Warschau gefährdet den Zusammenhalt innerhalb Europas und verfolgt einen „Kreml-Plan“, kritisiert der EU-Ratspräsident Donald Tusk. Der Politologe Nikita Danjuk vom Institut für Strategiestudien und Prognosen an der Russischen Universität der Völkerfreundschaft kommentiert.
Immer lauter erkläre Polen seine „eigenständige Position“, immer öfter verweigere sich Warschau den Anweisungen aus Brüssel, sagt der Politologe gegenüber dem Portal rueconomics. „Das beste Beispiel sind die Aufnahmequoten für Flüchtlinge: Die Länder der Visegrad-Gruppe haben sich strikt geweigert, diese einzuhalten.“
Auch Polens Umgang mit der Ukraine sei in dieser Hinsicht prägnant: „Die Ukraine war mal eines dieser wenigen Themen, die die EU einst zusammenschweißen und auf eine gemeinsame außenpolitische Linie bringen konnte. Inzwischen aber ist allen – und vor allem Polen – klar, dass die Lage in der Ukraine mit keinerlei europäischen Werten in Einklang zu bringen ist“, erklärt der Analyst. Das historisch ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Warschau und Kiew werde dadurch zusätzlich verschärft.
Dies reiche soweit, dass die polnische Führung radikale Maßnahmen gegen ihren Nachbarn ergreife: schwarze Listen. „Kürzlich ist einem ukrainischen Regierungsbeamten die Einreise nach Polen verwehrt worden. Ihm wird vorgeworfen, er mache Propaganda für verbrecherisches Gedankengut.“ Dem Beamten habe auch nicht geholfen, dass er ein deutsches Visum gehabt habe. „Der polnische Botschafter musste die Situation im ukrainischen Außenministerium erklären“, so der Politologe.
Offenbar sah sich jetzt der EU-Ratspräsident Tusk veranlasst, seine Landsleute in Warschau zurechtzuweisen. Die Politik der polnischen Regierungspartei erinnere ihn an ein Vorgehen im Interesse Russlands, twitterte er am Sonntag. Warschau streite sich zu heftig mit Kiew, sei in der EU isoliert, habe längst den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen und übe Druck auf Medien sowie die Zivilgesellschaft aus, kritisierte der Ratsvorsitzende. Das alles sei typisch für die polnische Regierungspartei ebenso wie für einen gewissen „Kreml-Plan“, so Tusk.
Was man bei diesen Auslassungen im Blick haben müsse, so der Politologe Danjuk, sei Donald Tusks politischer Background. „Tusk ist im Grunde ein Abkömmling des polnischen Establishments, das gerade eben nicht an der Macht, sondern eher in der Opposition ist.“
Auch müsse Tusk in seiner Position als EU-Ratspräsident dafür sorgen, dass die „Erosionsprozesse“ innerhalb der EU gestoppt würden, so der Experte weiter. Für europäische Bürokraten sei es ein Ding der Unmöglichkeit, dass „zahlreiche Länder“ ihre unabhängige Position erklärten.
Was den Brüsseler Bürokraten wohl aber am meisten Kopfschmerzen bereite, sei Warschaus Wille, „ein neues Machtzentrum innerhalb der schwächelnden EU“ zu werden. „Waren bis vor Kurzem London, Berlin oder Paris die Entscheidungszentren in der EU, versucht jetzt Polen vor dem Hintergrund der EU-Schwäche zum großen geopolitischen Projekt aufzusteigen. Dabei nutzt Warschau seine Beziehungen zu den USA offensichtlich aus und umgeht auf diese Weise Brüssel, mit dem es seine Position eigentlich abstimmen müsste“, so der Experte.
Quelle: Sputnik