Berichte über Sklavenhandel in Libyen überschatten den EU-Afrika-Gipfel. Mit einem Evakuierungsplan wollen nun die Staats- und Regierungschefs europäischer und afrikanischer Länder auf die dramatische Menschenrechtslage reagieren. Die Pläne stoßen auf heftige Kritik.
Die Teilnehmer des EU-Afrika-Gipfels haben sich angesichts der desaströsen Menschenrechtslage in Libyen und Berichten über Fälle von Sklavenhandel auf einen sogenannten Evakuierungsplan geeinigt. Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen am Mittwochabend bei einem Krisentreffen in Abidjan stimmte der libysche Ministerpräsident Fajis as-Sarradsch zu, in seinem Machtbereich der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR Zugang zu den Lagern zu gewähren.
Die IOM soll Migranten helfen, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren. So sollen die bisher schon im geringen Umfang stattfindenden Rückführungen künftig deutlich ausgeweitet werden. Der Deutschen Presse-Agentur (DPA) zufolge hat Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits im August der IOM einen zusätzlichen zweistelligen Millionenbetrag zugesagt. Die Finanzierung der Transporte soll überwiegend von afrikanischen Staaten übernommen werden. Sie sollen auch bei der Identifizierung der Herkunftsländer sowie bei der Erstellung der notwendigen Reisedokumente mitwirken.
Schutzbedürftige, die vor politischer Verfolgung oder Bürgerkrieg geflohen seien, sollen zunächst unter Federführung des UNHCR in den Tschad oder den Niger gebracht werden. Von dort aus sei dann laut DPA eine weitere Umsiedlung in aufnahmewillige Staaten in der EU oder auch außerhalb Europas geplant.
Die Teilnehmer einigten sich auch darauf, mittels Polizei und Nachrichtendiensten Erkenntnisse zu Schleuserbanden und deren Hintermännern zu sammeln. So soll eine Taskforce eingesetzt werden, die auf EU- und UN-Ebene Sanktionsmöglichkeiten gegen Schleuser prüft und umsetzt. Außerdem sei der Einsatz einer afrikanischen Untersuchungskommission mit Unterstützung von UN und EU geplant, die Vorfälle wie Sklavenauktionen oder andere Menschenrechtsverletzungen untersuchen soll.
„Zweiter Flüchtlingsdeal“
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisiert den sogenannten Evakuierungsplan für Migranten aus Libyen scharf. „Es ist unmöglich, in einem nicht existenten Staatsgefüge zu prüfen, wer Schutz braucht und wer nicht“, sagte Stiftungsvorstand Günter Burkhardt am Donnerstag der DPA. Es würde hier den Ländern wie Deutschland und Frankreich einzig und allein darum gehen, Europa abzuschotten. Es sei ihnen egal, dass das die Abschaffung des Asylrechts in Europa bedeute.
Dieser Plan sei ein „zweiter Flüchtlingsdeal“ und diene nur der Flüchtlingsabwehr, sagte Andrej Hunko gegenüber Sputnik: „Migrationsabwehr darf nicht als Partnerschaft oder Entwicklungshilfe getarnt werden“, bemängelte der Linkspolitiker und fordert deutlich mehr finanzielle Hilfen für afrikanische Länder. Es sei allerdings zu befürchten, dass weiter nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ verfahren werde. Hilfszusagen seien oft an die Kooperation bei der Bekämpfung unerwünschter Migration geknüpft, gab der Politiker in einer Pressemitteilung bekannt:
„In Libyen und den angrenzenden Sahel-Staaten will die EU die kommerzielle Fluchthilfe mithilfe von Militärmissionen unterbinden. Die dortigen Grenzbehörden erhalten Gelder aus dem EU-Hilfsfonds für Afrika. In Libyen handelt es sich bei den Begünstigten um brutale Milizen, die sogar selbst in das Schleusergeschäft verwickelt sind. Es ist besorgniserregend, wie die IOM und das UNHCR in den neuen Plänen der Europäischen Union zu Gehilfen der europäischen Migrationsabwehr gemacht werden.“
Die kombinierten Anstrengungen Italiens und der EU zur Stützung der libyschen Küstenwache sollen in den nächsten Jahren 285 Millionen Euro kosten, teilte Mario Morcone vom italienischen Innenministerium am Dienstag vor Mitgliedern des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten mit. Zwischen 400.000 und einer Million Menschen sollen verschiedenen Schätzungen zufolge im nordafrikanischen Libyen festsitzen.
Paul Linke
Das komplette Interview mit Andrej Hunko (Linkspartei) zum Nachhören: