Donezbecken: Der Krieg steht plötzlich still

In der ostukrainischen Donbass-Region ist etwas Ungewöhnliches passiert: Am Sonntag wurde an der Trennungslinie kein einziger Schuss registriert, schreibt die Zeitung „Moskowski Komsomolez“ am Mittwoch.

Das Pressezentrum der ukrainischen „Anti-Terror-Operation“ bestätigte diese Information und beteuerte, Kiew halte die Minsker Vereinbarungen strikt ein.

Der Vize-Befehlshaber der selbsternannten „Volksrepublik“ Donezk, Eduard Bassurin, sagte seinerseits, der überraschende Waffenstillstand lasse sich darauf zurückführen, dass eine Sonderkommission aus Kiew in den Osten des Landes gekommen sei, die sich mit der Ermittlung von „umfassenden Entwendungen“ in der 30. mechanisierten Brigade der ukrainischen Streitkräfte befasse.

Aber egal was die Gründe für die Waffenruhe sein sollten, ist das ein großer Durchbruch. Denn die inzwischen übliche Situation sieht ganz anders aus. So wurde sie beispielsweise unlängst in einem Bericht der OSZE-Beobachter geschildert: „Die Kamera der Gemischten Beobachtungsmission an der Donezker Wasserreinigungsstation (15 Kilometer nördlich von Donezk) registrierte 33 Explosionen unklarer Herkunft, 158 Geschosse (98 aus dem Westen in den Osten, 59 aus dem Osten in den Westen und eine aus dem Nordwesten in den Südosten) sowie elf Leuchtspurgeschosse (alle aus dem Westen in den Osten).“

„Aus dem Westen in den Osten“ bedeutet von der Seite der ukrainischen Streitkräfte, „aus dem Osten in den Westen“ – umgekehrt. „Da ist niemand ein Engel“, sagte dazu der Vizeleiter der OSZE-Mission, Alexander Hug.

Die Menschen auf beiden Seiten der Trennungslinien achten besonders aufmerksam auf jede Anspannung oder Beruhigung der Situation. Nach dem Rückzug der russischen Offiziere aus dem Gemeinsamen Koordinierungszentrum für Waffenstillstandskontrolle Ende des vergangenen Jahres hatten viele eine heiße Kriegsphase gefürchtet, aber diese ist zum Glück nicht gekommen.

Vorerst gibt es vor allem humanitäre Probleme: In Donezk gibt es beispielsweise seit dem 11. Januar keine ukrainische Mobilfunkverbindung. Die OSZE-Mission ist nicht imstande, die Sicherheit der Reparaturbrigaden der Mobilfunkanbieter an der Frontlinie zu gewähren.

Dieses Problem stand unter anderem auf der Tagesordnung der jüngsten Verhandlungen der Ukraine-Beauftragten Russlands und der USA, Wladislaw Surkow und Kurt Volker. Es soll auch bei den Verhandlungen in Minsk erörtert werden.

Und was die einfachen Menschen angeht, so suchen sie nach Möglichkeiten, mit ihren in Donezk verbliebenen Verwandten Kontakt aufzunehmen. In Donezk gibt es immer noch kein Roaming von russischen Mobilfunkanbietern, und der Donezker Anbieter „Fenix“ ist nicht imstande, so viele neue Kunden auf einmal zu bedienen.

In der Stadt gibt es nur wenige Orte, wo die Verbindung der ukrainischen Anbieter empfangen werden kann, beispielsweise eine Eisenbahnbrücke im Petrowski-Bezirk. Dort wimmelt es jetzt permanent von Menschen: Sie kommen dorthin, um mit ihren Verwandten auf dem von Kiew kontrollierten Territorium zu telefonieren, sich auf WhatsApp, Viber usw. anzumelden oder SMS von ihren Banken zu erhalten.

Ein Korrespondent von „Moskowski Komsomolez“ hat mit einem Priester gesprochen, der von der aktuellen Situation erzählte. „Das Leben geht weiter: Sonntags kommen immer sehr viele Menschen in unsere Kirche. Alle sprechen vom Krieg und dem fehlenden Mobilfunknetz. Die Menschen helfen sich möglichst gegenseitig. Unlängst kam eine ältere Frau zu mir, damit ich sie für eine Reise auf die andere Seite der Trennungslinie segne, wo sie ihre Rente bekommen könnte. Heutzutage ist eine solche Reise (…) eine große Prüfung. Unser ganzes Leben ist jetzt eine Prüfung.“

Quelle: Sputnik