Pogrome in Redaktionen: Wie Ukraine Journalisten mundtot macht

Bei einer Razzia in Kiew haben ukrainische Sicherheitsbehörden am Donnerstag die Büros der Medienholding „Vesti Ukraine“ gestürmt und blockiert, schreibt das Portal „Wsgljad.Ru“ am Freitag.

Nach der fluchtartigen Ausreise des Chefredakteurs des Nachrichtenportals „Strana.ua“, Igor Guschwa, nach dem Mord an Oles Busina und Pawel Scheremet, nach der Auswanderung von etlichen Journalisten und Redakteuren, die in Opposition zu den Regierenden in Kiew standen, erinnert die Situation in der Ukraine Experten zufolge immer mehr an die schrecklichen Beispiele von autoritären Regimes in der Welt.

Am Donnerstag gegen acht Uhr morgens wurde das Büro der Kiewer Medienholding „Vesti Ukraine“ von Polizisten, Sicherheitsdiensten und Vertretern der Anti-Korruptions-Behörde (Nationale Agentur für Korruptionsprävention) blockiert. Die Razzia erfolgte im Rahmen eines Strafverfahrens gegen den ehemaligen Minister für Steuern und Zoll, Alexander Klimenko, dem vorgeworfen wird, dem Staat einen Schaden in Höhe von etwa 3,5 Mrd. Dollar verursacht zu haben. Alle Räume wurden durchsucht, der Zugang zu den Büros wurde für alle Mitarbeiter der Medienholding gesperrt.

Wie die Chefredakteurin von „Vesti Ukraine“, Oxana Omeltschenko, berichtete, wurde an diesem Tag gerade der zweite Teil einer Recherche über die Anti-Korruptions-Agentur und ihre „Freunde“ vorbereitet.

„Wir wenden uns an die Journalistenkollegen und die gesamte Mediengemeinschaft sowie an Menschenrechtler mit der Bitte um maximale Öffentlichkeit bei der Beleuchtung dieses präzedenzlosen Gewaltaktes gegen die Meinungsfreiheit in der Ukraine“, so Omeltschenko.

Ein weiteres wichtiges Detail dieses Zwischenfalls ist die Tatsache, dass der bekannte ukrainische Journalist und heutige Leiter des oppositionellen Portals „Strana.ua“, Igor Guschwa, bis zum Sommer 2015 der Chefredakteur der Holding war.

Guschwa, gegen den im vergangenen Jahr fünf Strafverfahren eingeleitet wurden, flüchtete nach Österreich, wo er um politisches Asyl bat. Bislang wurde ihm eine zeitweilige Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Nach Angaben der ukrainischen Behörden soll er Geld von einem Abgeordneten der Radikalen-Partei erpresst haben, um einen kompromittierenden Artikel von der Veröffentlichung fernzuhalten. In der Redaktion von „Strana.ua“ hatte es ähnliche Durchsuchungen wie später in der Redaktion von „Vesti Ukraine“ gegeben.

Nach Quellenangaben soll während des gegenwärtigen Österreich-Besuchs des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko die Auslieferung von Guschwa erörtert werden. Dem Journalisten zufolge wird Österreich über diplomatische Kanäle stark unter Druck gesetzt.

Die Situation um „Vesti“ und „Strana.ua“ erregte nicht nur unter Journalisten, sondern auch unter Juristen und Politologen große Aufmerksamkeit. Nach Angaben der Kommersant-Korrespondentin in der Ukraine, Janina Sokolowskaja, begehen die ukrainischen Behörden mit ihrem Vorgehen in der Medienwelt kurz vor den Wahlen Selbstmord. Dass der Präsident jetzt in Österreich sei, verschlimmere nur die Situation.

Dem Politologen Wladimir Makarowski zufolge ereilt einige Medien in der Ukraine dasselbe Schicksal wie dem TV-Sender ZIK, der massiv unter Druck gesetzt wurde, nachdem ein ehemaliger Leiter der Präsidialverwaltung des gestürzten Viktor Janukowitsch dort zu Wort kam. Ähnlich ergeht es dem Kiewer TV-Sender 112.ua wegen des Auftritts der ehemaligen Abgeordneten der Partei der Regionen, Jelena Bondarenko.

Wie der Journalist Konstantin Keworkjan aus Charkow sagte, waren die ukrainischen Medien in den vergangenen Jahren keine Informationsquelle, sondern ein Propaganda-Instrument. Unter diesen Bedingungen verlieren sie massiv an  Bedeutung, Journalisten können ungestraft beleidigt, geschlagen und sogar ermordet werden (wie Oles Busina bzw. Pawel Scheremet). Redaktionen werden angegriffen und in Brand gesetzt.

Quelle: Sputnik

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