Wieso vervierfachen die USA die Präsenz von Spezialeinheiten an der europäischen Grenze zu Russland?

Der Einsatz von US-Sondereinsatzkräften in Europa stand nie im Rampenlicht, nimmt aber derzeit rapide zu, insbesondere in den baltischen Staaten. Zielvorgabe laut Experten: Erwerb von Kapazitäten, um Kommandoaktionen bis tief in das russische Hoheitsgebiet durchzuführen.

Die Trump-Regierung stützt sich in ihrer militärischen Planung immer stärker auf sogenannte Special Operations Forces (SOF). Diese sind weltweit in 137 Ländern im Einsatz, das entspricht 70 Prozent aller Staaten. Mindestens 8.000 SOFs sind permanent in rund 80 Ländern stationiert. Die Gesamtzahl der US-Spezialeinheiten haben sich von einigen Tausend in den 1980er-Jahren auf derzeit 70.000 erhöht. Waren im Jahr 2006 nur drei Prozent der in Übersee eingesetzten Spezialeinheiten in Europa stationiert, so hat sich diese Zahl bis 2016 vervierfacht und liegt nun bei 12 Prozent.

Der US-amerikanische Militärexperte Peter Korzun hinterfragt in diesem Zusammenhang die umfangreiche Stationierung von US-Spezialeinheiten in 20 europäischen Ländern, vor allem in Nähe der russischen Grenze. 2017 waren SOFs beispielsweise in den baltischen Staaten, Rumänien, Polen, der Ukraine und Georgien im Einsatz.

Laut Korzun gibt es eine ähnliche prozentuale Erhöhung von US-Spezialeinheiten nur noch in Afrika. Doch während auf dem afrikanischen Kontinent die US-Spezialeinheiten im Rahmen des „Anti-Terrorkampfes“ zum Einsatz kommen, ist es dem Militärexperten zufolge eher unwahrscheinlich, dass die SOFs in Europa ebenfalls im Kampf gegen Terroristen eingesetzt werden. Betrachtet man die bisher bekannten Aufgabenstellungen und Übungen der US-Spezialeinheiten in Europa, wird recht deutlich, welchem Zweck die Stationierung der SOFs auf dem alten Kontinent dient.

Im März 2017 trainierten die Green Berets in Lappland, Finnland während der Übung Northern Griffin 2017. Im Mai waren die Navy SEALs im Rahmen der Übung Flaming Sword 17 in Litauen aktiv. Im Juni trainierten Mitglieder der 10. US Special Forces Group in der Nähe von Lubliniec, Polen. Im Juli nahmen die Navy SEALs an der militärischen Übung Sea Breeze in der Ukraine teil. Spezialkräfte der 321. Special Tactics Squadron übten die Kommandokontrolle am Boden und in der Luft, um US- Erdkampfflugzeuge vom Typ A-10 auf der Jägala-Käravete-Autobahn in Estland landen zu lassen. Ebenfalls im August nahmen SOFs an dem Manöver Noble Partner in Georgien teil. Explizit oder implizit war bei all diesen Manövern das szenische Leitmotiv der Kampf gegen „den Feind im Osten“.

Die US-amerikanischen Kommandoeinheiten sind vor allem in den baltischen Staaten präsent. Dutzende von SOFs haben dort eine wie es im Militärjargon heißt «hartnäckige Präsenz“, um dortige Spezialeinsatzkräfte auszubilden.

Ergänzend dazu wurde dieses Jahr eine Spezialeinheit der Nationalgarde der Vereinigten Staaten mit Sitz in Birmingham, Alabama mit der Aufgabe betraut, die russische Sprache einschließlich militärischer Terminologie sowie Geschichte, Kultur und Traditionen zu erlernen. Dies ist der Beginn eines fünfjährigen Programms zur Vorbereitung der SOF der Nationalgarde. Der Intensiv-Sprachkurs beinhaltet militärische Terminologie und die praktische Anwendung von Kommandobegriffen.

Major Michael Weisman, Sprecher des US-Sondereinsatzkommandos für Europa erklärte auf Nachfrage die steigende Präsenz von US-Kommandoeinheiten mit den Worten:

Außerhalb von Russland und Belarus trainieren wir mit praktisch jedem Land in Europa entweder bilateral oder durch verschiedene multinationale Veranstaltungen.

Diese SOFs sind in der Nähe der russischen Grenze unter dem Vorwand stationiert, Verbündete vor einer «russischen Aggression» zu schützen. Doch wenn tatsächlich Verteidigung das Hauptmotiv wäre, dann bräuchten die baltischen Staaten eine klassische Ausbildung an Verteidigungssystemen, um so ihre Grenzen schützen zu können. Doch diese Art der Ausbildung leisten die SOF nicht.

Denn bei den in Europa eingesetzten Spezialeinheiten handelt es sich beinahe ausschließlich um offensive Kommandoeinheiten wie beispielsweise die Navy SEALs, US-Marines oder Green Berets. Die Schlussfolgerung des US-Militärexperten Peter Korzun lautet dann auch:

Alleiniger Sinn und Zweck des Einsatzes von SOF bei konventionellen Gegnern ist es, im Falle eines Krieges erste Schläge im Hinterland des Feindes auszuführen. Genau dazu dient die massiv steigende Präsenz von US-amerikanischen Elite-Einheiten in Europa.

Quelle: RT