Etz langt’s! Bürgerinitiative gegen US-Helikopter in Bayern

Lärm bis in die Nacht und Feinstaubbelastung durch US-Helikopter sorgen in Bayern seit Jahren für Proteste der Bevölkerung. Eine Bürgerinitiative will gegen den Nato-Hubschrauberbetrieb vorgehen. Während die Lokalpolitik sich der Kritik anschließt, scheinen der Landesregierung die Hände gebunden. Der US-Flugplatz unterliegt dem Nato-Truppenstatut.

Von Armin Siebert

In zwei Kleinstädten in Mittelfranken gehen die Menschen täglich mit Ohropax ins Bett. Auf einem Flugplatz der US-Army in der Nähe von Ansbach und Bad Windsheim üben gut einhundert Militärhubschrauber teilweise bis 2 Uhr nachts. Anwohner klagen über Höllenlärm und Feinstaubbelastung.

„Normaler Schlaf, ein normaler Rhythmus, um tagsüber in die Arbeit zu gehen, ist eigentlich nicht mehr möglich.“, erzählt Michael Beuckert von der Bürgerinitiative „Etz langt’s!“, die sich vor über zehn Jahren wegen der Probleme mit den US-Helikoptern gegründet hat.

Beuckert ist wegen der unzumutbaren Lärm- und Abgasbelastung umgezogen, wie er im Sputnik-Interview berichtet:

„Für mich war der Beweggrund, dass ich es einfach in Offersheim, einer kleinen Nachbargemeinde von Illesheim, nicht mehr ausgehalten habe, weil der Lärm gerade seit Verdoppelung der Helikopterflüge brutal ist. Es ist unmenschlich, dort zu wohnen.“

100 Dezibel bis 2 Uhr nachts

Im Ansbacher Ortsteil Katterbach und in der Gemeinde Illesheim bei Bad Windsheim liegen die europäischen Helikopterstützpunkte der US Army. Wochentags finden dort bis 24 Uhr und im Sommer sogar bis 2 Uhr nachts Flugübungen statt. Erstaunlich in einem Bundesland, in dem selbst in Biergärten nach 22 Uhr keine Musik mehr gespielt werden darf. Doch nicht nur das: Laut den Flugbestimmungen des Bundes dürfen die Kampfhubschrauber in Ansbach-Katterbach und Illesheim auf 3,04 Meter über Boden sinken. Diese extremen Tiefflüge bedeuteten sowohl eine erhöhte Lärm- als auch eine vervielfachte Feinstaubbelastung. Und der messbare Lärm ist dabei auch nur das eine, wie Beuckert erzählt:

„Es ist unglaublich laut. Und was man ganz schwer wiedergeben kann, ist der Infraschall, der richtig durch den Körper durchgeht. Man spürt diese Schalldruckwellen im Körper. Die Möbel fangen zu vibrieren an, das ganze Haus ist in Schwingung. Es ist die pure Hölle. Und der Hubschrauberlärm an sich ist unglaublich laut. Wir haben eine Frau hier in der Bürgerinitiative, die hat auf eigene Kosten mal Schallmessungen machen lassen, da waren enorme Werte dabei mit teilweise 100 Dezibel.“

Etz langt’s!

Seit fast 20 Jahren gibt es aus der Bevölkerung Kritik an den in Franken stationierten US-Helikoptern. Die Bürgerinitiative „Etz langt’s!“ setzt sich dagegen zur Wehr und fordert einen deutlich höheren Mindestabstand zu bewohntem Gebiet und eine Verkürzung der Flugzeiten der Militärhubschrauber.

Inzwischen haben sich in der Region weitere Bürgerinitiativen gegründet wie das Ansbacher Friedensbündnis oder die Initiative „Unerhört“ in Bad Windsheim, die sich gegen die US-Militärhubschrauber engagieren.

Gemeinsam haben sie durchgesetzt, dass das bayerische Innenministerium nun zumindest den Lärmpegel am Flugplatz untersucht hat. Laut dem Prüfbericht ist jedoch der Dauerschall durch die US-Kampfhubschrauber nicht hoch genug, um Lärmschutzbereiche einzurichten. Die Anwohner sind entsetzt. Das Problem ist, so Beuckert, dass das Ministerium die Messungen nur in unmittelbare Nähe des Flugplatzes, wo keiner wohnt, durchgeführt hat. Die Klagen der Bürger beziehen sich jedoch vor allem auf die Überflüge der US-Helikopter über die Wohngebiete. Beuckert erklärt:

„Ich kann als Anwohner bestätigen, die Helikopter halten den Mindestabstand nicht ein. Sie fliegen teilweise direkt über die Ortschaften, sie fliegen mal in 30, 40 Metern Höhe über das Haus. Das ist wirklich abartig.“

US-Standorte unterliegen dem Nato-Truppenstatut

Nun haben sich auch die Stadträte von Bad Windsheim und Ansbach in einer gemeinsamen Erklärung einstimmig gegen die Belastungen der Bevölkerung durch den Flugbetrieb der Kampfhubschrauber ausgesprochen. Vor allem die Stadt Ansbach, als Mittelfrankens einziges Heilbad, fürchtet eine Beeinträchtigung des Wirtschaftsfaktors Tourismus in der Region.

