Jobanzeige verrät: WSJ-Korrespondenten sollen Russland als «nationalistische Theokratie» verkaufen

Wer Chef des Wall-Street-Journal-Büros in Moskau sein will, muss Russland als ideologischen Feind des Westens betrachten. Das geht aus einer Stellenanzeige hervor. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann den Job auch jemand haben, der kein Russisch spricht.

Es ist schon lange ein offenes Geheimnis in Moskau, dass Korrespondentenpositionen in westlichen Zeitungen nur Journalisten zur Verfügung stehen, die bereit sind, konsequent eine stark antirussische Linie zu verfolgen. Eine aktuelle Stellenanzeige des Wall Street Journal bestätigt dieses Verständnis nun in einer für jedermann transparenten Weise.

Die vom Medienmagnaten Rupert Murdoch herausgegebene Wirtschaftszeitung sucht einen neuen Bürochef mit Sitz in der russischen Hauptstadt und der gewünschte Kandidat muss strengen ideologischen Kriterien genügen. Russische Sprachkenntnisse sind zwar — wie es nach den Gesetzen der Logik auch nachvollziehbar erscheint — ein «eindeutiger Vorteil», lassen sich aber offenbar durch eine umso konsequentere «Haltung» ersetzen, wenn ein Reporter mit der Agenda des Outlets vertraut ist. Dazu gehören die Erkenntnis, dass Wladimir Putin ein «Leuchtturm für rechtsgerichtete Politiker in ganz Europa und sogar in den USA» ist, und die Auffassung, dass der russische Präsident ein «Verfechter der so genannten illiberalen Demokratie» ist.

 

«Leuchtturm der Rechten» als beliebtes Einwanderungsziel

Nun mögen zwar tatsächlich einige westliche Rechtsextremisten Putin bewundern, dennoch hat die Behauptung, Putin sei ein «Leuchtturm der Rechten», mit der russischen Realität schlichtweg nichts zu tun. Vor allem für russische Verhältnisse scheint er recht liberal zu sein: In den 18 Jahren, da Putin mittlerweile in Russland an der Spitze der Macht steht, hat er auf innenpolitischer Ebene niemals die Einwanderung angeprangert oder ethnische Gruppen herausgegriffen. Im Gegenteil: Russland gilt — bei hohen Einwanderungszahlen in den letzten 20 Jahren — mit seinen geschätzten zehn Millionen ausländischen Bürgern hinter den USA als das zweitgrößte Migrationsziel der Welt. Nur Deutschland hat Russland diesen Titel kurzzeitig infolge der Migrationskrise streitig gemacht, legt man die jährliche Anzahl der Eingewanderten zugrunde.

Auch in Bezug auf viele Bereiche wie beispielsweise Wirtschaft, Medien oder Rechtswesen verfolgt Putin trotz seines Ausgleichs mit konservativen und national-patriotischen Kreisen eine eher liberale Agenda.

Aber damit nicht genug: Das Weltbild des gesuchten WSJ-Büroleiters wird noch um weitere wichtigen Details ergänzt.

Er muss er in seiner Funktion unter anderem darstellen, wie Putins «traditioneller Konservatismus von Blut und Religion inmitten wirtschaftlicher Unsicherheit mitschwingt». So wird mit einem Federstrich aus dem Staatsoberhaupt eines multikonfessionellen und weitgehend säkularen Landes beinahe der Anführer einer radikalen Theokratie. Dass dieses Land beispielweise noch nie in einen von religiösem Eifer oder konfessionellen Differenzen getriebenen Konflikt verwickelt wurde, hält die Inserenten von dieser Wahnvorstellung nicht ab.

Ferner muss der Moskaer WSJ-Bürochef davon ausgehen, dass «Moskau im Konflikt zu den USA und einem großen Teil des Westens» steht. Als eine der Aufgaben in seiner Berichterstattung muss er neben der Erforschung von Putins eigenem Einflusses auf die Innenpolitik seines Landes auch «in Russlands Hacking-Komplex» eindringen.

Westlich-liberales Glaubensdogma «russische Einmischung»

Apropos Hacking: Die Behauptungen einer Reihe US-amerikanischer Spitzenbeamter, Moskau habe mit einer Kampagne des Hackens und der Desinformation versucht, die US-Präsidentschaftswahlen des Jahres 2016 zu beeinflussen, betrachtet der Arbeitgeber des künftigen WSJ-Büroleiters als erwiesene Tatsache. Dass sehr viele politische Experten, sowohl im In- als auch im Ausland, nicht nur an der Richtigkeit dieser Behauptungen zweifeln, sondern auch an der Fähigkeit Russlands, einen großen internen Einfluss auf führende Akteure im weltweiten Informationsraum wie die Vereinigten Staaten auszuüben, ficht das WSJ nicht an.

Brauchen diese durchideologisierten Vorgaben zur Berichterstattung noch einen Realitätscheck? Die Erfahrung zeigt, dass dies wenig bringt. Die Anzeige des US-amerikanischen Magazins macht nur das deutlich, was kritischen Beobachtern zufolge ohnehin schon seit Jahrzehnten zur Faustregel des westlichen Journalismus geworden ist: Es muss vor allem der so genannte Narrativ stimmen, alles andere wird passend gemacht. WSJ war nun mal nur ehrlich.

Es ist deshalb kein Wunder mehr, dass den Informationsmainstream — auch im deutschsprachigen Raum — in erkennbarer Weise immer mehr die enthusiastischen Grünschnäbel vom Schlage eines Boris Reitschuster oder Julian Röpcke füllen. In Ermangelung gut ausgebildeter Journalisten kommen immer mehr verschiedene Absolventen freier Künste infrage, die Moskau als Hintertür für die Entwicklung einer Karriere in angesehenen westlichen Nachrichtenformaten nutzen wollen.

Tendenzjournalismus als Klassenauftrag

Dieser Ehrgeiz, zusammen mit einer geringeren Arbeitsplatzsicherheit und Bienenstockmentalität in der Peergroup, ermutigt sie dazu, das zu liefern, was der ungünstigen Sichtweise Russlands entspricht. Denn diese ist bei den Redakteuren in den westlichen Medien und im westlichen Establishment, wie nun mal bewiesen ist, eine Grundvoraussetzung. Der Kreis schließt sich. Das Resultat kennen die Medienkonsumenten im Westen zur Genüge: Eine extreme anti-russische Voreingenommenheit, die an Hetz-Propaganda grenzt.

Würde RT Deutsch mit gleicher Mütze an seine Opponenten zurückzahlen wollen — zumal Ähnliches auch hier mittels Propaganda-Keule oder beispielweise absurden Behauptungen wie RT sei ein «Sprachrohr der rechten Szene» ständig suggeriert wird -, dann müsste unsere Redaktion laufend rechtsextreme US-Hasser mit einer Vorliebe zu Fake-News und Trolling suchen. Doch der Blick in das Profil eines Online-Redakteurs bei unserem aktuellen Job-Inserat zeigt ein anderes Bild:

Ihr Profil:

  • Sie zeichnen sich durch einen eloquenten Schreibstil inkl. Know-how für die Formulierung von Online-Artikeln aus und sind mit sozialen Netzwerken vertraut
  • Sie haben ein ausgeprägtes Gespür für interessante Themen und Erfahrungen in der journalistischen Praxis
  • Sie sind jemand, der gerne Dinge in Frage stellt und haben Ihren eigenen Kopf
  • Sie sind sehr gut vertraut mit bundespolitischen Themen und haben einen guten Überblick über Zusammenhänge der internationalen Politik
  • Ihre Deutschkenntnisse sind exzellent

Quelle: RT

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