Kiew will Moskau Vetorecht im UN-Sicherheitsrat wegnehmen

Der Assistent des US-Außenministers für Europa und Eurasien, Wesley Mitchell, ist nach Kiew zu einem Arbeitsbesuch gereist, um die Behandlung eines Gesetzentwurfs zur ukrainischen Strategie in Bezug auf die Donbass-Region zu beobachten, schreibt die Zeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Donnerstag.

Dieses Dokument sollte die Basis für die Einführung der UN-Friedenskräfte in den Osten des Landes bilden. Allerdings haben sich die Hauptakteure, Russland und die USA, über das Format dieser Mission bisher nicht einigen können.

Wie der russische Präsidentenassistent Wladislaw Surkow nach seinem jüngsten Treffen mit dem US-Beauftragten für die Ukraine, Kurt Volker, in Belgrad sagte, hatten die Amerikaner insgesamt 29 Hinweise bezüglich des von Moskauin den UN-Sicherheitsrat eingebrachten Resolutionsentwurfs präsentiert. „Drei von ihnen fand unsere Delegation inakzeptabel“, betonte Surkow in einem Pressegespräch. Volker stellte seinerseits fest, dass Moskau und Washington unterschiedliche Konzeptionen des „Fahrplans“ zur Donbass-Regelung haben.

Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin teilte mit, dass die Vorgehensweise der Amerikaner den Ansichten Kiews entspreche. Nach seinen Worten hatte er in dieser Woche fast jeden Tag mit Volker kommuniziert: „Wir sehen, dass Russland nicht Frieden stiften, sondern seine Kolonie im Donezbecken beibehalten will. (…) Das geht aber nicht.“

Zuvor hatte Volker in einem Interview für den Sender „Voice of America“ gesagt: „Russland hat zwei Varianten der Handlungen im Donezbecken: Wenn sie einen eingefrorenen Konflikt wie in Abchasien, Südossetien oder Transnistrien wollen, das würde sie teuer kosten. Aber wenn sie das wollen, werden sie das auch tun – trotz des großen Aufwands. Eine Alternative bestünde darin, dass Russland seine Kräfte abziehen und die Stationierung der UN-Friedensstifter dort voranbringen würde. Das würde den Frieden bringen und den Minsker Prozess fördern. Das wäre das zweite Szenario.“

Darüber hinaus teilte Volker mit, dass ausgerechnet Washington Kiew überredet habe, keinen eigenen Resolutionsentwurf dem UN-Sicherheitsrat vorzulegen, der eine Alternative für den russischen wäre. Es wäre effizienter, die Vorgehensweisen abzusprechen, damit die Position der Ukraine im russischen Resolutionsentwurf berücksichtigt werde, betonte der US-Diplomat.

Das war eben der Gegenstand des Volker-Surkow-Treffens in Belgrad, doch die Seiten konnten sich nicht einigen.

„Soweit ich verstehe, haben die USA (…) davon profitiert, dass Russland der Einführung der Friedenskräfte in das Donezbecken zustimmte. (…) Wenn es eine Friedensmission geben wird, sollte es dort keine anderen bewaffneten Formationen geben – weder eine ‚Volksmiliz‘ noch ein ‚Volksheer‘, noch ausländische Armee, noch sogar unsere (ukrainische) Armee. Die Zusammensetzung der Mission bestimmt die Konfliktseite, also die Ukraine. Russland behauptet, mit dem Konflikt nichts zu tun zu haben. Für Russland sind diese Bedingungen absolut inakzeptabel. Aber als es der Einführung der Friedensstifter in die Donbass-Region zustimmte und seinen Resolutionsentwurf dem UN-Sicherheitsrat vorlegte, hat es sich selbst in die Ecke getrieben. Jetzt müsste es diesem Plan zustimmen, denn sonst würde die ganze Welt sehen, dass es seine eigenen Friedensinitiativen aufgibt.“

Russland besteht bekanntlich darauf, dass die UN-Friedenskräfte dieselben Funktionen wie die aktuellen zivilen OSZE-Beobachter haben sollten und sich im Konfliktraum nur dort bewegen dürften, wo die OSZE-Experten sich bewegen dürfen. In Kiew sieht man das anders: Die ukrainische Unterhändlerin in Minsk, Irina Geraschtschenko, schrieb in einem sozialen Netzwerk: „Die ‚Hybrid-Initiativen‘ Russlands (…) sind absolut inakzeptabel. Die Friedensstifter sollten das Recht haben, sich auf dem ganzen provisorisch okkupierten Territorium zu befinden, auch auf dem unkontrollierten Abschnitt der russisch-ukrainischen Grenze.“

Diese Position brachte auch der ukrainische Verteidigungsminister Stepan Poltorak zum Ausdruck. „Die UN-Friedensmission sollte auf dem ganzen provisorisch besetzten Territorium entfaltet werden.“ Nach seinen Worten wäre auch Russlands Beteiligung an der Friedensmission unzulässig.

Die selbsternannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk lassen sich die Vorschläge Kiews nicht gefallen. Die russische Seite verwies zuvor öfter darauf, dass Kiew das Format der Friedensmission mit den beiden abtrünnigen „Republiken“ behandeln sollte, weil ausgerechnet sie die zweite Konfliktseite seien. Aber in Kiew verweigert man diese Gespräche, weil man glaubt, hinter Donezk und Lugansk würde in Wahrheit Russland stehen. Dieser Auffassung ist auch Washington.

Vor dem Hintergrund dieser Kontroversen wird in der Obersten Rada (ukrainisches Parlament) demnächst die Abstimmung über den Gesetzentwurf zur ukrainischen Politik gegenüber den „provisorisch besetzten Territorien“ in den Gebieten Donezk und Lugansk stattfinden. In dem Dokument wird festgestellt, dass die Situation im Osten der Ukraine aus der „russischen Aggression“ resultiere, wobei Russland als „Aggressor“ bezeichnet wird.

Die Abgeordneten glauben, dass dieses Gesetz im Falle seiner Verabschiedung die Situation im UN-Sicherheitsrat verändern könnte, wobei Russland sein Vetorecht in diesem Gremium verlieren würde. Denn der ukrainische Außenminister Klimkin sagte jüngst, der ukrainische Resolutionsentwurf des UN-Sicherheitsrats wäre vorbereitet und mit den westlichen Partnern Kiews abgesprochen worden.

Das Problem ist aber, dass dieser Gesetzentwurf auch in Kiew heftige Auseinandersetzungen hervorruft. In erster Lesung wurde er Anfang Oktober gebilligt, und jetzt soll die endgültige Fassung verabschiedet werden. Der Abstimmung wird der Assistent des US-Außenministers, Wesley Mitchell, beiwohnen. Danach wird er nach Polen, Deutschland, Belgien und Großbritannien reisen.

 

Quelle: Sputnik