Ein Kommentar von Ernst Wolff.
An diesem Wochenende treffen sich die Delegierten der SPD in Bonn zu einem außerordentlichen Parteitag, um über eine mögliche Neuauflage der Großen Koalition mit CDU und CSU abzustimmen. Die Mainstream-Medien haben in allen Einzelheiten über die Vorbereitungen berichtet und den 21. Januar zu einem Schicksalstag erklärt, an dem die Zukunft der deutschen Sozialdemokratie entschieden wird.
Tatsächlich aber ist das Schicksal der SPD längst entschieden: Im Alter von fast 143 Jahren siecht die Partei vor sich hin und taumelt langsam, aber sicher ihrem Ende entgegen. Zahlreiche Mitglieder haben das bereits erkannt und ihr den Rücken gekehrt. Andere, darunter vor allem unerfahrene jüngere Mitglieder, sehen zwar die Symptome des Zerfalls, lehnen sich aber dagegen auf und fordern eine „Erneuerung“.
Die aber ist in etwa so realistisch wie die Wiederbelebung eines Verstorbenen. Nicht etwa, weil es an politischem Willen fehlt, sondern aus einem ganz anderen Grund: Weil die Zeit der Sozialdemokratie seit 2008 historisch abgelaufen ist.
Der Grund: Seit Kriegsende hat die SPD in erster Linie von zwei Dingen gelebt – zum einen von der durch den Nachkriegsboom bedingten Entstehung des Sozialstaates und zum anderen von der Hoffnung, die Sozialdemokraten könnten die Interessen der arbeitenden Bevölkerung (vor allem wegen ihrer Nähe zur Gewerkschaftsbewegung) besser durchsetzen als andere Parteien.
Diese Hoffnung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten jedoch immer deutlicher zerschlagen. Die tatsächliche Rolle der von Postenjägern und Karrieristen geführten SPD bestand nämlich darin, die Herrschaft der wahren Macht im Staat — der Finanzelite – zu stützen und den Widerstand dagegen aufzufangen, zu kanalisieren und so unschädlich zu machen. Im Gegenzug dafür gab es für ihre Wähler hin und wieder das eine oder andere Zugeständnis — möglich gemacht durch den Sozialstaat.
Doch die nach der Ära Brandt einsetzende Deregulierung verhalf der Finanzelite zu solcher Macht, dass sie zu immer weniger Zugeständnissen bereit war. Für die SPD wurde es deshalb immer schwerer, sich als Interessensvertreterin des kleinen Mannes auszugeben. Unter Helmut Schmidt begannen erste schärfere Angriffe auf den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung, unter Gerhard Schröder wurden sie mit der Agenda 2010 zum Programm erhoben.
Die Folge: Viele Mitglieder wandten sich enttäuscht ab, die Anhängerschaft schmolz nach und nach dahin. Als es dann 2007/2008 zur schwersten Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg kam, half die SPD mit, die größte Vermögensumverteilung in der Geschichte der Menschheit zu organisieren und internationale Großbanken für „too big to fail“ zu erklären — und schaufelte sich damit ihr eigenes Grab.
Die Finanzelite bedankte sich bei ihr nämlich nicht etwa durch neue Zugeständnisse, sondern nutzte die gewonnene Allmacht, um nach der Krise auch noch die Politik der „Austerität“ zu erzwingen. Nicht die wohlhabenden Verursacher der Krise sollten zum Stopfen der entstandenen Löcher in den Staatshaushalten herangezogen werden, sondern die arbeitende Bevölkerung.
Damit war das Ende der Sozialdemokratie besiegelt. Wo es für Zugeständnisse keinen Spielraum mehr gibt, gibt es auf Dauer auch kein Betätigungsfeld mehr für Politiker, die von sozialen Versprechungen leben.
Am deutlichsten sind die Folgen dieser Entwicklung in einigen südeuropäischen Ländern und in Frankreich zu sehen, wo die Sozialdemokratie bis auf kleine Restbestände bereits Geschichte ist. Bei uns hat sie sich auf Grund ihrer Taktik, sich in Notzeiten als „kleineres Übel“ zu verkaufen, bisher noch knapp über Wasser halten können.
Quelle: KenFM