„EU zieht vor Kiew den Schwanz ein“: Willy Wimmer zu Schießbefehl für Maidan-Massaker

Die mutmaßlichen georgischen Scharfschützen vom Maidan-Massaker, bei dem am 20. Februar 2014 in Kiew 53 Menschen getötet wurden, haben ausgesagt, dass die Schießbefehle von heutigen Rada-Abgeordneten kamen. Sputnik spricht mit dem Ex-Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE Willy Wimmer über die Rolle der EU beim Maidan-Massaker.

Herr Wimmer, wie bewerten Sie die Aussagen der mutmaßlichen georgischen Scharfschützen und die neuen Erkenntnisse zum Maidan-Massaker?

Ich sehe das zunächst unter dem Gesichtspunkt: Wo ist denn eigentlich unsere EU-europäische Verantwortung für die damalige Entwicklung? Wir haben zu den Ereignissen auf dem Maidan immer die Erinnerung an die Ereignisse in Peking auf dem Tian’anmen-Platz hochgezogen. Damals in Peking hat der Westen und auch die europäische Gemeinschaft alles getan, um eine Aufklärung und internationale Überprüfung der Ereignisse durchführen zu können, damit man weiß, wer zu solchem verbrecherischen Tun fähig ist.

Im Zusammenhang mit einem europäischen Ereignis der gleichen Kategorie wie Tian’anmen, nämlich auf dem Maidan-Platz, hat EU-Europa den Schwanz eingezogen und kuscht vor einem skrupellosen Regime in Kiew. Vom ersten Tag der Maidan-Ereignisse an hat es durch abgehörte Telefonate Hinweise darauf gegeben, dass diejenigen, die den Putsch in Kiew durchgezogen haben, auch diejenigen waren, die die Verantwortung für dieses Massaker an ihren Fingern haben.

Deswegen müsste das Europa der Europäischen Union beschämt sein über seine rückgratlose, kriecherische Politik gegenüber denen, die den Putsch in Kiew durchgezogen und das Maidan-Massaker zu verantworten haben.

Wie erklären Sie sich diese zurückhaltende Reaktion beziehungsweise sogar Unterstützung der Putschisten durch europäische Politiker?

Das ist ein komplizenhaftes Verhalten, was die Europäische Union da an den Tag gelegt hat. Und wir sehen jeden Tag in unserer Presse, dass alle führenden Medien offensichtlich einer Gehirnwäsche unterzogen worden sind, um ein Trugbild vom Putsch, vom Massaker auf dem Maidan und vom Referendum auf der Krim aufrechtzuerhalten, um die Politik der Europäischen Union und der Nato gegenüber der Russischen Föderation zu legitimieren. Das ist pervers, wie es schlimmer nicht sein kann.

Sind diese Quellen, die georgischen Scharfschützen, zuverlässig? Oder steckt da ein Komplott gegen die Rada, gegen die Ukraine oder vielleicht sogar gegen Wladimir Putin dahinter?

Ich hatte, bevor das in der internationalen Presse eine Rolle spielte, aus der Bundeswehr Hinweise bekommen, dass in Schweden entsprechende Veröffentlichungen nachzulesen seien, die genau das wiedergegeben haben, was dann unter Hinweis auf diese georgischen Scharfschützen zu lesen war. Aber solange es keine international saubere Untersuchung der Ereignisse auf dem Maidan gibt, wo man den Anspruch hat, ein faires Verfahren durchzuführen, traue ich niemandem über den Weg. Die Europäische Union hat auch auf eine Aufklärung dieser Art keinen Wert gelegt. Wenn irgendwelche Gerichte auf Kreisebene in der Ukraine das untersuchen, dann kann ich nach den Erfahrungen, die wir mit der Ukraine seit 2014 machen müssen, nur sagen: Da kann man genauso gut ein Kreisgericht auf dem Mond einrichten.

Georgiens Ex-Präsident Michail Saakaschwili wurde nach Polen abgeschoben, gleich nachdem Sputnik die Publikation der Ermittlungen angekündigt hatte. Am nächsten Tag sollte Saakaschwili vor einem ukrainischen Gericht zum Fall der Scharfschützen aussagen. Hat Saakaschwili mehr Informationen?

Ich kenne den früheren Präsidenten Saakaschwili aus Georgien aus meiner internationalen Tätigkeit in der OSZE hinlänglich und gut genug. Mir fällt zu diesem Mann und zu diesem Menschen eigentlich nichts mehr ein. Deswegen will ich mich auch nicht an Spekulationen über seine Aussagefähigkeit beteiligen.

Meinen Sie, dass die neuen Erkenntnisse Auswirkungen haben werden und vielleicht auch deutsche Politiker zum Umdenken bewegen?

Deutsche Politiker sind auch durch die Wirklichkeit nicht zum Umdenken zu bewegen. Sie dackeln der Nato und den führenden Kräften hinterher. Da kann man nicht von Erleuchtung sprechen.

Die Scharfschützen haben sich bereit erklärt, vor dem Gericht auszusagen. Wie sollte man hier weiter vorgehen? Sollte es nicht auch eine Anzeige gegen die zuständigen Angeordneten geben?

Das müssen die Ukrainer selber entscheiden, wenn sie einen Weg zum Rechtsstaat finden sollten. Aber an den Möglichkeiten und Erfordernissen eines normalen europäischen Staates kann man die Ukraine seit 2014 nicht mehr messen.

Das komplette Interview mit Willy Wimmer zum Nachhören:

Quelle: Sputnik

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