Unauffälligkeit und große Seeausdauer, modernste funkelektronische Ausrüstung und enorm starke Waffen, darunter Anti-Schiffs-Hyperschallraketen „Zirkon“ –so kann man das künftige Atom-U-Boot „Haski“ beschreiben, mit dessen Vorprojekt sich der Befehlshaber der russischen Seestreitkräfte, Admiral Wladimir Koroljow, am Mittwoch vertraut gemacht hat.
Dieses U-Boot, das vom St. Petersburger Konstruktionsbüro „Malachit“ entwickelt wurde, soll in der Perspektive die Mehrzweck-U-Boote „Schtschuka“ und „Jassen“ ablösen.
Zwar werden im „Sewmasch“-Betrieb in Sewerodwinsk (Gebiet Archangelsk) weiterhin U-Boote „Jassen“ gebaut, und die Werft „Swjosdotschka“ modernisiert die sowjetischen U-Boote „Schtschuka“, aber die Konstrukteure arbeiten bereits für die Perspektive: Die Entwicklung eines neuen Mehrzweck-U-Boots der fünften Generation „Haski“ (engl. „Husky“) ist in vollem Gange. Die Forschungsarbeiten an diesem Projekt werden voraussichtlich 2018 abgeschlossen, wobei die Finanzmittel für den Bau dieser U-Boote bereits im staatlichen Rüstungsprogramm für die Jahre 2018 bis 2025 vorgesehen sind.
Hyperschallwaffen-Arsenal
Die russischen Schiffbauer wären bereit, sich mit dem neuen Projekt zu befassen, sobald die ganze „Jassen“-Familie fertiggebaut worden ist. Der Befehlshaber der Seestreitkräfte, Vizeadmiral Viktor Burssuk, kündigte unlängst an, dass das erste „Haski“-U-Boot 2023 bzw. 2024 auf Kiel gelegt werde. Gegen 2030 dürfte die Marine damit rechnen, diese U-Boote zu erhalten. Auch wenn es in offenen Quellen kaum Informationen gibt, ist schon jetzt klar, dass es sich dabei um ein wirklich revolutionäres Projekt handelt.
Laut Angaben aus offenen Quellen wird die wichtigste Waffe des künftigen U-Boots der Raketenkomplex 3K-22 „Zirkon“ sein, der mit Hyperschall-Marschflugkörpern 3M22 schießen wird (diese werden bereits getestet, allerdings streng vertraulich). Bekannt ist lediglich, dass diese Rakete eine Geschwindigkeit von fünf bis zehn Mach erreichen und Ziele aus einer Entfernung von 300 bis 500 Kilometern treffen kann. Zum Vergleich: Aktuell verfügt die Marine über Anti-Schiffs-Raketen, deren Geschwindigkeit höchstens 2,5 Mach beträgt.
„Die Gefahren, die uns drohen, werden immer (…) größer“, betonte der frühere Befehlshaber der Schwarzmeerflotte, Admiral Wladimir Komojedow. „Darauf müssen wir reagieren. Ich bin Anhänger einer Symbiose, so dass das künftige U-Boot möglichst universal sein sollte. Es sollte ein zuverlässiges Ortungssystem und ein Waffenanwendungssystem haben, besonders wenn es um größere Entfernungen geht. Außerdem sollte es in der Lage sein, Zielanweisungen nicht nur von den eigenen Systemen, sondern auch aus dem Weltall oder auch von den Fliegerkräften zu bekommen.“
Laut einigen ausländischen und russischen Experten könnten die „Zirkon“-Raketen Washingtons Marine-Doktrin so gut wie durchkreuzen, dessen wichtigste Waffe die zahlreichen Flugzeugträger sind. Sebastian Roblin („National Interest“) hält „Zirkon“ für eine viel gefährlichere Rakete als das alte sowjetische Modell „Granat“ (Nato-Code: Shipwreck).
Admiral Komojedow verwies seinerseits darauf, dass sich die globale Kräftebalance im Weltozean nach dem Zerfall der Sowjetunion wesentlich verändert habe, und zwar nicht gerade zugunsten Russlands. Die Sowjetunion konnte noch den US-Flugzeugträgern seine Atom-U-Boote „Antej“ und die raketentragenden Flugzeuge der Marine gegenüberstellen. Jetzt aber habe Moskau fast keine Eindämmungs-„Argumente“ mehr. Deshalb brauche Russland dringend neue Mehrzweck-Atom-U-Boote, die nicht mit Unterschallraketen „Kalibr“, sondern mit starken Hyperschallraketen bestückt wären.
„Eine Unterschallrakete kann man länger beobachten, und sie fliegt zudem länger“, betonte Komojedow gegenüber RIA Novosti. „Das bedeutet, dass man sie leichter bekämpfen kann. Wenn wir keine bzw. nur wenige solche U-Boote haben werden, könnten wir weder einzelne Einsätze auf hoher See durchführen noch Gruppierungen bilden, die gegen Flugzeugträger kämpfen könnten. Die Verteidigungstiefe eines Flugzeugträgers auf hoher See beträgt 1500 Kilometer. Dabei sind sie unter und über dem Wasser sowie aus der Luft zuverlässig geschützt. Im Atlantischen und Stillen Ozean haben die USA das Sagen, und wir können ihnen leider nichts gegenüberstellen.“
Leises U-Boot, mit Robotern ausgerüstet
Der wichtigste Unterschied der „Haski“ von den Atom-U-Booten früherer Generationen besteht in ihrer beispiellos geringen akustischen Auffälligkeit. Burssuk zufolge ist dieses U-Boot mindestens zwei Mal besser als „Jassen“ und „Schtschuka“, auch wenn die beiden Modelle zu den leisesten weltweit zählen. Dabei verfügen die „Schtschuka“-U-Boote über doppelstufige Dämpfungssysteme – alle Mechanismen, die mit lauten Geräuschen funktionieren, befinden sich auf dämpfenden „Fundamenten“, und einzelne Aggregate sind voneinander durch Pressluftelemente getrennt. Das 1996 in die Bewaffnung aufgenommene U-Boot verfügt über aktive Vibrationseindämmungssysteme. Sein Nato-Code lautet „Akula-2“. Und die neuen „Jassen“-U-Boote sind noch leiser.
