In Moskau lässt man sich Washingtons Plan zur weiteren Militärpräsenz im Norden Syriens nicht gefallen, schreibt die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Freitag.
„Das ist ein klarer Beweis dafür, dass die Partie das Endspiel erreicht: Viele bemühen sich darum, sich attraktive Positionen zu reservieren, um dann die politische Regelung in Syrien zu beeinflussen“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im russischen Föderationsrat (Parlamentsoberhaus), Konstantin Kossatschow, zum jüngsten Bericht der „Washington Post“, die US-Führung wolle den Norden Syriens auch künftig durch ihre Militärkräfte kontrollieren.
Das sei „ein Versuch, auf den letzten Waggon des Zuges des Syrien-Prozesses aufzuspringen, der offensichtlich vorbeigefahren ist, was der dreiseitige Gipfel der Präsidenten Russlands, des Irans und der Türkei (in Sotschi) deutlich bewiesen hat“, so der Senator.
Empört zeigte sich auch der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der Staatsduma (Parlamentsunterhaus), Wladimir Schamanow: „Der weitere Regelungsprozess hängt von äußeren Faktoren ab, und die wichtigsten von ihnen machen die Amerikaner mit ihrem unberechenbaren Verhalten aus.“
Aber egal wie scharf die Aussagen russischer Politiker klingen, muss Moskau bei der Entwicklung seiner langfristigen Syrien-Strategie Rücksicht darauf nehmen, dass Washington seine Stellungen in den nördlichen Gebieten dieses Landes, die von den kurdischen Kräften kontrolliert werden, beibehalten will. Die Washingtoner Online-Zeitung „Al Monitor“ verwies unlängst auf den jüngsten Vierteljahresbericht der Personalabteilung des US-Verteidigungsministeriums, dem zufolge die Zahl der US-Militärs im Nahen Osten und in Nordafrika im zweiten Halbjahr 2017 um 33 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr gestiegen ist.
Türkische Experten räumen ein, dass der langfristige Aufenthalt von US-Militärstützpunkten in Syrien außer Frage stehe. „Niemand wird den Verbleib der russischen Stützpunkte in Syrien in der Nachkriegszeit besprechen, und genauso wird niemand über die US-Stützpunkte dort diskutieren“, sagte der Politologe Kerim Has gegenüber der „Nesawissimaja Gaseta“.
„Aktuell sind der administrative Aufbau Syriens und die Vollmachten, die die Kurden bekommen könnten, Gegenstand der Verhandlungen. Eine andere äußerst wichtige Frage ist die Verteilung der Energieressourcen“, so der Experte. Im Norden Syriens gebe es bekanntlich Ölfelder, und Russland plädiere dafür, dass die Kurden abhängig von Damaskus und damit indirekt auch abhängig von Moskau bleiben. „In diesem Sinne werden sie keine vollständige Unabhängigkeit bekommen“, ergänzte Has.
In der kurdischen Partei „Demokratische Union“, einer der einflussreichsten Kräfte in Nordsyrien, ist man der Ansicht, dass Vieles vom so genannten Kongress für nationalen Dialog abhängt, dessen Sitzung demnächst in Sotschi stattfinden soll. „Falls die Kurden Teil der Lösung des Syrien-Problems werden, wäre die US-Präsenz im Norden Syriens nicht nötig“, sagte der Emissär der „Demokratischen Union“ in Moskau, Abd Salam Ali. „Die Lösung des Syrien-Problems befindet sich in den Händen Russlands und der USA, aber der wichtigste Akteur ist Russland.“
In der russischen Expertengemeinschaft herrscht die Meinung vor, dass die langfristige US-Präsenz in Syrien einer von zahlreichen Faktoren ist, die die Umsetzung von Russlands Ideen bezüglich des Wiederaufbaus in Syrien belasten. „Ich denke, Moskau begreift, dass ein direkter Druck auf Washington, damit es seine Truppen aus Syrien abzieht, unmöglich wäre“, meint der Experte des Russischen Rats für internationale Angelegenheiten, Maxim Sutschkow. „Für die USA ist der Ausbau ihrer Militärpräsenz die Möglichkeit, nicht nur konkret in Syrien Fuß zu fassen, (…) sondern auch künftig den Iran unter Druck zu setzen.“
Damit ist nach seiner Auffassung auch der Ausbau der US-Kontingente in anderen Nahost-Ländern verbunden. „Russland kann in dieser Richtung kaum etwas tun. Deshalb ist Moskaus Aufgabe in Syrien, alle äußeren Akteure (auch die Türkei und den Iran) zu überzeugen, als Beobachter (…) und Garanten der syrisch-syrischen Verhandlungen (in Sotschi und Astana) aufzutreten und die Seiten positiv zu beeinflussen, auf die die Garanten einen Einfluss ausüben können. Und die militärische Präsenz wird trotz des entsprechenden Punktes der Putin-Trump-Vereinbarungen, dass ausländische Kräfte Syrien verlassen sollten, die nächste Frage sein“, unterstrich Sutschkow.
Übersetzung: Sputnik