Es ist das wohl heikelste Thema im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszustrom der vergangenen Jahre: Die Kriminalität von Flüchtlingen und die Gewalt gegen die Schutzsuchenden. Kaum ein Thema wühlt die Öffentlichkeit so auf. In der Debatte wird es oft holzschnittartig dargestellt, dabei ist es so interpretationsbedürftig.
Eine umfassende und detaillierte Betrachtung der Kriminalität in Deutschland erfolgt stets im Frühjahr des folgenden Jahres in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamtes (BKA).
FOCUS Online hat das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter aller Bundesländer gebeten, schon jetzt erste Erkenntnisse aus den Statistiken mitzuteilen. Einige LKAs wollen zwar erst im Frühjahr für die PKS Zahlen herausgeben, doch die Analyse der vorliegenden Daten lässt zwei grundsätzliche Trends erkennen: Sowohl die Taten durch Zuwanderer, vor allem aber die Verbrechen gegen Flüchtlinge und Asylunterkünfte werden weniger. Allerdings gibt es auch Bundesländer, in denen die Kriminalität von Flüchtlingen zugenommen hat.
Deutschland:
Zuwanderer (Asylbewerber und Flüchtlinge) im September 2017: rund 1,5 Millionen, Mitte 2016: 1,4 Millionen
- Taten von Zuwanderern:
Die Zahl der Straftaten durch Zuwanderer (ohne ausländerrechtliche Verstöße) ging im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zur zweiten Jahreshälfte 2016leicht zurück. Insgesamt waren Flüchtlinge und Asylbewerber bei 133.800 Verbrechen verdächtig. Im zweiten Halbjahr 2016 waren es noch 139.600 Fälle.
Vor gut zwei Jahren kamen so viele Flüchtlinge wie noch nie nach Europaund auch nach Deutschland. Dieser Zustrom brachte große Herausforderungen für Deutschland mit sich. Doch wie stellt sich die Lage gut zwei Jahre später dar? Wie viele Flüchtlinge sind ins Land gekommen, wie viele haben es wieder verlassen? Inwieweit hat sie die Unterbringungssituation normalisiert, und wie verläuft die Integration der Neuankömmlinge? FOCUS Online zieht in einer Serie Bilanz.
Die meisten Verbrechen, die von Zuwanderern begangen wurden, sind sogenannte „Vermögens- und Fälschungsdelikte“. (30 Prozent) In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Schwarzfahrten.24 Prozent sind „Rohheitsdelikte“ (also etwa Körperverletzung oder Raub), 1,5 Prozent der Verbrechen hatten einen sexuellen Hintergrund, bei 0,14 Prozent der Fälle waren es Taten gegen das Leben eines anderen Menschen. (Vergleichszahlen zum Vorjahreszeitraum gab das BKA nicht heraus.) Genauer analysiert hat das BKA die schwersten Verbrechen, also Taten gegen das Leben. In den ersten Monaten des Jahres gab es 27 vollende Morde mit einem Zuwanderer als Opfer oder Tatverdächtigen. Fünf der Opfer waren Deutsche, 20 Zuwanderer.
Syrer, Afghanen und Irakerstellen zwar einen Großteil der Flüchtlinge in Deutschland. Doch ihr Anteil an den Taten ist deutlich geringer als ihr Anteil an der Gruppe der Zuwanderer. Überproportional kriminell werden vor allem Nordafrikaner, Somalier, Gambier, Nigerianerund Georgier.
Statistik
Die Zahl der in Deutschland lebenden Zuwanderern (dazu zählen u.a. anerkannte Asylsuchende und Flüchtlinge, Asylbewerber oder Geduldete) schwankte in den vergangenen Jahren stark. Um die Zahl der Straftaten dieser Bevölkerungsgruppe zu vergleichen, ist es deshalb wichtig, auch die Gesamtgruppe zu betrachten. Denn einfach gesagt: Eine größere Menge an Menschen, egal welcher Herkunft, begeht tendenziell auch mehr Verbrechen. Deshalb gibt FOCUS Online auch die Zahl der zu den Stichtagen Ende 2016 und Mitte 2017 in dem jeweiligen Bundesland lebenden Zuwanderer an. Zudem weisen die Experten immer daraufhin, dass sich unter den Zuwanderern überproportional viele junge männliche Personen befinden. Diese Personen begehen statistisch gesehen mehr Straftaten, unabhängig von ihrer Herkunft. Auch handelt es sich den Daten um Taten, die 2017 erfasst wurden. Sprich: Es kann sein, dass Taten bereits in 2016 begangen, aber erst 2017 erfasst wurden, was bei der Betrachtung des Vergleichs immer zu beachten ist. Auch handelt es sich bei den meisten betrachteten Fällen um Tatverdächtige. Ob sie die ihnen vorgeworfenen Taten wirklich begangen haben, ergibt sich stets erst in den weiteren Ermittlungen. Auch weisen Kriminalitätsexperten daraufhin, dass die Anzeigebereitschaft in der Bevölkerung gestiegen ist, gerade bei Gewalt- und Sexualdelikten. Das hat natürlich Einfluss auf die erfassten Tatverdächtigen.
- Angriffe gegen Flüchtlinge und Unterkünfte:
Zuwanderer selbst waren im ersten Halbjahr 2017 in 46.100 Fällen Opfer einer Straftat. Im gesamten Jahr 2016 wurden 43.825 Zuwanderer angegriffen. (Anmerkung: Ein Vergleich dieser beider Zahlen ist nur sehr bedingt möglich, da es sich um Zahlen mit einer unterschiedlichen Datenbasis bzw. Zählweise handelt)
Die Zahl der rechtsextremen Taten gegen Asylunterkünfte ist stark rückläufig: 153 Angriffe gab es auf Asylunterkünfte und die darin wohnenden Menschen, 27 davon waren Gewaltdelikte. Im ersten Halbjahr 2016 waren es insgesamt noch 708.
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