Die USA sind zu einem langfristigen Konflikt mit dem Iran bereit. Wie der Sicherheitsberater des US-Präsidenten, Herbert McMaster, vor kurzem zu verstehen gab, wäre das erste Halbjahr 2018 der ideale Zeitpunkt für einen Angriff gegen die Islamische Republik.
Allerdings ist Washington auf die Unterstützung der EU angewiesen, die aber einem Krieg gegen Teheran den Handel mit Iran vorzieht. Die Amerikaner sind über Brüssels Einstellung verärgert: McMaster warf Investoren in die iranische Wirtschaft die Unterstützung des iranischen Raketenprogramms vor.
„Was für die USA nützlich ist, schadet Europas Interessen“
Der Iran ist für die US-Administration der größte Gegner nach dem IS, dessen Überreste immer noch einige Gebiete in Syrien kontrollieren. Im vergangenen Jahr bezeichnete das Weiße Haus die Islamische Republik als „Sponsor des Terrorismus Nummer eins“ und gab zugleich zu verstehen, dass gegen Teheran neue Sanktionen möglich wären.
US-Präsident Donald Trump droht den Iranern mit einer Veränderung des Atomdeals, der noch unter seinem demokratischen Vorgänger Barack Obama abgewickelt worden war. Sollte das Abkommen tatsächlich außer Kraft gesetzt werden, würden die Handelsrestriktionen nicht nur den Iran selbst, sondern auch die Länder treffen, deren Unternehmen dort Geschäfte führen.
Eine solche Entwicklung würde aber der EU gar nicht passen, deren Geschäftskreise bereits Milliarden Dollar in die iranische Wirtschaft investiert haben. „Die Kontroversen zwischen den Europäern und Amerikanern sind diesbezüglich sehr groß“, sagte der Leiter des russischen Zentrums für Nahost- und Zentralasien-Studien, Semjon Bagdassarow.
„Teheran hat mit Frankreich einen großen Vertrag über die Erneuerung des gesamten iranischen Flugzeugparks abgeschlossen. Paris und Berlin stecken große Gelder in die Erschließung von iranischen Brennstoffvorkommen. Die europäischen Geschäftskreise haben im Iran große Perspektiven, aber neue Sanktionen könnten das Zusammenwirken zum Scheitern bringen. Die Interessen der USA und der EU sind hier entgegengesetzt.“
Bei den Kontroversen zwischen Brüssel und Washington geht es natürlich um Wirtschaftsinteressen. Im Unterschied zu den Europäern haben US-Unternehmen so gut wie nichts in den Iran investiert. Sollte sich Präsident Trump für neue Sanktionen entscheiden, würden amerikanische Firmen fast keine Verluste tragen – anders als seine europäischen Verbündeten.
„Rammbock“ gegen den Iran
In der Konfrontation mit Teheran rechnet Washington mit der Unterstützung von zwei Nahost-Staaten: Israel und Saudi-Arabien. Der israelische Premier Benjamin Netanjahu zeigte in der Öffentlichkeit vor kurzem Fragmente einer über dem von Tel Aviv kontrollierten Territorium abgeschossenen iranischen Drohne. Israel bombardiert seinerseits iranische Objekte in Syrien. Später wurde bekannt, dass die syrischen Luftabwehrkräfte eine israelische Drohne abschießen konnten.
Netanjahu ist auf die Fortsetzung der Konfrontation eingestellt. „Wir werden eventuell nicht nur gegen Irans Verbündete, sondern auch gegen den Iran selbst vorgehen“, warnte der Premier und schlug den Iranern vor, die Fragmente ihrer Drohne abzuholen. In Teheran zeigte man allerdings kein Interesse dafür. Der Außenminister der Islamischen Republik, Mohammed Dschawad Sarif, nannte den Auftritt seines Opponenten „einen Zirkus“ und wollte darauf nicht reagieren.
Aber es folgte darauf doch eine Antwort aus Teheran, auch wenn nur indirekt. Die den Regierungskreisen nahestehende Zeitung „Times of Tehran“ veröffentlichte einen Beitrag unter dem Titel „McMasters Bemerkungen als Beispiel des Iran-Hasses“, und Sarif reiste nach Moskau, mit dessen Unterstützung die Iraner rechnen.
„USA sind verhandlungsunfähig“
Die Expertin des russischen Zentrums für Nah- und Mittelost-Studien, Irina Fjodorowa, zeigte sich überzeugt, dass die Annullierung des Iran-Deals zu einem Ausbau des internationalen Drucks auf die Islamische Republik führen würde, was aber den Interessen Russlands widerspräche.
„Die Auflösung des Atomdeals, worauf Trump besteht, wäre für die ganze Welt gefährlich, denn das würde auch Vereinbarungen mit Nordkorea unmöglich machen, das ebenfalls ein eigenes Atomprogramm und Probleme hat, die den iranischen ähneln“, so die Orientalistin.
Die diplomatische Regelung des Nordkorea-Problems sei unterminiert worden, und das würde den Interessen sowohl Russlands als auch der Europäischen Union widersprechen.
Die Europäer legen viel Wert auf den wachsenden iranischen Absatzmarkt, während die Amerikaner sie bei dessen Erschließung behindern. „Nehmen wir den Vertrag über die Lieferung von Flugzeugen, den ein französisches Unternehmen bekommen hat, als Beispiel. Zulieferteile für diese Maschinen werden in den USA hergestellt, und falls Trump neue Sanktionen verhängen sollte, könnte dieser Riesendeal scheitern.“
Aus strategischer Sicht wäre die Annullierung des Iran-Deals auch für die USA selbst ungünstig, vermutete Fjodorowa. Eben deshalb treten die Demokraten gegen den Kurs auf, den Trump vorantreibe: „Washington bemüht sich gerade darum, seine Positionen im Nahen Osten zurückzugewinnen, aber der Austritt aus dem Atomdeal würde dazu alles andere als beitragen. Denn er würde bedeuten, dass die USA verhandlungsunfähig sind: Unter einem Präsidenten unterzeichnen sie ein Abkommen, und unter einem anderen Präsidenten lösen sie es auf.“
Quelle: Sputnik