Das «geheime Geheim-Papier»: FISA-Memo wird zum Offenbarungseid für deutsche Leitmedien

In den großen deutschen Medien spielte das «FISA-Memo» lange keine Rolle. Als dessen Existenz sich nicht mehr verschweigen ließ, wussten sie jedoch schon im Voraus, dass sein Inhalt nicht glaubwürdig wäre. Dabei ist der noch nicht einmal veröffentlicht.

Nachrichten aus dem Herzen der USA werden in den großen deutschen Medien zum Teil mit erstaunlichem Engagement verbreitet: die stündlichen Pegelstände angesichts eines aktuellen Hurrikans, naive Reden von Hollywood-Sternchen auf Frauenrechtsdemos und gerne auch noch die fragwürdigsten Details zur so genannten Russiagate-Kampagne, die gerne auch mal ungeprüft von der Washington Post übernommen werden.

Da ist es durchaus bemerkenswert, dass die Zuschauer von ARD und ZDF erstmals am Donnerstag von einem seit Wochen die US-Medien dominierenden Vorgang erfahren durften: von der hitzigen Debatte um das «FISA-Memo» genannte Papier, das unter anderem die mutmaßliche Instrumentalisierung des FBI durch Teile der Obama-Regierung thematisiert. Verfasst hatte es der republikanische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, Devin Nunes. Um eine mögliche Veröffentlichung des Dokuments ist in den USA längst eine aufgeregte Diskussion im Gange.

Drei Jahre nach Haarproben-Skandal: FBI für deutsche Medien über jeden Zweifel erhaben

Nun, da diese Debatte auch in Deutschland beim besten Willen nicht mehr zu verschweigen ist, vermeldete die ARD endlich den Vorgang — und bezeichnet das Memo fälschlicherweise als «neuen Geheimbericht», vielleicht, um die eigene verzögerte Reaktion zu rechtfertigen. Das FBI sei «aufgeschreckt», fährt die ARD fort. Der Sender meint damit aber nicht die Angst der beschuldigten Special Agents vor Enthüllungen, sondern erhebt das FBI in dem Bericht in den Stand eines «neutralen» Anwalts, der die «Qualität» des ihn selber kritisierenden Memos beanstanden darf und offensichtlich die Sympathien der ARD-Redakteure genießt.

Der öffentlich-rechtliche Sender steht mit dieser zweifelhaften Leistung aber immer noch besser da als viele andere deutsche Medien, die sich immer noch in völliges Schweigen hüllen. Inzwischen lassen sich aber doch vereinzelte Artikel in deutscher Sprache zum Thema finden — etwa im Spiegel und in der Welt. Inhaltlich hauen diese in ähnliche Kerben wie die ARD: Das «seriöse» FBI wehrt sich demnach gegen eine «Kampagne». Mit der von Präsident Donald Trump geplanten Veröffentlichung des Memos würde dieser seinen eigenen FBI-Chef düpieren, der gegen die Veröffentlichung gestimmt habe, «da das Papier aus seiner Sicht viele Fehler und Lücken enthält», so der Spiegel.

In der Folge legt das ehemalige Nachrichtenmagazin noch die letzte Distanz ab und macht sich die Sichtweise des FBI komplett zu eigen:

Das Dokument ist keine offizielle Behördenstellungnahme, sondern wurde von Kongressmitarbeitern der Republikaner erstellt. Es ist deshalb eher als Kampagneninstrument zu verstehen. Trump und seine Mitstreiter versuchen gezielt, die Glaubwürdigkeit der Ermittler um Robert Mueller zu untergraben.

Wenig überraschend ist auch die Position der Welt:

Ein obskures Memo wird zum zentralen Instrument einer Kampagne des Weißen Hauses und republikanischer Kreise gegen die Glaubwürdigkeit des FBI.

«Einordnung» statt ernsthafter Aufbereitung

Fast schon zum Schmunzeln regt an, wenn dann ausgerechnet der Spiegel von einer «regelrechten Schlammschlacht» spricht, mit der Trump versuche, nachzuweisen, «dass die Ermittlungen nichts weiter sind als eine Verschwörung hochrangiger Mitarbeiter der Justizbehörden und des FBI gegen den Präsidenten».

In Relation zu diesen Beiträgen liefert die FAZ noch den am ehesten eine gesunde Distanz wahrenden Bericht zum Thema, doch auch dieser Artikel hat eine klare Schlagseite pro FBI. Ansonsten herrscht zum Thema «FISA-Memo» noch immer weit verbreitetes Schweigen im deutschen Blätterwald.

Natürlich lässt sich der Inhalt des Memos zum gegebenen Zeitpunkt nicht beurteilen, zudem er der Öffentlichkeit noch gar nicht bekannt ist. Auch sollen die Republikaner nicht als Unschuldslämmer erscheinen, denen politische Intrigen fremd wären. Man könnte es sogar als Gebot der journalistischen Sorgfalt bezeichnen, vor einer Berichterstattung zunächst den Inhalt des FISA-Papiers abzuwarten.

Aber durch das (versuchte) Verschweigen des gesamten Vorgangs und dessen anschließende parteiliche Vorabwürdigung wird in diesem Fall doch ein wichtiges Prinzip der medialen Ausgewogenheit verletzt: Die großen deutschen Medien können nicht monatelang Vorwürfe der Demokraten ungeprüft in die Welt tragen und bei einem Papier der Republikaner plötzlich ihre journalistischen Standards auf die Goldwaage legen.

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