Die Absicht der Türkei, russische Raketenabwehrkomplexe S-400 zu kaufen, ist auf Unmut des Chefs des NATO-Militärausschusses, des tschechischen Generals Petr Pavel, gestoßen. Ankara werde in diesem Fall nicht in der Lage sein, sich in das Luftabwehrsystem der Allianz zu integrieren, warnte Pavel.
Aber in einem Interview der Zeitung „U.S. News & World Report“ schlug der General einen ganz anderen Ton an: Die Allianz werde den Deal pragmatisch ansehen, weil es keine andere Alternative gibt. Denn die NATO wolle keine Belastung der Beziehungen zur Türkei.
„Die Türkei ist für das Bündnis ein überaus wichtiger Partner, weil sie einen Schlag gegen Russland aus südlicher Richtung ermöglichen würde“, sagte der tschechische Militäranalyst Martin Koller in einem Sputnik-Interview. „Das ist eine unbestrittene Tatsache, sonst wäre dieses muslimische Land nie ein NATO-Mitglied. Denn die Türkei ist dem Bündnis völlig fremd — sowohl im Hinblick auf ihre geografische Lage als auch auf die nationale Zusammensetzung“, sagte Koller.
Der Beschluss, S-400 statt US-amerikanischer Patriot-Systeme zu kaufen, sei durchaus logisch. Expertenschätzungen zufolge sei das russische System effizienter als Patriot. „Es liegt klar auf der Hand, dass die Amerikaner die modernisierte Version ihres Patriot-Systems nicht an die Türken liefern wollen. Bereits vor 20 oder 25 Jahren hatten russische S-300 als effektiver gegolten“, fuhr der Experte fort.
Auf die Frage, ob der Erwerb russischer Waffen durch die Türkei gegen antirussische Sanktionen verstoßen würde, sagte Koller: „Die gegenwärtige Situation ermöglicht es der Türkei, sich über die USA und über die Europäische Union zu belustigen. Denn die Türkei steigt zu einer Regionalmacht auf und kümmert sich vor allem um eigene Interessen.
„Während des Zweiten Weltkrieges war die Türkei Verbündeter Deutschlands, was aber keine Sanktionen (gegen Ankara) zur Folge hatte. Während des Ersten Weltkrieges trat die Türkei das Völkerrecht mit Füßen, indem Genozid am armenischen Volk verübt wurde – und ebenfalls ohne spätere Sanktionen. Daraus resultiert, dass die Türkei ein Staat ist, der seinerzeit von Mustafa Kemal Atatürks harter Hand und jetzt von nicht weniger härterer Hand des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan regiert wird. Dieser Staat will gar nicht dulden, ein Bauer in jemandes Spiel zu sein und fremden Interessen zu dienen“, betonte der tschechische Experte.
Quelle: Sputnik