Am Freitag findet in Brüssel der Gipfel der „Östlichen Partnerschaft“ statt. Kiew erwartet, dass dann klar wird, welche Pläne die EU gegenüber der Ukraine hat. Diese Frage hat sich vor dem Hintergrund einer erzwungenen Pause im Normandie-Format zugespitzt, schreibt die „Nesawissimaja Gaseta“ am Freitag.
Statt Vermittlungen europäischer Staats- und Regierungschefs bei den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland wurde vor einigen Monaten ein direkter Dialog zwischen den USA und Russland aufgenommen.
Die Anführer des Normandie-Formats sprachen letztes Mal Ende August per Telefon. Trotz den Anstrengungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron kam es nicht zum Durchbruch bei der Regelung. Es gab nicht einmal einen Plan für eine Roadmap, die ein Treffen der Staatschefs der Ukraine, Deutschlands, Frankreichs und Russlands am Verhandlungstisch ermöglichen könnte.
Zugleich gab es bereits mehrere Gespräche des US-Sondergesandten für die Ukraine, Kurt Volker, mit dem Berater des russischen Präsidenten, Wladislaw Surkow.
Die Situation wurde von den Wahlen in Deutschland beeinflusst. Der Russland-Sonderbeauftragte Frankreichs, Jean-Pierre Chevenement, sagte Mitte November: „Was die Verhandlungen im Normandie-Format betrifft, hat deren Einberufung vor der Bildung einer neuen Regierung in Deutschland keinen Sinn.“
Volker sagte Ende November im Interview der russischen Zeitung „Serkalo Nedeli“, dass die USA eine entschlossenere Position bei der Donbass-Regelung einnehmen, was das Normandie-Format jedoch nicht aufhebt. „Es ist wichtig, dass Deutschland und Frankreich die führenden Teilnehmer dieses Prozesses bleiben. Das ist bequem. Berlin und Paris nutzen ihre Möglichkeiten im Rahmen des Minsker Prozesses, um konkrete Details zu besprechen – wo die Trennlinie verlaufen soll, wie, wann und wohin schwere Waffen abgezogen werden sollen u.a.“, so Volker.
Washington halte es nicht für zweckmäßig, sich dem Normandie-Format anzuschließen, weil es strategische Aufgaben lösen wolle. Das Endziel sei die Wiederherstellung der territorialen Integrität und staatlichen Souveränität der Ukraine und die Gewährleistung der Sicherheit aller ukrainischen Staatsbürger, so Volker.
Einige Experten in Kiew machen darauf aufmerksam, dass gerade das Normandie-Format seit 2014 als Plattform zur Festlegung der Strategie der Donbass-Regelung betrachtet wurde. Der in diesem Jahr aufgenommene Dialog zwischen Russland und den USA hat das geändert. Der ukrainische Politologe Konstantin Bondarenko sagte, dass das Normandie-Format früher ein prinzipiell wichtiges Projekt für Angela Merkel war – um zu beweisen, dass Deutschland ein europäischer Anführer sei, der die Probleme in Europa lösen und effektiver als die Obama-Administration vorgehen kann.
Doch das Normandie-Format ließ den Konflikt nicht regeln. „Solch ein Ergebnis war zu erwarten. Die Begünstigten befinden sich nicht in Deutschland oder Frankreich, sondern in Russland und den USA. Sie beschließen das. Berlin und Paris haben keine Einflusshebel, die die Situation verändern könnten. Washington und Moskau haben solche Instrumente – darin besteht der Unterschied“, so der Politologe.
Ob das die Abkühlung der Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU in anderen Richtungen bedeuten würde, wird nach dem Gipfel „Östliche Partnerschaft“ klar. Wie der ukrainische Präsident Petro Poroschenko vor wenigen Tagen sagte, soll der Gipfel neue Zwischenziele auf dem europäischen Wege festlegen. Das Endziel sei die vollwertige Mitgliedschaft der Ukraine in der EU, die endgültige Rückkehr in das europäische Haus.
Experten in Kiew zufolge gibt es in der EU Gegner der Bereitstellung jeglicher Versprechen über eine künftige EU-Mitgliedschaft. Es wird an das Referendum in den Niederlanden erinnert, nach dem die Ratifizierung des Assoziierungsabkommens bedroht war. Die Situation wurde nach Präzisierungen gerettet, dass die Assoziierung keine obligatorische Aussicht auf eine Mitgliedschaft vorsieht sowie keine Wirtschafts- und Verteidigungsverpflichtungen der EU gegenüber der Ukraine enthält.
Politologen äußern Zweifel daran, dass solche Fragen beim Gipfel der „Östlichen Partnerschaft“ gelöst werden können. „Dieses Format wurde von Polen als Druckinstrument auf benachbarte Länder initiiert – um sie im Einflussbereich der EU zu halten, ohne unerfüllbare Versprechen zu geben“, sagte Bondarenko.
Die Situation wird dadurch erschwert, dass die „Östliche Partnerschaft“ ganz verschiedene Staaten vereinigt – nicht nur nach dem Niveau der Entwicklung und des politischen Aufbaus, sondern auch nach den Beziehungen zu Russland: Das sind die Ukraine, Moldawien, Georgien, Aserbaidschan, Armenien und Weißrussland.
Quelle: Sputnik