Das Kalifat des IS ist zusammengebrochen, die Terroristen haben tausende Tote und Invalide zu beklagen. Diese Situation zieht Veränderungen in der PR nach sich. Künftig sollen Frauen und Versehrte eine größere Rolle im Dschihad spielen.
Der jüngste Besuch des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew bei US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus scheint besonders die radikalen islamischen Terroristen aus dem zentralasiatischen Staat in Wallung versetzt zu haben. Dies berichtet die US-Nachrichtenplattform PJ Media.
In einem Video des «Islamischen Staates», das im syrisch-irakischen Grenzgebiet der Provinz Deir ez-Zor angefertigt worden sein soll, rief ein blinder Dschihadist zu neuen Terroranschlägen auf und wandte sich unter Verweis auf den Staatsbesuch vor allem an seine kasachischen Gesinnungsgenossen.
Das Video zeigt auch einige seiner islamistischen Mitstreiter, die Nasarbajews Regierung als «illegitim» bezeichnen und IS-Anhänger dazu auffordern, den seit Anfang Januar in Kraft befindlichen Vorsitz Kasachstans im UN-Sicherheitsrat zum Anlass für Angriffe gegen Ziele in der früheren Sowjetrepublik zu nehmen.
Kasachstan gilt nach den Zahlen des Globalen Terrorismus-Index als Land mit geringer Belastung durch Terrorismus, unterstützt seit den Terroranschlägen vom 11. September aber aktiv die Bemühungen der USA im Krieg gegen den Terror. Trump bedankte sich bei Nasarbajew aber für dessen «volle Unterstützung für unsere Südasien-Strategie, darunter unsere Bemühungen in Afghanistan».
Trump äußerte anlässlich seines Treffens mit Nasarbajew:
Ich empfinde großen Dank angesichts der Zusicherungen, die mir der Präsident persönlich gegeben hat, dass Kasachstan uns weiterhin entscheidende logistische Unterstützung geben und unseren Truppen, die gegen den IS und die Taliban kämpfen und die große Fortschritte gemacht haben, Zugang gewähren wird.
«Fehlendes Bein ist keine Entschuldigung»
Angesichts der massiven Gebietsverluste und der immer höheren Zahl an Toten und Verwundeten, die der IS im Irak und in Syrien zu beklagen hat, scheint der Einsatz kriegsversehrter und körperlich behinderter Einpeitscher eine neue PR-Strategie der Terrororganisation zum Ausdruck zu bringen.
Bereits im Dezember rief Abu Salih Al-Amriki, ein IS-Kämpfer mit US-amerikanischem Akzent, der auf Krücken ging und offenbar bei Kampfhandlungen ein Bein eingebüßt hatte, Unterstützer inklusive behinderter in westlichen Ländern dazu auf, Anschläge mit Messern und Schusswaffen zu begehen. Zu diesem Zweck sollen die IS-Anhänger die einfacheren Möglichkeiten in den USA nutzen, legal Waffen zu erwerben.
Al-Amriki erklärte in seiner Botschaft, auch Kämpfer «mit einem Bein oder ohne Beine» könnten «keine Entschuldigung» dafür geltend machen, den Ungläubigen keine Schläge zu versetzen:
Alle Brüder, egal ob mit oder ohne Beine: Ich fordere euch zu einem Rennen heraus hin zu den Toren des Paradieses!
Dschihad als emanzipatorisches Projekt
Neben den Versehrten wird der IS nach dem Zusammenbruch seines «Kalifats» künftig auch verstärkt auf Frauen setzen. Dies geht aus einem Bericht des niederländischen Geheimdienstes AIVD hervor, der als besonders bedeutsame Risiken in diesem Zusammenhang im eigenen Land geborene und radikalisierte Frauen, aber auch jene nennt, die mit Erfahrungen aus dem Irak oder Syrien nach Europa zurückkehren.
In dem Bericht heißt es:
In vielen Fällen sind dschihadistische Frauen mindestens in gleichem Ausmaß dem ‘Heiligen Krieg’ verschrieben wie Männer. Sie stellen eine Gefahr für die Niederlande dar, indem sie andere rekrutieren, Propaganda produzieren und verbreiten und Geldmittel akquirieren. Darüber hinaus indoktrinieren sie ihre Kinder mit dschihadistischer Ideologie. Frauen bilden einen essenziellen Teil der dschihadistischen Bewegung, sowohl in den Niederlanden als auch in den Konfliktgebieten Syriens und des Irak.
Mehr als die Hälfte der in den Niederlanden als Dschihadisten identifizierten Frauen war zwischen 16 und 25 Jahre alt, Beobachtungen aus anderen Ländern weisen in eine ähnliche Richtung.
Erfahrungen in Syrien schrecken Heimkehrerinnen kaum ab
Entgegen dem Klischee vom vermeintlich «patriarchalischen» Charakter des radikalen Islam begreifen extremistische Vereinigungen von der Hamas über den «Islamischen Dschihad», das «Kaukasus-Emirat» bis zum IS den so genannten Widerstandskampf als «emanzipatorischen» Akt — dazu kommen pragmatische Überlegungen angesichts der Ausdünnung der Reihen unter männlichen Kämpfern. Im niederländischen Geheimdienstbericht heißt es, dass, während Al-Kaida Frauen immer noch eher eine unterstützende Rolle im Dschihad zumesse, sich der IS für «aktivere und gewalttätigere Rollen» für Frauen geöffnet habe
[…] als pragmatische und opportunistische Organisation, die nach neuen Möglichkeiten sucht, insbesondere in Anbetracht der rückläufigen Zahl an männlichen Kämpfern.
Auch die Tatsache, dass bei vielen Frauen, die aus Syrien zurückgekehrt sind, Desillusionierung vorhanden ist, ändert nichts daran, dass einige von ihnen nach wie vor ein erhebliches Gefährdungspotenzial hinsichtlich selbst begangener Anschläge, aber auch der Werbung und Verbreitung von Propaganda darstellen.
So meint der AIVD:
Die Tatsache, dass sie enttäuscht zurückkehren, bedeutet nicht, dass sie ihre dschihadistischen Ideen abgelegt haben. In den Niederlanden haben einige von ihnen ihre alten Funktionen wieder eingenommen oder sogar einen noch prominenteren Status in den sozialen Medien erlangt.
Frauen, die aus Syrien zurückkehren, hätten dort oft etwa drei Jahre oder mehr verbracht. Sie wären
dschihadistischer Ideologie und Gewalt über einen längeren Zeitraum ausgesetzt gewesen und haben ein internationales dschihadistisches Netzwerk gebildet.
Weiter steht dort:
Nach ihrer Rückkehr […] wird ein beachtlicher Teil von ihnen ihre dschihadistischen Ideen und Verbindungen wiedererlangen, in geringerem oder größerem Ausmaß.