Die deutschen Mittel werden für den Aufbau einer permanenten Überwachungsinfrastruktur und die Erweiterung der mobilen Beobachtungsgeräte, darunter Bodenüberwachungs-, Nachtsichtgeräte und Spotter, im Wert von 16 Millionen Euro verwendet, die Berlin im vergangenen Jahr zur Verfügung gestellt hat. Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag geht hervor:
Deutschland beteiligt finanziell an dem Projekt mit einem zweistelligen Millionenbetrag. Mit der konkreten Durchführung wurde die amerikanische Behörde „Defense Threat Reduction Agency“ (DTRA) beauftragt. Die weitere Ausplanung erfolgt in Abstimmung zwischen Deutschland, Tunesien und den USA.
DETRA ist eine Unterbehörde des US-Verteidigungsministeriums, deren Hauptfokus es nach eigenen Angaben ist, Massenvernichtungswaffen aus den Händen von Terroristen und anderen Feinden fernzuhalten, indem sie Waffen und waffenbezogenes Material sperren, überwachen und zerstören.
Lieferant ist die Firma Hensoldt, bis Frühjahr diesen Jahres noch „Airbus Defence and Space“, bis im März die Elektroniksparte des Rüstungsgeschäftes des Airbus-Konzerns an den amerikanischen Private-Equity-Investor Kohlberg-Kravis-Roberts (KKR) verkauft wurde, dessen Geschäftsmodell darauf ausgelegt ist, Firmen innerhalb weniger Jahre profitabel zu machen und nach der Restrukturierung zu verkaufen. Der Name Hensoldt steht für Tradition im Bereich Optik und Feinsensorik, die Firma wirbt so eher mit ethischen Werten als mit der Aufrüstung gegen Menschen als Geschäftsmodell.
Die Bundesregierung beteiligt sich damit zum zweiten Mal am Aufbau militärischer Überwachungsanlagen an der tunesischen Grenze zu Libyen. Im kommenden Jahr würden aus dem Wehretat im Rahmen der «Ertüchtigungsinitiative Tunesien» weitere 18 Millionen Euro in eine fest installierte elektronische Überwachungsanlage investiert, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin.
Konjunkturprogramm für die europäische Rüstungs- und Überwachungsindustrie
Nach Ansicht des Bundestagsabgeordneten und Mitglieds der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Andrej Hunko (Die Linke), handelt sich dabei
um ein massives Konjunkturprogramm für die europäische Rüstungs- und Überwachungsindustrie. Auch die Trainings tunesischer Behörden an deutschen Körperscannern werden Geld in die Kassen deutscher Konzerne spülen.
Hunko verwies zudem darauf, dass die Bundesregierung zusammen mit Rüstungskonzernen unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung gegen Flüchtlinge aufrüstet. Er zitierte den Hersteller Airbus, der seine Überwachungsausrüstung als Mittel zur Bekämpfung der «Welle illegaler Einwanderer», die nach Europa kommen, propagierte.
Sicherung der Außengrenzen als Marktchance für Rüstungsunternehmen
Das „integrierte Grenzmanagement“ ist seit Jahren ein wachsendes Boomgeschäft für europäische Rüstungs- und Technologiekonzerne. In Brüssel setzen sich Lobbyorganisationen wie die „European Organisation for Security“ mit einem starken Netzwerk zwischen Technologie-, Rüstungs- und Fahrzeugkonzernen, zusammen mit von Elektronikfirmen geleiteten AGs, mit millionenschweren Lobbybudgets für eine Ausweitung des zukunftsträchtigen Geschäfts ein.
Anfang 2016 hieß es in einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass Airbus das lukrative Geschäft mit der Rüstungselektronik, welches sich durch die Flüchtlingskrise im Bereich Grenzmanagement abzeichnete, nicht veräußern würde. Die Zeitung zitierte einen Brief des Managements von Airbus Defence & Space (ADS) an die Mitarbeiter, in dem es hieß, dass das Unternehmen sein Grenzschutzgeschäft behalten.
Zahlreiche Rüstungsunternehmen profitierten auch von den EU-Fördergeldern für die Erforschung von Grenztechnologie, darunter Airbus Defence and Space (bislang EADS), Thales aus Frankreich, BAE Systems aus Großbritannien, der italienische Konzern Leonardo-Finmeccanica, das spanische Unternehmen Indra, das deutsche Fraunhofer-Institut sowie israelische Firmen.
Tunesien hat die Sicherheitsmaßnahmen entlang der tunesisch-libyschen Grenze im Jahr 2015 verstärkt, nachdem Angriffe islamischer Extremisten, die in Libyen eine Ausbildung erhalten haben sollen, zu beobachten waren.
Seit Frühjahr 2011, nach Beginn der alliierten Luftangriffe auf Libyen, entwickelte sich die Region zum Unruheherd. Es flohen 350 000 Menschen von dort nach Tunesien, darunter 97.000 Tunesier, die zurückkehren mussten. Seitdem die EU auch Libyens Küste immer stärker gegen Migration abdichtet, nehmen zunehmend mehr Flüchtlinge den Weg über andere nordafrikanische Länder wie Tunesien.
Quelle: RT