Was Merkel opfern muss – welchen Russland-Kurs schlägt das neue Deutschland ein?

Die Unionsparteien und die SPD haben sich nach Marathon-Verhandlungen endlich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, schreibt das Portal Gazeta.ru am Donnerstag.

Nach präzedenzlos langen Koalitionsgesprächen, die fast viereinhalb Monate dauerten, wurde die Große Koalition mit der SPD gebildet. Im Koalitionsvertrag sind sowohl die Verteilung der Ministerposten als auch die abgestimmten Positionen der beiden Koalitionspartner zu den wichtigsten Themen enthalten.

Der wichtigste außenpolitische Vektor im Osten wird, wie zu erwarten war, aufrechterhalten. Russland wird in dem Dokument im Zusammenhang mit Wirtschaftssanktionen und Wirtschaftspartnerschaft erwähnt. Die neue Bundesregierung will Kurs auf die Normalisierung der Beziehungen zu Russland nehmen. Mit Moskau soll in der Wirtschaft kooperiert werden; es sollen enge Kontakte zur Herbeiführung eines allgemeinen Friedens und zum gemeinsamen Reagieren auf globale Herausforderungen aufgenommen werden.

„Ziel unserer Politik gegenüber Russland bleibt eine Rückkehr zu auf gegenseitigem Vertrauen und friedlichem Interessenausgleich basierenden Beziehungen, die wieder eine enge Partnerschaft ermöglichen“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Zugleich wird betont, dass die Wiedervereinigung der Krim mit Russland und die Krise im Osten der Ukraine die europäische Friedensordnung verletzt haben. Dabei wurde vereinbart, dass die Wirtschaftssanktionen gegen Russland bei Erfüllung der Minsker Vereinbarungen aufgehoben werden können.

Laut dem Politologen Wladimir Bruter hat Russland genauso wenig mit der Erfüllung der Minsker Vereinbarungen zu tun wie Deutschland. Es sei unklar, wie Russland die Vereinbarungen erfüllen soll, wenn das Subjekt dieser Abkommen nicht Russland, sondern die Ukraine ist. Darüber hinaus spiele es keine Rolle, ob die Sanktionen aufgehoben werden oder nicht – die Beziehungen zum Westen werden sich jedenfalls nicht ändern, meint der Experte.

Im Koalitionsvertrag wird zudem erwähnt, dass Deutschland bereit ist, sich am Wiederaufbau des Donezbeckens zu beteiligen, die Verbindungen mit den USA zu festigen, und Initiativen im Bereich Rüstungskontrolle und Abrüstung vorzulegen, für die Aufrechterhaltung des Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans für den Iran einzutreten und Position gegen neue Vereinbarungen zum EU-Beitritt der Türkei zu beziehen.

Die Koalitionsparteien verteilten bereits die Ministerposten: Vizekanzler und Außenminister wird SPD-Chef Martin Schulz, Finanzminister wird sein Parteigenosse Olaf Scholz. Zudem werden die Sozialdemokraten die Posten des Justiz-, Arbeits-, Familien- und Umweltministers bekommen. Die CDU bekommt das Wirtschafts-, Energie-, Verteidigungs-, Bildungs- und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, die CSU erhält Ministerposten im Innenministerium, im Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Laut Experte Bruter lag die Wahl von Schulz zum Außenminister nahe. Er sei ein weniger professioneller Diplomat als Sigmar Gabriel. Schulz wolle die Politik nicht real beeinflussen, er wurde aufgestellt, damit er den Kontakt mit seinen Wählern beibehält.

Die Positionen der Bundeskanzlerin bleiben unverändert – sie sei gefestigt, solange sie die Bundesregierung leitet, so der Experte. „Ihr Vorteil besteht darin, dass alle wissen, was man wann von ihr erwarten kann, sie ist klar und stabil“, so Bruter.

Die Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten ist dem Experten zufolge nicht so bedeutend für die allgemeine Politik Deutschlands, sie würden das Treffen von Beschlüssen nicht beeinflussen können.

Quelle: Sputnik