Warum das russische Militär elektromagnetische Bomben braucht

Radioelektronische Waffen mit neuen physikalischen Prinzipien werden bereits von russischen Truppen genutzt. So kann das Mobil “Listwa” Minen und Sprengsätze aus einer Entfernung von bis 100 Metern ferngesteuert orten beziehungsweise sprengen.

Von außen sieht alles einfach aus – der Panzerwagen mit einem UHF-Block bewegt sich während der Patrouille vor einem Raketenkomplex und sprengt die funkgesteuerten Minen am Straßenrand und abseits der Straße. Zuvor wurde diese Technologie zur Vernichtung von Sprengsätzen nicht genutzt.

Während der Übungen der Strategischen Raketentruppen wurden auf der Strecke des Konvois rund 20 ferngesteuerte Sprengsätze gelegt, die per Handy gezündet werden sollten. Alle Sprengsätze wurden aus einer großen Entfernung, lange vor dem Eintreffen des Raketenkomplexes Jars, vernichtet – eine 100-prozentige Effizienz.

Laut dem russischen Verteidigungsministerium werden die Ingenieur-Einheiten der strategischen Raketentruppen in den kommenden zwei Jahren mehr als 150 „Listwa“-Fahrzeuge bekommen. Das ist nur ein Teil der großangelegten Umrüstung der russischen Truppen.

Aussichten und Prinzipien

Neue Modelle der russischen Waffen mit neuen physikalischen Prinzipien, die keine Analoga in der Welt haben, wurden im vergangenen Herbst erfolgreich getestet. Diese Waffen können die Technik des Gegners ohne Anwendung von traditionellen Mitteln vernichten. Mithilfe von gezielt eingesetzter Energie beeinflussen sie hochpräzise Gefechtsköpfe und Bordanlagen von Flugzeugen sowie Drohnen. Mobile Generatoren mit elektromagnetischer Strahlung können die Elektronik des Gegners aus einer Entfernung von Dutzenden Kilometern außer Betrieb setzen.

Russische elektromagnetische Bomben, die die gegnerische Technik lahmlegen, können die Methoden der Kriegsführung wesentlich mehr als Atomwaffen beeinflussen. Sie ermöglichen die Neutralisierung ganzer Armeen des Gegners mit einem kurzen Impuls. Im Unterschied zu Mitteln der radioelektronischen Bekämpfung können aussichtsreiche Entwicklungen selbst vom Netz abgeschaltete Anlagen vernichten, beispielsweise abgestellte Panzer bzw. Flugzeuge sowie Raketen in Silos.

Zuvor wurde von der Entwicklung der russischen Rakete „Alabuga“ mit einem  Generator für ein extrem leistungsstarkes elektromagnetisches Feld berichtet. Eine solche Rakete kann mit einem Schlag ein Territorium von einigen Quadratkilometern umfassen und die gesamte Elektronik des Gegners lahmlegen.

Gebündelte Wellen mit einer bestimmten Frequenz beeinflussen Elektrogeräte wie ein Schlag mit einem Hammer. Computer stürzen ab, Navigationssysteme verlieren ihre Funktionalität. Ein Impuls kann die Chips einfach verbrennen. Solche Waffen sollen in russischen unbemannten Kampfjets der sechsten Generation genutzt werden.

Radioelektronische Waffen können die Automatik zum Laden von Panzerkanonen außer Betrieb setzen bzw. eine Gefechtsladung im Panzerturm in die Luft sprengen sowie die lebendige Kraft des Gegners bis zu 100 Metern unter der Erde vernichten. Solche Modelle der russischen Rüstungsindustrie wurden einem kleinen Kreis von russischen Spezialisten auf der Militärmesse „Armija 2016“ gezeigt.

Ausländische Entwicklungen

Die meisten Waffen nutzen heute zum Treffen von Zielen Prinzipien aus früheren Jahrhunderten (Energie des Pulvergases). Doch in den nächsten Jahren kann sich alles ändern. Die Geschosse aus stromführenden Stoffen werden mithilfe von elektromagnetischen Wellen abgefeuert. In diesem Bereich arbeiten aktiv Spezialisten aus den USA, Israel und China.

Die Amerikaner haben bereits 1958 über dem Pazifischen Ozean eine thermonukleare Bombe gezündet, was zur Lahmlegung von großen Teilen der Verbindungsnetze in einem enorm großen Raum, selbst in Australien, führte. Auf den Hawaii-Inseln brach die Stromversorgung zusammen. Bei einer nuklearen Explosion bildet sich in großen Mengen Gamma-Strahlung, ein sehr starker elektronischer Impuls erstreckt sich über viele hunderte Kilometer und schaltet alle elektronische Geräte aus. Ein ähnlicher Effekt wird auch ohne nukleare Explosionen erreicht. Bei konventioneller elektromagnetischer Munition wird das Prinzip der Verdichtung des magnetischen Feldes von Solenoid mit einem gewöhnlichen Sprengkopf genutzt, wobei ein energiereiches magnetisches Feld über einem gegnerischen Objekt geschaffen wird.

Während des Golf-Krieges setzten die Amerikaner 1991 eine elektronische Bombe in einer relativ primitiven Form ein, indem die Sprengköpfe der Marschflugkörper Tomahawk mit Fäden aus Kohlenstoffasern ausgestattet wurden. Nach dem Raketenangriff kam es zu Kurzschlüssen in den Netzen der Stromwerke und Fernleitungen, was zum Zusammenbruch der Stromversorgung von Steuerungssystemen des Flugabwehrsystems des Iraks führte.

Verbesserte Modelle wurden vom Pentagon während des Luftkrieges gegen Jugoslawien 1999 eingesetzt. In den ersten zwei Wochen der Kampfhandlungen warfen US-Piloten mehr als 4000 überschwere Gleitbomben JDAM ab, die Graphit- und metallisierte Fasern und Teilchen enthielten. Im Ergebnis wurde das Steuerungssystem der jugoslawischen Flugabwehr außer Betrieb gesetzt.

Der wahrscheinliche „elektronische Armageddon“ der Zukunft wird von Experten so beschrieben: ein nicht sehr starkes Aufleuchten, Gewitter, Geruch von Ozon in der Luft, automatisches Einschalten der Leuchtstofflampen und Brennen von Kabelleitungen, Außerbetriebsetzen von Akkus, Generatoren, Verbrennungsmotoren, Elektronetzen und Kommunikationsmitteln.

Elektromagnetische Waffen können jedes Land für mehrere Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückwerfen, weshalb parallel Schutz-Technologien und —Methoden entwickelt werden.

 

Quelle: Sputnik