UN-Generalsekretär António Guterres hat sich in New York mit dem ukrainischen Außenminister Pawel Klimkin getroffen. Klimkin erläuterte bei dem Treffen Kiews Position zum Format beziehungsweise Mandat einer möglichen UN-Friedensmission im Donezbecken. Dies berichtet die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Freitag.
In der kommenden Woche soll im ukrainischen Parlament die Abstimmung des Gesetzes „Über Besonderheiten der Staatspolitik zwecks Förderung der staatlichen Souveränität der Ukraine über die provisorisch okkupierten Territorien in den Gebieten Donezk und Lugansk“ in zweiter Lesung stattfinden. In erster Lesung wurde das Dokument bereits im Oktober gebilligt.
Die Vereinten Nationen haben jedoch einige Zweifel bezüglich dieses Gesetzes.
Bekanntlich will die Oberste Rada (Parlament) Russland als „Aggressor“ und die von Kiew nicht kontrollierten Teile der Gebiete Donezk und Lugansk als „provisorisch okkupiert“ bestimmen. Außerdem sollen in dem Dokument nach Auffassung der ukrainischen Abgeordneten die Minsker Friedensvereinbarungen nicht erwähnt werden.
In Kiew will man also gesetzlich festlegen, dass es sich bei der Situation im Osten des Landes nicht um einen inneren Konflikt, sondern um die Folge einer äußeren Aggression handelt, so dass Russland dafür verantwortlich ist.
Angesichts dessen fordern die ukrainischen Behörden, dass die UN-Friedenstruppen auf dem ganzen Territorium der Donbass-Region stationiert werden sollten, insbesondere an der russisch-ukrainischen Grenze.
Russland behauptet bekanntlich, nicht zu den Teilnehmern dieses Konflikts zu gehören, und verlangt von Kiew, einen Dialog direkt mit den selbsternannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk aufzunehmen. Daher ist es nach Auffassung Moskaus unnötig, die UN-Friedensstifter an der russisch-ukrainischen Grenze zu stationieren.
Der russische Präsident Wladimir Putin sagte auf seiner großen Jahrespressekonferenz am Donnerstag: „Im Donezbecken gibt es keine russischen Truppen. Aber dort gibt es tatsächlich gewisse Miliz-Formationen, die (…) bereit sind, jegliche umfassende militärische Aktionen gegen die Donbass-Region abzuwehren. Unseres Erachtens entspricht das den Interessen der auf diesem Territorium lebenden Menschen.“ Wenn sie solche Möglichkeiten nicht hätten, könnten ukrainische nationalistische Bataillone ein Massaker verüben, das noch schlimmer als in Srebrenica wäre, betonte der Kreml-Chef.
Er räumte die mangelnde Effizienz des Minsker Prozesses ein, gab aber den Behörden in Kiew die Schuld dafür. Nach seinen Worten „wollen sie nicht die Minsker Vereinbarungen erfüllen und den wahren politischen Prozess beginnen“.
Was das ukrainische sogenannte „Reintegrationsgesetz“ angeht, so warnen manche Experten, dass es die humanitären Probleme der Donbass-Region nicht lösen könne. Der ukrainische Diplomat Bogdan Jaremenko findet, dass dieses Dokument in Wahrheit ganz andere Aufgaben verfolge:
„Die ‚kochende‘ ukrainische Patriotengemeinschaft, die die Situation um die rechtliche Festlegung der russischen Aggression gegen die Ukraine inakzeptabel findet, müsse beruhigt werden. Andererseits soll dieser Gesetzentwurf die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen vorantreiben, was den westlichen Partnern zuliebe getan wird, die diese Vereinbarungen für ein Instrument zur Konfliktregelung halten. Aber diese beiden Ziele sind taktisch, und sie machen die Situation nicht rechtlich korrekt.“
Denn selbst wenn Russland zum „Aggressor“ abgestempelt werden sollte, würde dadurch keine Antwort auf die Frage gegeben, was die Ukraine für die Regelung der Situation unternehmen will. Die Behörden in Kiew wollen nicht den Kriegszustand verhängen oder auch andere Maßnahmen ergreifen, die in diesem Gesetzentwurf vorgesehen seien, so der Experte.
Mit diesem Gesetz seien auch latente Gefahren für die Ukraine selbst verbunden, fuhr Jaremenko fort. So sollen in dem Dokument die Verpflichtungen der Behörden gegenüber den Einwohnern der „provisorisch besetzten Territorien“ der Donbass-Region verankert werden. Aber in der ersten Fassung des „Reintegrationsgesetzes“ seien die Einwohner der Krim, die man in Kiew nach wie vor für ukrainisches Territorium halte, nicht einmal erwähnt worden. „Wir sollten entweder allen die sozialen Garantien versprechen oder darauf vollständig verzichten“, so der Politologe.
Diese und auch andere Mängel des „Reintegrationsgesetzes“ bemerkt man auch in der Uno. Im jüngsten Bericht der UN-Beobachtungsmission heißt es unter anderem, dass darin Fragen des Schutzes der Rechte und Freiheiten der Einwohner der „provisorisch besetzten“ Gebiete nicht deutlich genug formuliert seien.
Inzwischen haben die USA und Kanada beschlossen, die Ukraine mit Waffen zu versorgen. Der ukrainische Staatschef Petro Poroschenko begrüßte diese Entscheidung Washingtons und Ottawas und betonte, dass Kiew dadurch „ein starkes und rechtzeitiges unterstützendes Signal“ erhalten habe und dass „der Weg zur verstärkten militärischen Hilfe für die Ukraine offen“ sei.
Einige Experten in Kiew schließen nicht aus, dass man zwecks Vorbeugung eines allumfassenden Kriegs das Format der Donbass-Verhandlungen verändern müsste.
Übersetzung: Sputnik