Syrien: Türkei will Gebiete annektieren

Teile Nordsyriens stehen faktisch schon unter türkischer Kontrolle und werden sukzessive annektiert. Auf sie wird ein historischer Anspruch erhoben.

Von Marco Maier auf Contra Magazin

In der Weltpolitik gilt grundsätzlich das Recht des Stärkeren. Diplomatie ist eine Randerscheinung, die eigentlich nur Schlimmeres – also ausgewachsene Kriege – verhindern oder einfach nur eindämmen sollen. Die Türkei agiert in der eigenen Nachbarschaft eben auch nach diesem Motto.

Als die türkischen Truppen letztes Jahr in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak ihre Stellungen hielten und sich Bagdad massivst beschwerte, hatte dies faktisch keine Auswirkungen. Warum? Die Position des Iraks ist schwächer als jene der Türkei, die in der Region eine Schlüsselrolle spielt. Zudem besitzen die Türken historische Ansprüche auf die Region, die aus der Zeit des Osmanischen Reichs resultieren.

Ein ähnliches Spiel läuft derzeit in Nordsyrien. Türkische Truppen marschieren durch die Regionen von Afrin und Sheba, direkt jenseits der geltenden Staatsgrenze zwischen beiden Ländern. Offiziell wird immer mit dem Anti-Terror-Kampf argumentiert, zumal die dort agierenden Kurdenmilizen eng mit der türkisch-kurdischen Terrororganisation PKK verbunden sind. Doch auch dort gibt es historische Gebietsansprüche.

Der türkische Innenminister, Süleyman Soylu, sagte auf einem Parteikongress der regierenden AKP: «Wir sind eine große Nation des Friedens, den wir in Cerablus, Mare, Azaz, al-Bab und entlang einer Grenze von 2.000 Kilometern geschaffen haben. Ich sage das als Innenminister. Wir haben unsere Landräte, Polizeidirektoren und Gendarmeriekommandanten in Azaz, Cerablus und Mare.» Doch diese Städte liegen jenseits der türkischen Grenzen in Syrien. Das heißt: Man baut jetzt schon zivile türkische Verwaltungsstrukturen auf, um so Fakten zu schaffen.

Konsequenzen auf internationaler Ebene wird die Türkei dafür nicht zu erwarten haben. Der syrische Präsident wird von der westlichen Politik ja ohnehin gehasst (und das noch mehr als Recep Tayyip Erdogan, der immer wieder attackiert wird) und je schwächer die syrische Zentralregierung ist, desto leichter haben es deren Feinde. Da sieht man dann eben auch gerne einmal über Grenzverschiebungen hinweg – auch wenn sie faktisch mit militärischer Gewalt durchgesetzt werden.