stationiert seien.
Obwohl die Pentagon-Sprecherin Michelle Baldanza am ersten Tag der Übungen sagte, dass Russland und Weißrussland die notwendige Transparenz der Manöver gewährleistet, mehrere Pressebriefings für fast 300 Journalisten organisiert und Militärbeobachter aus sieben Nachbarländern eingeladen hätten, so wird das kaum das herrschende Misstrauen ändern können. Die westlichen Einschätzungen werden unverändert bleiben.
Quelle: Sputnik