Übergang von Syrienkrieg in politische Phase regt Westen zu Kooperation mit Moskau an

Russlands Außenminister Sergej Lawrow trifft heute seinen britischen Amtskollegen Boris Johnson. Im Mittelpunkt sollen Fragen stehen, mit denen sich Großbritannien und Russland als Mitglieder des UN-Sicherheitsrats befassen. Es geht um das Atomprogramm Nordkoreas sowie um die Syrien-Regelung, schreibt die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Freitag.

Der Besuch Johnsons ist der erste Besuch des britischen Außenministers in den letzten fünf Jahren. Allerdings ist kein Durchbruch bei den bilateralen Beziehungen zu erwarten. Im Vordergrund ihres Gesprächs werden das Risiko-Management und Absprachen der Positionen zu den wichtigsten internationalen Fragen stehen.

Dennoch heben ehemalige britische Diplomaten, die in Russland tätig waren, hervor, dass selbst die Tatsache des Treffens von Lawrow und Johnson ein gutes Ergebnis ist. „Persönliche Kontakte zwischen den Ministern sind äußerst wichtig“, sagte der ehemalige britische Botschafter in Russland, Tony Brenton. Ihm stimmte auch sein Vorgänger Roderic Lyne zu:

„Die Treffen der Politiker führen selten zu Änderungen in den Beziehungen der Länder. Die Verhandlungen Lawrows und Johnsons bilden keine Ausnahme, doch ein Dialog unter vier Augen ist sehr wichtig“, sagte Line.

Bei den Diskussionen werden Johnson und Lawrow ihre Positionen zu Herausforderungen, mit denen Großbritannien und Russland als Mitglieder des UN-Sicherheitsrats konfrontiert sind, besprechen. Eine der aktuellsten Fragen ist dabei das nordkoreanische Atomprogramm, das die Prinzipien der nuklearen Nichtverbreitung untergräbt.

Neben Nordkorea wird auch die Frage des syrischen Dossiers besprochen, bei dem es zwischen Moskau und London Widersprüche gibt. Bekannt ist, dass gerade der C-Waffen-Angriff bei Chan Scheichun, der vom Westen den syrischen Regierungskräften vorgeworfen wurde, Johnsons Moskau-Besuch im Frühjahr torpediert hatte.

Lyne zufolge sehen sich die Länder mit dem Ende der Militärphase des Syrien-Konfliktes mit neuen Bedingungen konfrontiert, es ist keine Rede vom Sieg einer Seite über der anderen. „Die Frage besteht auch nicht darin, wer konkret Syrien regieren wird, sondern darin, wie man einen langfristigen Frieden und Integrität gewährleisten kann und wann die syrischen Flüchtlinge nach Hause zurückkehren können“, so Lyne. Sowohl Russland als auch westliche Länder, darunter Großbritannien, müsse klar sein, wie wichtig gemeinsame Zusammenarbeit in dieser Frage sei.

Laut Yossi Mekelberg von der Denkfabrik Chatham House wird es nicht einfach sein, die Kontroversen zwischen Russland und dem Westen beizulegen.

„Der Islamische Staat ist zerschlagen, jetzt haben der Westen und Russland keinen gemeinsamen Feind, zum Kampf gegen den sie sich vereinigen können.“

Wie es im russischen Außenministerium hieß, soll der russisch-britische Dialog umfassend sein und ein konkretes Interesse für Moskau darstellen. „Den Dialog nur selektiv, zu einzelnen Fragen zu führen, die für Großbritannien von Interesse sind, wovon britische Beamte in ihren Äußerungen sprechen, ist unzureichend, weil das weder dem Potential des russisch-britischen Zusammenwirkens noch unseren Bedürfnissen entspricht“, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Zudem sollte der Dialog mit realen Schritten einhergehen, die ein wahres Streben nach der Normalisierung der bilateralen Verbindungen bedeuten.

Auch London beeilt sich nicht, die bilateralen Beziehungen neu zu starten. In einem Bericht des Auswärtigen Ausschusses des House of Commons über die Beziehungen zwischen Großbritannien und Russland, der im vergangenen Herbst veröffentlicht wurde, wird behauptet, dass die Kontakte mit Moskau zwar aufgenommen werden sollten, jedoch nur mit dem Ziel, einen Fortschritt bei der Verbesserung der Beziehungen zu erreichen, wenn ein passender Zeitpunkt kommt.

Schwierigkeiten sind auch im Wirtschaftsbereich zu erkennen. 2016 baute London seine Direktinvestitionen in Russland um das 2,6-fache bis auf 0,4 Milliarden Dollar ab. Der Handelsumsatz zwischen beiden Ländern ist ebenfalls nicht hoch.

Allerdings setzen Moskau und London die Zusammenarbeit im Energiebereich fort. Russland sichert fünf Prozent des britischen Imports von Rohöl, 16 Prozent des Imports von Ölprodukten und 37 Prozent des Imports von Kohle. Im Dezember erreichte London ein Abkommen mit der Firma Jamal SPG über Flüssiggaslieferungen, wie die Zeitung „Financial Times“ berichtet. Das erste Tankschiff sei bereits am britischen Hafen Isle of Grain in der Grafschaft Kent eingetroffen.

Quelle: Sputnik