Pentagon bestätigt zahlreiche militärische Operationen im Jemen — Rechtmäßigkeit zweifelhaft

Das Pentagon gab an, dass die USA in diesem Jahr «mehrere Bodenoperationen» und über 120 Luftschläge im Jemen durchgeführt haben. Die bisher weitgehend verdeckten militärischen Aktivitäten der Vereinigten Staaten in der Region werfen Fragen nach der Rechtmäßigkeit der Einsätze auf.

Die US-Streitkräfte haben in Jemen «mehrere Bodenoperationen und mehr als 120 Luftschläge im Jahr 2017 durchgeführt», heißt es in einer Erklärung des US Central Command in Tampa, Florida. Das US-Militär hoffe, al-Qaida auf der arabischen Halbinsel [AQAP] und den Islamischen Staat daran zu hindern, den Jemen «als Drehscheibe für terroristische Rekrutierung, Ausbildung und Operationsbasis für den weltweiten Export von Terror zu nutzen», heißt es in der Erklärung.

Verdreifachung der US-Luftangriffe innerhalb eines Jahres

Die Anzahl von 120 Luftangriffe im Jemen würden eine Verdreifachung im Vergleich zum Vorjahr bedeuten. Vor der Erklärung vom Mittwoch gab es nur wenige offizielle Enthüllungen über das Ausmaß der militärischen Beteiligung der USA im Jemen. Im Gegensatz zum Kampf gegen den IS in Syrien und dem Irak hat das Pentagon es vermieden, regelmäßige Briefings über Boden- oder Luftoperationen im Jemen abzuhalten.

Es gab bisher sporadische Berichte über US-Militäraktivitäten im Land. Das US-Central-Command gab Anfang des Monats an, dass fünf al-Qaida-Militaristen bei einem US-Luftangriff am 20. November im Gouvernement al-Baida’ im Jemen getötet wurden.

Zuvor herrschte weitgehend Unklarheit, das Pentagon hatte lediglich eingeräumt, dass die USA im Jemen «Leute vor Ort» haben. Medienberichten zufolge haben die US-Sondereinsatzkräfte die Bodenoperationen im Jemen im April intensiviert, aber Militärbeamte haben die Angelegenheit nicht weiter ausgeführt. Weiterhin bleibt unklar, wie viele US-Truppen auf jemenitischem Boden im Einsatz sind. Ein Bericht des Weißen Hauses, der dem Kongress letzte Woche vorgelegt wurde, in dem die US-Militäroperationen weltweit detailliert beschrieben wurden, konnte die Anzahl der im Jemen stationierten US-Truppen nicht offenlegen.

Im Februar wurde bekannt, dass bei einem verpfuschten US-Angriff im Land mindestens 25 Zivilisten und ein Navy SEAL ums Leben kamen. Untersuchungen zur Katastrophe ergaben, dass der Überfall keine nennenswerten geheimdienstlichen Erkenntnisse erbrachte, aber die Trump-Administration lobte die Mission dennoch als Erfolg. Abgesehen von den Todesfällen wurde auch ein 70 Millionen Dollar-teurer Militärhubschrauber zerstört.

Die jüngste Anerkennung der US-Bodenoperationen im Jemen wirft Fragen nach der Rechtmäßigkeit solcher Aktivitäten im Hinblick auf die Souveränität des Jemen auf.

Wessen Stellvertreterkrieg im Jemen?

Zuletzt hatte die US-Botschafterin bei der Uno, Nikki Haley, eindringlich versucht, darzulegen, dass es Beweise dafür gebe, der Iran führe im Jemen einen Stellvertreterkrieg.

Der amerikanische Präsident Donald Trump und der saudische König Salman sprachen am Telefon darüber, dass die Vereinten Nationen den Iran „für seine wiederholten Verletzungen des internationalen Rechts“ zur Rechenschaft ziehen müssten, wie das Weiße Haus am Mittwoch [Ortszeit] mitteilte. Weiter hieß es in der Mitteilung, ein Raketenangriff der Huthis vom Dienstag sei von den iranischen Revolutionsgarden (IRGC) „ermöglicht“ worden.

Daraufhin habe das saudi-arabisch geführte Bündnis Huthi-Rebellen im Jemen bombardiert. Getroffen wurden bei den zwei Luftangriffen in der nördlichen Provinz Saada am Mittwoch jedoch wieder Zivilisten, elf wurden nach Angaben des Leiters der örtlichen Gesundheitsbehörde, Abdelellah al-Esi, getötet. Ein Huthi-Sprecher berichtete sogar von 19 Toten, unter ihnen seien auch Frauen und Kinder. Vier weitere Unbeteiligte seien verletzt worden, sagte Al-Esi. Helfer konnten den Ort nicht erreichen, da weiterhin Kampfjets über dem Gebiet flogen.

