Syrien droht neue Windung der Kriegsspirale – jetzt unter Teilnahme der Türkei

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erwartet, dass zu den Hauptthemen des für diese Woche in Sotschi angesetzten russisch-türkisch-iranischen Gipfeltreffens die Situation in der syrisch-kurdischen Enklave Afrin gehören wird.

Im Vorfeld des Gipfels trafen sich im türkischen Antalya die Außenminister der drei Länder. Der russische Chefdiplomat Sergej Lawrow bezeichnete diese Gespräche als „nützlich“. Der Pressedienst des Kremls kündigte an, dass das bevorstehende Präsidententreffen der „langfristigen Normalisierung der Situation“ gewidmet sein werde.

„Ich glaube, dass dieses Treffen sehr wichtig sein wird“, sagte Erdogan kurz vor der Abreise nach Sotschi.

Zugleich teilte er mit, dass neben den Präsidenten an den Treffen auch die Generalstabschefs der drei Länder teilnehmen werden. Für Ankara ist nach seinen Worten die Situation in zwei Gebieten besonders problematisch: in Afrin, das von den Kurden kontrolliert wird, und in Idlib, wo die Rebellen das Sagen haben. Bezüglich Afrins sagte Erdogan, mit Russland sei vereinbart worden, dass es nichts gegen Reaktionen Ankaras auf mögliche „Gefahren und Provokationen“ hätte.

„Die Türkei genießt schon seit langem die nahezu volle Handlungsfreiheit in Afrin“, sagte Kyrill Semjonow vom russischen Zentrum für Islam-Studien. „Sie war schon seit langem in der Lage, sich damit zu befassen, und führte auch solche Einsätze durch, wie beispielsweise bei Tel Rifaat. Das Problem war nur, dass diese Einsätze erfolglos blieben. Bei Tel Rifaat kamen die Abteilungen der Freien Syrischen Armee (FSA) zum Einsatz, und die Türken unterstützten sie mit Feuer. Die Frage ist nur, inwieweit die Türken selbst bereit sind, solche Operationen aus eigener Kraft durchzuführen, und ob sie sich mit den Verlusten abfinden würden, die sie in Afrin tragen müssten.“

Der Experte führte an, dass sich dort bis zu 10.000 Kämpfer des kurdischen Volksheeres sowie viele FSA-Kämpfer befinden, die die Demokratischen Kräfte Syriens (DKS) unterstützen, deren Kern wiederum von Kurden gebildet werde.

Es wäre nicht ganz richtig, zu sagen, Russland würde Afrins Sicherheit garantieren, fuhr der Analyst fort. „Erdogan hat es leicht, zu sagen, er würde gern Afrin einnehmen, und nur die Russen würden ihn daran hindern. Dafür hatte er früher viele Möglichkeiten. Aber inzwischen versteht er, dass seine Verluste dabei ziemlich groß werden könnten.“ Semjonow zeigte sich überzeugt, dass die diesbezüglichen Aussagen Erdogans vor allem für das Publikum in der Türkei bestimmt waren. „Erdogan tut so, als würde er sich permanent mit der Kurden-Frage befassen. Er wird dieses Thema ständig aufwerfen und nach Umständen suchen, die ihn bei einem Einsatz (gegen die Kurden) behindern.

Die USA brauchen Afrin im Grunde gar nicht, besonders nach der Einnahme Rakkas und der faktischen Beendigung des Kriegs gegen den IS. Andererseits aber brauchen die Amerikaner auch keine neue Runde der Spannungen mit der Türkei. Dabei geht es nicht nur um Afrin. Wer kann garantieren, dass kein umfassender Krieg zwischen den DKS und der Türkei ausbricht, falls die Türkei eine Offensive bei Afrin beginnen würde? Denn Afrin könnten die kurdischen Kräfte aus Manbidsch unterstützen. Dann könnten sich auch Kräfte einmischen, die zu Damaskus loyal sind, und das würde eine neue Runde des Bürgerkriegs in Syrien unter Beteiligung der Türkei bedeuten“, so der Experte.

Quelle: Sputnik