Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zum siebten Mal in Folge vom Forbes-Magazin zur mächtigsten Frau der Welt gekürt worden, schreibt die „Nesawissimaja Gaseta“ am Mittwoch.
Die CDU-Chefin habe ihre Spitzenposition in dem Ranking nach dem Sieg in einem erbitterten Wahlkampf beibehalten, schreibt „Forbes“. „Deutschland ist das vierte Land in der Welt nach dem BIP und das größte Land, das von einer Frau geführt wird“, so „Forbes“.
Allerdings sind die Positionen Merkels schwächer geworden. Im Bundestag sind erstmals seit 60 Jahren sechs Parteien vertreten, darunter die AfD. Das erschwert die Bildung einer Regierungskoalition und erzeugt sogar Gerüchte über mögliche Neuwahlen, was nie zuvor in der Geschichte Deutschlands der Fall gewesen ist.
2005, als die erste Große Koalition unter Merkel gebildet wurde, dauerte die Regierungsbildung 65 Tage. 2013 waren es bereits 86 Tage. Diesmal werden die Koalitionsgespräche anscheinend noch länger dauern. Denn es müssen sich nicht zwei, sondern de facto vier Parteien einigen – die Unionsparteien CDU und CSU, die FDP und Bündnis 90/Grünen. Die zweite Phase der Sondierungsgespräche begann erst gestern, wobei bei vier zu diskutierenden Themen keine Berührungspunkte entdeckt wurden.
Erst nach dem Abschluss dieser Gespräche, bei denen die Auseinandersetzungen bei Fragen wie Migrationspolitik und Klimaschutz beigelegt werden sollen, werden die Details des Koalitionsvertrags besprochen. In dieser Zeit können die Bundeskanzlerin und ihre Regierung keine Beschlüsse treffen, die die Billigung durch die Parlamentsmehrheit erfordern.
Merkel ist in einer schwierigen Lage – sie kann nicht auf die besondere Verantwortung Deutschlands vor der EU verzichten. Es ist nicht verwunderlich, dass sie mit vielen Vorbehalten den Präsidenten Frankreichs Emmanuel Macron unterstützte, der die Rolle des Retters Europas übernommen hat. Zwei Tage nach der Bundestagswahl trat er an der Pariser Universität Sorbonne mit mehreren energischen Vorschlägen zur EU-Reform auf. Experten hoben hervor, dass Merkel noch nie solch eine Grundsatzrede zu Europa gehalten hat. Bedeutet das, dass Frankreichs Präsident ihr die Rolle der EU-Anführerin wegnehmen will? Eher nicht. Macron braucht ihre Erfahrung, Fähigkeit zu Kompromissen und Beschlusskraft. Nur zusammen können sie die stärksten in der EU bleiben. Zugleich kann Macron im Unterschied zu Merkel von der Einheit und Demokratie in Europa so sprechen, dass die EU-Bürger seine Worte erhören.
Er übernimmt die Initiative vor dem Hintergrund der Marginalisierung mehrerer EU-Länder. Großbritannien isolierte sich mit seinem Brexit selbst von Europa. Italien erlebt eine akute Migrationskrise und erwartet die Wahlen 2018 vor dem Hintergrund der Abstimmung über die Erweiterung des Autonomiestatus von Venetien und der Lombardei. Das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien löste in Spanien eine scharfe politisch-konstitutionelle Krise aus, die Einführung einer direkten Verwaltung der Region aus Madrid brachte das Land in eine neue gefährliche Phase.
All diese Probleme verschärfen das Fehlen des Gleichgewichts in der EU. Damit stellt sich die Frage nach künftigen Wegen der Integration, deren Lokomotive immer Deutschland war. Deswegen wird der Weg, für den sich Brüssel entscheidet, erst mit einer vollwertigen Arbeit Merkels als Bundeskanzlerin klar sein.
Quelle: Sputnik