Minister beraten über gestrandete Migranten in Nordafrika

Folter, Vergewaltigung, Erpressung: das ist das Schicksal tausender Menschen, die auf der Flucht nach Europa in Libyen stranden. Statt vor allem die europäischen Grenzen abzuschotten beraten Minister jetzt in Bern über einen besseren Schutz der Menschen.

Das Schicksal von Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa fliehen, steht im Mittelpunkt einer Ministertagung in der Schweizer Hauptstadt Bern.

Regierungsvertreter aus Europa und Afrika stellen erstmals den besseren Schutz für Migranten und Flüchtlinge in den Mittelpunkt. Bislang ging es bei den Treffen der «Kontaktgruppe zentrales Mittelmeer» vor allem darum, wie Migranten von den europäischen Grenzen ferngehalten werden können.

Die Vereinten Nationen wollen die mit EU-Geldern finanzierte Rückführung von Flüchtlingen aus Libyen in das Nachbarland Niger nach der ersten erfolgreichen Rettung am Wochenende schnell ausbauen. Bis Ende des Jahres sollen bis zu 500 besonders gefährdete Menschen in der Nähe der nigrischen Hauptstadt Niamey in Sicherheit gebracht werden, sagte Vincent Cochetel, der Beauftragte für Mittelmeer-Flüchtlinge beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, der Deutschen Presse-Agentur in Genf.

Am Samstag waren 25 Flüchtlinge aus Äthiopien, Eritrea und dem Sudan als erste in den mit EU-Geld finanzierten Gästehäusern eingetroffen. Niger grenzt südlich an Libyen und ist ein Haupttransitland für Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa wollen.

In Libyen werden nach UNHCR-Schätzung 17 000 Flüchtlinge und Migranten unter menschenunwürdigen Umständen in offiziellen Lagern festgehalten. Tausende dürften in teils unterirdischen Verliesen gefangen sein. Dort foltern Gangster sie, auch bei Telefongesprächen mit Angehörigen, um Geld zu erpressen. Das UNHCR schätzt, dass entlang der Migrationsroute Richtung Mittelmeer 40 000 Menschen unterwegs sind, die Schutz brauchen. Bislang wurden nach Angaben von Cochetel erst 10 500 Aufnahmeplätze für Gefährdete zugesagt.

Die Minister diskutieren in Bern, wie Menschen in den Lagern in Libyen geholfen werden kann. Es geht auch darum, entlang der Migrationsroute südlich von Libyen Asyl-Strukturen aufzubauen, die internationalen Standards entsprechen. Es ist das dritte Treffen der Kontaktgruppe in diesem Jahr. Eingeladen sind neben Libyen unter anderem Ägypten, Niger und Tschad sowie Frankreich, Österreich, Italien und Deutschland. Aus Berlin sollte die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Emily Haber, teilnehmen.

Menschenrechtler kritisieren die Verlegung nach Niger, statt die Menschen sofort in sichere Aufnahmeländer in Europa zu bringen. «Europa sollte sich darauf konzentrieren, die Menschen zu schützen statt die Grenzen», sagt der Migrationsforscher von Amnesty International, Matteo de Bellis. Dass europäische Länder der libyschen Küstenwache Geld und Training gäben, damit sie Menschen zurückschafft, sei fatal. «Die Küstenwache bringt die Menschen in Lager, wo sie gefoltert und vergewaltigt werden. Daran trägt Europa durch die Finanzierung der Küstenwache eine Mitschuld.»

 

Quelle: Merkur.de