Die Erstürmung Barcelonas

 

Nur eine Woche bleibt bis zu dem Tag, an dem ein Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien angesetzt ist. Es ist aber immer noch unklar, ob der Volksentscheid überhaupt stattfindet, schreibt die Zeitung «Rossijskaja Gaseta» am Montag.

Das spanische Verfassungsgericht hat die Abstimmung als illegitim bezeichnet und Madrid zeigt sich bereit, alles dafür zu unternehmen, um sie zu verhindern.

So wurden auf Beschluss der Gerichtsorgane mehrere Dutzende Websites der Separatisten blockiert. Die Zivilgarde durchsuchte die Räumlichkeiten des Wirtschafts-, des Sozial- und des Außenministeriums Kataloniens.
Später wurde bekannt, dass die Madrider Behörden herausfinden wollten ob die katalanische Regierung das geplante Referendum finanziert hatte. Zuvor hatte das Parlament der autonomen Gemeinschaft beschlossen, rund sechs Millionen Euro dafür auszugeben. Aus demselben Grund wurden auch mehrere hochrangige katalanische Beamten festgenommen. Sie weigerten sich jedoch, Aussagen zu machen und wurden wieder freigelassen.

Aber das war noch nicht alles: Das Verfassungsgericht beschloss, die Beamten zu bestrafen, die mit der Organisation des Volksentscheids etwas zu tun haben. So wurde der katalanische Wirtschaftsminister Josep Maria Jové verpflichtet, jeden Tag 12 000 Euro zu zahlen, solange er die Beschlüsse des Verfassungsgerichts nicht erfüllt, das den Volksentscheid für ungesetzlich erklärt hatte. Für die Mitglieder der Zentralen und verschiedener territorialer Wahlkommissionen wurde diese Summe auf 6000 Euro festgelegt.

Darüber hinaus nahm das spanische Innenministerium die katalanische Polizei unter seine Kontrolle. Es wurde nämlich ein Koordinator ernannt, dem alle Rechtsschutzorgane der autonomen Gemeinschaft unterstellt sind. Der katalanische Innenminister Joaquim Forn erklärte jedoch, die Regierung der autonomen Gemeinschaft finde die Einmischung des Staates in die Arbeit der Polizei inakzeptabel.

Aus Madrids Sicht sind seine Maßnahmen aber absolut legitim. Laut dem Sicherheitsgesetz ist ausgerechnet das spanische Innenministerium im Falle von gemeinsamen Einsätzen (gegebenenfalls zur Vorbeugung des Referendums) dafür zuständig – aber nicht das Innenministerium der jeweiligen autonomen Gemeinschaft.

Die Spanier waren immer auf ihre Verfassung stolz, die im Jahr 1978 verabschiedet worden war und ihre Demokratie verkörpert hatte. Aber ausgerechnet sie wurde jetzt zum Grund für die tiefe Krise zwischen den Behörden in Madrid und den katalanischen Nationalisten, die für den Austritt der autonomen Gemeinschaft aus Spanien eintreten. In den vergangenen 40 Jahren hat Katalonien von Madrid so viele Rechte und Freiheiten bekommen, wie keine andere autonome Gemeinschaft (außer dem Baskenland). Jetzt wollen die katalanischen Politiker die absolute Unabhängigkeit aber so etwas können die zentralen Behörden unmöglich zulassen.

Übrigens konnte die Regierung Mariano Rajoys von dem Konflikt mit Barcelona profitieren. Nach mehreren Krisenjahren, in denen die Positionen des Premiers eher schwach waren, genießt er inzwischen die Unterstützung seiner größten politischen Gegner: Sowohl die Sozialisten als auch die politische Koalition „Unidos-Podemos“ stehen auf seiner Seite und verteidigen die Verfassung, der zufolge solche Volksentscheide ohne die Zustimmung der zentralen Behörden verboten sind.

Auffallend ist übrigens, dass mehr als die Hälfte der Katalanen das für den 1. Oktober geplante Referendum für illegitim halten. Das schrieb jüngst die Zeitung „El País“ unter Berufung auf entsprechende Meinungsumfragen. 61 Prozent der Befragten sollen gesagt haben, dass die Abstimmung keine juristische Kraft habe und von der Weltgemeinschaft nicht anerkannt werde. Nur 34 Prozent glauben, die Organisation des Referendums entspräche allen nötigen Normen. Erst vor zwei Wochen hatte dieses Verhältnis bei 56:38 Prozent gelegen.

 

Quelle: Sputnik