Trotz der Regierungskrise zeigt sich Berlin bereit, für den Bau der neuen Pipeline Nord Stream 2 zu kämpfen, durch die Erdgas aus Russland unter Umgehung der Ukraine nach Europa befördert werden soll, schreibt die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Donnerstag.
Die Bundesrepublik ruft die EU auf, das Vorhaben nicht zu behindern und keine Änderungen an den rechtlichen Richtlinien im Energiebereich vorzunehmen, die auf die außenpolitischen Umstände zurückzuführen wären.
Es geht nämlich darum, dass das so genannte „Dritte Energiepaket“, das Verkäufern von Brennstoffen die Beförderung untersagt, nur auf dem EU-Territorium gilt, aber nicht auf hoher See. Brüssel will es aber novellieren, damit diese Richtlinien auch außerhalb des Festlandes gelten.
Diese Novellen müssen aber von EU-Parlament und EU-Rat gebilligt werden. Das dürfte kein leichtes und schnelles Verfahren werden. Aber die Situation um die neue Gasleitung bleibt deswegen ziemlich verworren.
Paul Corcoran, Finanzdirektor der Nord Stream 2 AG, sagte vor kurzem, dass die von Brüssel initiierten Novellen den juristischen Bereich destabilisieren und den Investoren dieses Projekts Angst machen. Allerdings zeigte er sich überzeugt, dass dies weder für die Baufristen noch für die Baukosten eine negative Rolle spielen würde.
„Die Gasdirektive gilt für den Betrieb der Leitung, aber die Ausstellung der Genehmigungen für den Bauprozess erfolgt im Sinne der nationalen Gesetze Russlands, Finnlands, Schwedens, Dänemarks und Deutschlands“, betonte er.
Corcoran rechnet damit, dass diese Länder dem Pipelinebau spätestens im Sommer 2018 zustimmen werden, und Nord Stream 2 bis Ende 2019 fertig wird.
Im dänischen Parlament wird heute über ein Gesetz abgestimmt, dem zufolge die Regierung den Bau der neuen Pipeline im nationalen Hoheitsgewässer untersagen dürfe. Allerdings sagte man bei Gazprom bereits, man würde dieses Verbot leicht umgehen, indem man die Route der Pipeline verändern würde. Eine Alternative sei bereits entwickelt worden: Das Rohr wäre dann um etwa zehn Kilometer länger, doch das würde für die Kosten des Projekts keine entscheidende Rolle spielen.
Zu einem wichtigen Signal an das EU-Parlament könnte auch die gestrige Aussage des russischen Vizepremiers Arkadi Dworkowitsch nach einem Treffen mit dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel werden. Nach seinen Worten sind Moskau und Berlin solidarisch, dass das Dritte Energiepaket nicht für die Nord-Stream-2-Leitung angewandt werden dürfte.
Auch der tschechische Präsident Milos Zeman befürwortete dieses Projekt während seines jüngsten Russland-Besuchs. „Angesichts der Position des Industrie- und Handelsministeriums kann ich im Namen der Republik Tschechien das Projekt Nord Stream 2 unterstützen. Ich freue mich, dass Tschechien in dieser Frage seine eigene Position hat und seine Interessen verteidigt.“
Angesichts dessen ist klar, dass die Novellierung des Dritten Energiepakets nicht zustande kommen wird, denn dafür müssten alle EU-Mitglieder stimmen, und dies ist offenbar unmöglich.
Hinzu kommt, dass Gazproms europäische Partner die Nord-Stream-2-Leitung trotz der neuen Russland-Sanktionen der USA, die ausländischen Unternehmen eine intensive Beteiligung an russischen Energieprojekten untersagen, bauen wollen.
Man habe die entsprechenden Erläuterungen der US-Regierung zur Kenntnis genommen und festgestellt, dass die europäischen Unternehmen dieses Projekt mitfinanzieren können, sagte beispielsweise Wintershall-Chef Mario Mehren.
Deutschland würde neben Österreich und Italien am meisten vom Projekt Nord Stream 2 profitieren. Dabei geht es nicht nur um die garantierten Gaslieferungen nach 2019, sondern auch um den Profit vom Bau des Objekts selbst, das auf 9,5 Milliarden Euro geschätzt wird.
„Die europäischen Geschäftskreise sind an dem Pipelineprojekt sehr interessiert“, stellt Wjatscheslaw Kulagin vom russischen Institut für energetische Forschungen fest. „Unternehmen aus Deutschland, Frankreich und Österreich sind an der Finanzierung beteiligt. Profitieren werden auch die europäischen Auftragnehmer, die Rohre liefern und verlegen, Baustoffe und Anlagen befördern und weitere damit verbundene Aufgaben lösen werden. Das wird eine positive Rolle für das BIP der europäischen Länder spielen und neue Arbeitsplätze schaffen.“
Übersetzung: Sputnik