Auch vor diesem Hintergrund werfen die Zahlen des Pentagon rechtliche Fragen auf. Vor allem die der Rechtmäßigkeit, Verantwortlichkeit und damit, inwieweit die Vereinigten Staaten selbst als Kriegspartei im Jemen mitmischen.

Nach den Genfer Konventionen von 1949 gelten die Gesetze über internationale, bewaffnete Konflikte für bewaffnete Konflikten zwischen zwei oder mehr Staaten. Das Völkerrecht legt zwar keine spezifischen Kriterien für die Bestimmung fest, wann ein Staat, der einen anderen Staat in einem nicht internationalen, bewaffneten Konflikt unterstützt, selbst Partei dieses Konflikts wird.

Human Rights Watch ist der Ansicht, dass dies auch dann der Fall ist, wenn die Streitkräfte eines Staates an Kampfeinsätzen teilnehmen, wenn der Staat eine direkte Rolle bei der Organisation, Koordinierung oder Planung von Militäroperationen spielt oder wenn der Staat anerkennt, dass er eine Konfliktpartei ist. Die indirekte Beteiligung eines Staates durch die allgemeine Bereitstellung von Militärhilfe, Finanzhilfe oder politischer Unterstützung würde ihn nicht zu einer Konfliktpartei machen.

Als Konfliktpartei im Jemen wären die USA uneingeschränkt an das geltende humanitäre Völkerrecht gebunden. Die Beteiligung der USA an bestimmten militärischen Operationen, wie z.B. Bombenangriffen, könnte die US-Streitkräfte mitverantwortlich machen für Kriegsrechtsverletzungen durch alliierte Streitkräfte. Und die USA wären verpflichtet, bei Ermittlungen zu helfen, wenn glaubwürdige Anschuldigungen von Kriegsverbrechen vorliegen, und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Doch wie die jüngsten Zahlen zeigen, haben die Vereinigten Staaten nicht nur die alliierte saudisch-geführte Koalition arabischer Länder (GCC) unterstützt, sondern selbst durch militärische Aktivitäten zahlreiche Zivilisten getötet.

Bereits seit 2009 haben die Vereinigten Staaten Dutzende von Drohnen- und andere Luftangriffen im Jemen gegen mutmaßliche Mitglieder von al-Qaida auf der arabischen Halbinsel durchgeführt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat festgestellt, dass zumindest einige dieser Luftangriffe gegen das geltende Kriegsrecht verstoßen und möglicherweise gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen haben.

Was die Effektivität hinsichtlich des eigentlichen Ziels der militärischen Operationen betrifft, so konnte sich AQAP seit offiziellem Beginn des Krieges im Jemen im Jahr 2015 weiter ausbreiten.

Kim Sharif, Direktor für Menschenrechte im Jemen, sagte im März zu RT:

Das Volk sagt: Wo sind die anderen Mächte im Sicherheitsrat? Warum setzen sie sich nicht für die Souveränität des Jemen ein, obwohl es natürlich auch in ihrem eigenen Interesse liegt, das zu tun. Denn sie müssen doch ein geschäftliches Interesse haben, ein kommerzielles Interesse, die Souveränität des Jemen zu schützen und zu bewahren, um diese internationale Passage zum Wohl aller zu bewahren.

Folge für das Land: schlimmste humanitäre Krise der Welt

Sofern es um die Verantwortung im Jemen ginge und die zahlreichen Verletzungen des Völkerrechts aufgearbeitet würden, müssten sicherlich die humanitären Folgen berücksichtigt werden.

Vor allem die Luftangriffe aber auch die seitens der saudisch-geführten Koalition verhängten Blockaden über Jemens Flug- und Seehäfen ziehen schwerste humanitäre Folgen für die jemenitische Zivilbevölkerung nach sich.

In der größten Cholera-Epidemie der Geschichte haben sich im Jemen in den vergangenen Monaten etwa eine Million Menschen mit der gefährlichen Durchfallerkrankung angesteckt. Das internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) teilte Donnerstag mit, die Marke sei überschritten worden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sprach von 998.000 Verdachtsfällen der Infektionskrankheit. 2.227 Menschen seien aufgrund der verheerenden humanitären Situation an der Cholera gestorben.

Im November bezeichneten die Leiter des Welternährungsprogramms (WFP), UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation die aktuelle Situation im Jemen als

die schlimmste humanitäre Krise der Welt.

Quelle: RT

 

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