Allein in Bad Windsheim haben außerdem 2000 Bürger einen entsprechenden Aufruf unterzeichnet. Der Ball liegt nun bei Bund und Land, Beschränkungen der Überflugrechte, wie sie für den deutschen Flugverkehr vorgeschrieben sind, auch auf die US-Gäste anzuwenden. Das Problem ist, dass sich rechtlich keiner für die US-Standorte zuständig sieht, da diese dem Nato-Truppenstatut unterliegen. Auf US-Stützpunkten gilt kein deutsches Gesetz. Als die Partei Die Linke vor einigen Jahren eine Kleine Anfrage zu den Lärm-Grenzwerten auf den mittelfränkischen Heliports an die Bunderegierung stellte, hieß es vom Bundesverteidigungsministerium: „Der Militärflugplatz unterliegt keinen öffentlich-rechtlichen Betriebsbeschränkungen.“ Es gäbe lediglich eine „freiwillige Selbstbeschränkung“, die Deutschland mit den Amerikanern 1995 vereinbart hatte, damit zumindest nicht die ganze Nacht hindurch geflogen wird.

Doppelter Einsatz seit Nato-Aufmarsch an russischer Grenze

Seit der Aufstockung der Nato an der russischen Grenze im vergangenen Jahr wurden die Manöver auch in Mittelfranken noch einmal intensiviert. Entsprechend der Rotation der Nato-Truppen kommen nun alle neun Monate neue US-Brigaden auf den bayrischen Flugplatz, um im Helikopter für den Einsatz im Osten zu trainieren. Permanent sind gut 3000 Soldaten an den Standorten Katterbach und Illesheim stationiert.

Demo in Ansbach gegen die Aufrüstungen der dortigen US-Militärbasis
Demo in Ansbach gegen die Aufrüstungen der dortigen US-Militärbasis

Laut Beuckert hat sich die Anzahl der Helikopterflüge seither verdoppelt:

„Dort machen die Helikopterpiloten ihre Ausbildung, werden aber auch immer für Manöver an die russische Grenze verlegt und rotieren ständig. Und seitdem ist der Flugverkehr einfach unglaublich. Man merkt nicht nur, dass sich die Anzahl verdoppelt hat, sondern auch die Frequenz der Flüge hat unglaublich zugenommen.“

Neuer Ansatz: Feinstaub

Der neue Ansatz der Bürgerinitiative „Etz langt’s!“ ist es nun, auf Feinstaubbelastung zu klagen. Diese ist bei Militärhelikoptern wegen des verwendeten speziellen Treibstoffs besonders hoch. Da es von offizieller Seite bisher keine Messungen gab, haben die Aktivisten selbst ein Messgerät angeschafft und Feinstaubwerte ermittelt, die um mehr als das Zehnfache über dem zugelassen Grenzwert liegen. Laut Beuckert ist der Feinstaub für Menschen direkt und indirekt gefährlich:

„Es entstehen hier Feinstaubpartikel, die nicht nur lungengängig sind, sondern so fein, dass sie direkt zellgängig sind. Das ist nicht nur ein Problem beim Einatmen. Es ist hier im Prinzip davon auszugehen, dass die Äcker, Wiesen und landwirtschaftlichen Produkte großflächig verseucht sind.“

Die Bürgerinitiative will nun als nächsten Schritt gemeinsam mit den Städten Ansbach und Bad Windsheim Lärm- und Feinstaubmessungen durchführen, um sich dann erneut an die Landesregierung zu wenden. Die Stadträte der beiden Gemeinden haben gerade entsprechende Resolutionen verabschiedet.

Raus aus der Nato

Michael Beuckert geht noch einen Schritt weiter. Im Rahmen der Bürgerinitiative setzt er sich für seine Mitmenschen ein. Als Lokalpolitiker der Partei Die Linke stellt er die Stationierung von US-Truppen in Deutschland generell in Frage:

„Als Vertreter der Partei Die Linke setze ich mich für den Abzug der US-Amerikaner und für ein Raus aus der Nato ein. Das ist genau das Problem hier, dass die Truppen der US-Amerikaner eigentlich schalten und walten können, wie sie wollen, und dass denen kein Riegel vorgeschoben wird. Es gibt keine Grenzen, die sie beachten.“

Das komplette Interview mit Michael Beuckert zum Nachhören:

Quelle: Sputnik

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