Syrien-Strategie der USA am Pranger: Türkei gibt Tillerson letzte Chance

Ankara will mit der US-Politik in Syrien nicht zimperlich sein, schreibt die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Freitag.

Der Ankara-Besuch von US-Außenminister Rex Tillerson sollte dazu dienen, die Kontroversen zwischen den beiden Nato-Partnern vor dem Hintergrund der türkischen Operation „Olivenzweig” in der syrischen Provinz Afrin beizulegen. Nach dem Jordanien-Besuch und den Verhandlungen mit den einflussreichsten Opponenten von Damaskus gab Tillerson klar zu verstehen, dass die USA das Genfer Format zur Syrien-Regelung wiederbeleben wollen.

„Ich denke, dass die Türkei Vorteile aus einem erfolgreichen Friedensprozess in Genf ziehen kann, der Stabilität in ganz Syrien bringen wird“, sagte Tillerson vor der Abreise nach Ankara. Am selben Tag traf er sich mit einer einflussreichen Fraktion der syrischen Opposition – dem Syrischen Verhandlungsausschuss. Der Chef dieser Fraktion, Naser al-Hariri, sagte nach dem Gespräch, dass er „ein wachsendes Interesse der USA an der Suche nach einem politischen Ausweg aus dem Konflikt in Syrien“ gesehen habe.

Das Gespräch der USA und der Türkei erscheint kompliziert. Der Ankara-Besuch Tillersons findet nicht in der besten Zeit in den Beziehungen zwischen den beiden Nato-Partnern statt. Ein weiterer Beweis dafür war die Kritik des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan an der US-Führung. „Es ist die Zeit gekommen, diese ganze Zirkus-Vorstellung um den IS in Syrien zu beenden“, sagte Erdogan vor seinen Parteikollegen. „Es liegt auf der Hand, dass gerade jene, die sagen, dass sie bei einem Angriff hart antworten würden, nie im Leben die osmanische Ohrfeige gefühlt haben.“

Am Tag der Anreise des US-Außenministers wies der türkische Vizepremier Bekir Bozdag Washington erneut darauf hin, dass Ankara die US-Politik in Syrien nicht akzeptiere. Die Bewaffnung und Hilfe für die syrischen Kurden, die mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK in Verbindung stehen, seien der größte Fehler der USA gegenüber der Türkei.

Die türkische Zeitung „Daily Sabah” berichtete kurz vor Tillersons Anreise, dass diese Reise des US-Außenministers beinahe die letzte Chance sei, die Beziehungen zwischen den beiden Nato-Partnern zu normalisieren. „Die bilateralen Beziehungen können noch gerettet werden. Allerdings wird die Türkei keinen Handgriff tun, um das ihnen zuliebe zu tun. Es ist die Zeit gekommen, sich Gedanken zu machen und etwas zu tun, was Ankara erfreuen würde. Mr. Tillerson, wir hoffen, dass sie kommen, um diese Geste zu zeigen, und wegfahren, ohne etwas zu zerstören. Die letzte Chance darf nicht verpasst werden. Der nächste US-Beamte, der die Verbindungen dann aufrechterhalten will, kann auf geschlossene Tür stoßen“, so die Zeitung.

Die US-Führung bemüht sich ihrerseits, zurückhaltend vorzugehen. Beim Treffen mit dem türkischen Verteidigungsminister Nurettin Canikli sicherte US-Verteidigungsminister James Mattis zu, dass Washington über die Bedrohung seitens der Arbeiterpartei PKK Bescheid wisse und bereit sei, Ankara beim Kampf gegen sie zu unterstützen.

Allerdings meinen Experten, dass es für die Amerikaner unvorteilhaft ist, sich in die türkischen Operationen einzumischen, die bei Afrin stattfinden. „Das Thema Afrin interessiert die USA überhaupt nicht“, sagte der Nahost-Experte Anton Mardassow. „Sie stimmen wohl Fragen ab, die andere Richtungen betreffen, und zwar Manbidsch und alle Gebiete um Kobani und al-Hasaka. Die türkischen Behörden wollen eine Pufferzone entlang der ganzen Grenze zu Syrien einrichten, also die Positionen der Kurden auf einige Kilometer entlang der ganzen Grenze zurückdrängen“, so der Experte.

Die US-Führung wolle die Ambitionen Ankaras zähmen, dabei jedoch seinen wichtigsten Partner zum Kampf gegen den IS – die Demokratischen Kräfte Syriens, eine multinationale Antiterrorkoalition – nicht abschwächen, deren Grundlage kurdische Militäreinheiten bilden. „Das ist eine strategische Aufgabe. Die Amerikaner müssen weiter Entschlossenheit bei der Unterstützung der Demokratischen Kräfte Syriens zeigen, also können sie Manbidsch nicht abgeben. Das könnte zu Image-Verlusten führen“, sagte Mardassow.

Quelle: Sputnik