Die Luft in deutschen Städten bleibt stark belastet. Auf einem zweiten Dieselgipfel will die Kanzlerin deswegen mit Kommunen und Städten ein Maßnahmenpaket erarbeiten — sonst drohen Fahrverbote. Doch die Wünsche gehen immer noch weit auseinander.
Die Belastung mit schädlichen Stickoxidabgasen in deutschen Städten ist unverändert hoch: In diesem Jahr sei an mehr als der Hälfte der verkehrsnahen Messstation die Luft zu schlecht gewesen, berichtete die «Neue Osnabrücker Zeitung» unter Berufung auf vorläufige Auswertungen des Umweltbundesamtes. Der Stickstoffdioxid-Grenzwert sei an rund 58 Prozent der verkehrsnahen Messstellen überschritten worden, sagte Bundesamtspräsidentin Maria Krautzberger dem Blatt. Größter Produzent des Schadstoffs ist laut einer aktuellen Studie des Umweltbundesamtes der Autoverkehr, wobei Diesel-Antriebe rund 80 Prozent beisteuern.
«Es hat sich im Vergleich zum Vorjahr im Grunde nichts getan», sagte Krautzberger. «2016 waren es 59 Prozent.»An besonders belasteten Standorten etwa in München oder Stuttgart seien die erlaubten Jahresmittelwerte von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter um das Doppelte überschritten worden.
Wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtet, drohen deswegen nun in 28 Städten Fahrverbote. Zu den betroffenen Städten zählen neben Stuttgart und München auch Hamburg, Kölnund Düsseldorf.
«Es wird in einigen Städten Fahrverbote geben», sagte Gerd Lottsiepen, Umweltexperte beim Verkehrsclub Deutschland der «SZ». «Anders wird sich saubere Luft in den Städten nicht erreichen lassen.» Schon wegen der Millionen Dieselautos, die den Grenzwert nur auf dem Papier einhalten.
Bei einem Spitzentreffen wollen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Städte und Kommunen am Dienstag in Berlin die Weichen für die schnelle Umsetzung eines Milliarden-Programms für bessere Luft in den Städten stellen. Damit sollen drohende Diesel-Fahrverbote in Städten verhindert werden. Vor dem Treffen hatte es zunehmend Kritik an der schleppenden Umsetzung des vor Monaten beschlossenen Fonds gegeben.
Im Entwurf eines Ergebnispapiers für das Spitzentreffen heißt es: „Unser gemeinsames Ziel ist es, dass in allen von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Kommunen möglichst schnell eine Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte erreicht wird.“
Eine Milliarde Euro für bessere Luft
350 Millionen Euro sollen demnach für die Elektrifizierung des Verkehrs bereitgestellt werden, etwa zur Umrüstung von Diesel-Busflotten. Weitere 150 Millionen Euro sollen in die Nachrüstung von Diesel-Bussen gehen, bis zu 500 Millionen Euro in die Digitalisierung des Verkehrs.
Laut «Bayerischem Rundfunk» stehen 700 Maßnahmen zur Debatte. Konkret gehe es unter anderem darum die Parkplatzsuche digital zu unterstützen und kommunale Fuhrparks mit Leihautos oder Fahrrädern aufzubauen. Auch Tempolimits bis auf 30 km/h auf wichtigen Verkehrsachsen sind im Gespräch. Eine «blaue Plakette» könnte die Einfahrt in die Innenstädte für Diesel-Autos einschränken — und käme damit bereits einem Fahrverbot nahe.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) forderte nach dem Milliarden-Fonds weitere Finanzhilfen. Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling als VKU-Präsident sagte der Deutschen Presse-Agentur, es könne nicht bei dem Diesel-Fonds in Höhe von einer Milliarde Euro bleiben. „Das wird nicht ausreichen für die Verkehrswende in der Fläche.“ Vielmehr seien weitere Milliarden-Fördergelder notwendig. „Eigentlich müsste jedes Jahr ein solcher Milliarden-Fonds aufgelegt werden.“ Die Umstellung eines Viertels der Busflotte auf emissionsfreie Antriebe koste alleine für Mainz 30 Millionen Euro.
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