Bei der Entwicklung des Atom-U-Boots der fünften Generation werden voraussichtlich Verbundstoffe verwendet werden, die relativ leicht, enorm bruchfest und sicher gegen die aggressive Meeresumwelt sind. Dank intensiver Verwendung von modernsten Lenksystemen wird die „Haski“ relativ kompakt sein und viele Ziele gleichzeitig verfolgen können. Der Chef der robotertechnischen Abteilung des Konstruktionsbüros „Malachit“, Oleg Wlassow, teilte mit, dass das neue U-Boot mit zahlreichen militärischen, zivilen und spezialisierten Roboteranlagen ausgestattet werde, die sowohl im Wasser als auch in der Luft funktionieren werden.
Übrigens werden manche solche Systeme bereits auf U-Booten der vierten Generation eingesetzt. Beispielsweise beträgt die Besatzung eines „Jassen-M“-U-Boots nur 64 Personen – gegenüber 100 bis 120 Personen bei den US-amerikanischen Mehrzweck-U-Booten „Seewolf“ und „Virginia“. Die „Haski“-Besatzung könnte sogar zusätzlich verringert werden.
Damit die künftigen U-Boote maximal günstig gebaut werden, setzen die Konstrukteure auf die Entwicklung von möglichst vielen universalen Elementen.
Mehrzweck-Atom-U-Boote
Die Atom-U-Boote der fünften Generation werden gebaut, sobald das siebte und letzte U-Boot des Projekts 885 „Jassen“ von Stapeln gelaufen ist. Planmäßig sollen sie bis 2023 der Marine übergeben werden. Das erste U-Boot dieses Typs, die „Sewerodwinsk“, wurde bereits in die Bewaffnung aufgenommen. Das zweite U-Boot, die „Kasan“, ist schon von Stapeln gelaufen und wird gerade getestet. Im Unterschied zur „Sewerodwinsk“ wurde die „Kasan“ vervollkommnet und trägt den Index 885M. Diese U-Boote sind mit Minen, 533-Millimeter-Torpedos, Marschflugkörpern „Kalibr-PL“ und noch stärkeren Marschflugkörpern „Onyx“ bestückt, die gegen größere Überwasserziele geeignet sind.
„Ein Weltkrieg wäre heutzutage unwahrscheinlich“, zeigte sich der frühere Befehlshaber der Nordflotte, Mitglied des Seekollegiums bei der Regierung Russlands, Wjatscheslaw Popow, überzeugt. „Doch die Wahrscheinlichkeit von regionalen Konflikten – wie in Syrien – ist ziemlich groß. Angesichts dieser strategischen Prognose haben Mehrzweck-Atom-U-Boote mit Marschflugkörpern verschiedener Modifikationen eine kolossale Bedeutung. Denn sie können nicht nur auf Boden-, sondern auch auf Überwasserziele schießen. Bei ‚Jassen‘ geht es um ein hervorragendes U-Boot. (…) Ich konnte nur davon träumen, meinen Wehrdienst an Bord eines solchen U-Bootes zu leisten.“
Laut der russischen Marine-Doktrin sollen gerade diese U-Boote den Kern der Mehrzweck-Unterwasserflotte bilden, um dann von den ersten „Haski“-U-Booten abgelöst zu werden. Aber das Marinekommando will auch die Mehrzweck-U-Boote „Schtschuka-B“ und die Unterwasser-Raketenkreuzer „Antej“ nicht abschreiben. Sie stehen nach wie vor der Nord- und der Pazifikflotte zur Verfügung.
Dem Admiral zufolge sind die Zeiten von grandiosen Seegefechten schon lange vorbei – jetzt geht es um eine neue Strategie der Flotteneinsätze. Heutzutage sei die Universalität der Kriegsschiffe bzw. U-Boote besonders wertvoll. „Beförderungsmittel für universale Marschflugkörper sind ein äußerst wichtiges Element des Aufbaus der Seestreitkräfte“, unterstrich Popow.
Nach Angaben des Internationalen Instituts für strategische Forschungen (IISS), die in seinem Bericht „The Military Balance“ angeführt wurden, gehören der russischen Atom-U-Boots-Gruppierung ein „Jassen“-U-Boot, elf „Schtschuka“-U-Boote, fünf „Antej“-U-Boote, zwei Atom-U-Boote „Kondor“ des Projekts 945A und drei „Kondor“-U-Boote des Projekts 971 (zweite „Schtschuka“-Generation) an. Mehrere 971er-U-Boote werden aktuell gründlich modernisiert, damit sie für die Marschflugkörper „Kalibr-PL“ geeignet sind. Darüber hinaus sollen bis 2025 vier „Antej“-U-Boote modernisiert werden, die mit starken, aber veralteten Anti-Schiffs-Raketen P-700 „Granit“ bestückt sind. Sie sollen künftig durch „Kalibr“- und „Onyx“-Raketen ersetzt werden. Damit wurde das St. Petersburger Konstruktionsbüro „Rubin“ beauftragt.
Quelle: Sputnik