Vor dem Hintergrund des trilateralen Gipfels in Sotschi, wo Russland, die Türkei und der Iran die Regelung der syrischen Krise besprochen haben, hat der türkische Ex-Außenminister Yaşar Yakış die Position seines Landes in Bezug auf die Syrien-Krise, die Kooperation mit Russland und die Rolle des EU-Beitritts für den Staatsaufbau kommentiert.
Yakış zufolge ist eine überwiegende Mehrheit der syrischen Bevölkerung gegen die Politik des Landes in Syrien und gegen die Einmischung der Türkei in die syrische Krise. „Einige hochrangige Personen sprechen sogar davon, dass die Türkei einen großen Fehler begangen habe, indem sie mit dem Kampf gegen das syrische Regime begonnen und sich in die inneren Angelegenheiten Syriens eingemischt habe“, sagte ergegenüber Sputnik.
Fehlverhalten beim Ausbruch der syrischen Krise
Diesen Standpunkt teilt Yakış auch: Die Türkei habe sich zu Beginn der syrischen Krise falsch verhalten, indem sie vermutet habe, der Sturz von Bashar al-Assad sei unvermeidbar, gab er zu: „Die Türkei meinte, Bashar al-Assad werde sehr schnell seines Amtes enthoben werden, und später konnte sie diese politische Linie nicht ändern.“
Die türkische Politik in dieser Frage sei etwa vor einem Jahr geändert worden, als die Türkei nicht mehr auf den sofortigen Rücktritt des syrischen Staatschefs pochte. „Das heißt, die Türkei akzeptierte die Tatsache, dass Assad wenigstens während der Übergangsperiode bleiben wird.“
Russland oder USA, Saudi-Arabien oder Iran?
„Russland ist zur Schlüsselfigur bei der Lösung der syrischen Krise geworden“, betonte Yakış.
In Bezug darauf wollte Sputnik wissen, ob die türkische Politik der von Russland oder der der USA näher stehe. Es komme drauf an, um welchen Bereich es gehe, erwiderte Yakış: „In einigen Bereichen ist die Türkei in ihrer Politik Russland näher, in anderen ist sie den USA näher.“ Die Türkei arbeite mit Russland hauptsächlich beim Thema Syrien zusammen, sagte er, weil „ihre Interessen sich in mehreren Momenten mit den russischen decken. Allerdings decken sie sich nicht vollständig, weil die Türkei und Russland in der kurdischen Frage Meinungsverschiedenheiten haben.“
Die Türkei sei am meisten darum besorgt, dass die Kurden keinen unabhängigen Staat schaffen und keine eigenen Provinzen bilden mögen, so Yakış. Das Land wolle keine kurdische Region in seinem Süden, die es von Syrien trennen werde: „Das kann zu einem Muster für die türkischen Kurden werden. Und zum anderen will die Türkei nicht von Syrien und vom Weg nach Süden in die Länder des Mittleren Ostens abgeschnürt werden.“ Aus diesem Grund nehme der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan auch an den Verhandlungen teil, die den Frieden in der Region zum Ziel haben.
Die Türkei wolle auch die Beziehungen zu den beiden wichtigsten Rivalen in der Golfregion, Saudi-Arabien und Iran, bilanzieren: „Die Türkei will gute Beziehungen mit den beiden Ländern unterhalten, denn beide spielen eine wichtige Rolle in der Region“, hob Yakış hervor.
Das Land zum EU-Beitritt in Ordnung bringen
Ob die Türkei auf die Idee verzichtet habe, doch einmal der EU beizutreten, wollte Sputnik wissen. Yakış sieht dies nicht so einfach: Anstatt alle Bemühungen auf den Beitritt zur EU zu richten, solle die Türkei den Beitrittsprozess benutzen, um zu einem Staat zu werden, in dem die Grundrechte und Freiheiten eingehalten würden, in dem die Demokratie „sanfter“ wirke, wo eine transparente Marktwirtschaft bestehe und das Korruptionsniveau niedrig sei.
„Die Türkei kann kaum als ein Demokratie-Paradies bezeichnet werden, dennoch verfügt sie über eine bestimmte demokratische Erfahrung, weil im Lande seit 1945 ein Mehrparteisystem besteht“, betonte Yakış.
Weltliche Wende unter Erdogan? Von wegen!
Die Aussicht Erdogans, seine islamisch-konservative Gesinnung zu ändern und möglicherweise eine entsprechende Wende in seiner Innenpolitik vorzunehmen, bewertete Yakış als wenig wahrscheinlich: „Erdogan lernte in religiösen Schulen, (…) er stammt aus einer konservativen Familie, und er setzte zu Beginn seiner Karriere auf die konservativ gesinnte Wählerschaft. Nun kann er seine Ansichten nicht mehr ändern und versuchen, den Wünschen der weltlichen Kreise entgegenzukommen“.
Die Präsidenten Russlands, der Türkei und des Irans, Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan und Hassan Rouhani, waren am Mittwoch im südrussischen Sotschi zusammengekommen. Die drei Staatschefs besprachen bei ihrem Treffen die Regelung der Syrien-Krise und die Lage in der Region.
Quelle: Sputnik