Tür ins Kanzleramt für Angela Merkel einen Spalt breit offen

In dieser Woche, vier Monate nach der Bundestagswahl, beginnen in Deutschland offiziell Gespräche über die Regierungsbildung. Dieser Beschluss wurde beim SPD-Sonderparteitag getroffen, schreibt die Zeitung „Kommersant“ am Dienstag.

Am Montagabend fand in Berlin ein weiteres Treffen zwischen der CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel mit dem CSU-Chef Horst Seehofer und dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz statt. Die Politiker konnten beruhigt aufatmen. Am Tag zuvor hatte der SPD-Parteitag bei einer Abstimmung den Übergang von Sondierungsgesprächen zu offiziellen Verhandlungen über den Abschluss eines Koalitionsvertrags gebilligt.

„Der Weg ist frei für Koalitionsverhandlungen“, sagte Merkel.

Schon heute wollen die Politiker die Positionen innerhalb ihrer Parteien ein letztes Mal abstimmen. Am Mittwoch nehmen in Berlin die überparteilichen Arbeitsgruppen ihre Arbeit auf.

Die Reihe dieser Treffen in verschiedenen Formaten könnte bereits zum 7. Februar mit der Unterzeichnung eines 28 Seiten umfassenden Koalitionsvertrags abgeschlossen werden. In diesem Fall bleibt Merkel für die vierte Amtszeit Bundeskanzlerin. Martin Schulz wird wohl den Posten des Vizekanzlers bekommen. Horst Seehofer wird wohl auch einen Posten in der Bundesregierung bekommen.

Allerdings kann sich bislang keiner dieser Politiker in der Gewissheit wiegen, dass es auch dazu kommt. Die Medien erinnern ständig daran, dass derzeit keine Entwicklung ausgeschlossen werden könne, darunter das Scheitern der neuen Verhandlungen und Neuwahlen.

Eine Zwischenhürde war die Abstimmung beim SPD-Parteitag am Sonntag. Doch seine Unterstützung kann nicht als eindeutig bezeichnet werden. Von den 642 Delegierten votierten 362 mit Ja. Jene, die dagegen waren, erklärten ihre Position damit, dass sie mit den Zugeständnissen seitens der SPD-Führung unzufrieden seien, zu denen jene bereit sei, um an der Macht zu bleiben, und den Absturz der Umfragewerte befürchten würden. Als kleinerer Koalitionspartner in der vorherigen Regierung sanken die Umfragewerte der SPD bei den Wahlen auf einen Negativrekord von 20,5 Prozent. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA sanken diese Werte im Januar auf 18,5 Prozent. Die Anführerin der Linken-Parlamentsfraktion, Sarah Wagenknecht, äußerte sich zum Votum des SPD-Sonderparteitags noch härter:

„Viel freundlicher als ‚politischer Selbstmord‘ kann man das eigentlich nicht mehr beschreiben.“

Unter diesen Bedingungen ist auch das Scheitern der Verhandlungen nicht ausgeschlossen. Dazu kann es kommen, falls die Konservativen keine Zugeständnisse bei den Reformen des Arbeitsgesetzes, des medizinischen Versorgungssystems und der Migrationspolitik machen, auf denen die Sozialdemokraten beharren. So ist die SPD für die Lockerung des aktuellen Verbots für syrische Flüchtlinge mit einem zeitweiligen Asyl in Deutschland, Verwandte zu sich einzuladen. Zudem könnte der Koalitionsvertrag auch durch einfache SPD-Mitglieder blockiert werden. Für seine Annahme ist die Billigung durch die Mehrheit von insgesamt mehr als 430.000 Parteimitgliedern notwendig. Angesichts der Tatsache, dass die künftige Koalition bei dem SPD-Parteitag von nur 56 Prozent unterstützt wurde, könnten die Parteimitglieder im Ergebnis die Verhandlungen untergraben und Merkel zur Leitung einer Minderheitsregierung bzw. zum Rücktritt als Kanzlerin zwingen.

Übersetzung: Sputnik