Die Propaganda gegen die «dopenden und betrügerischen Russen» läuft erneut zur Hochform auf. Aber selbst bei westlichen Sportlern treffen die jüngsten Beschuldigungen auf Argwohn. Ist das russische Olympia-Team in Südkorea in eine Doping-Falle gelaufen?
von Rainer Rupp
Vor wenigen Tagen wurde das Olympische Dorf in Südkorea von einem Ereignis erschüttert, das in westlichen Medien begierig und mit großer Häme aufgearbeitet wurde. Für das ohnehin bereits sanktionierte und auf illegale Weise reduzierte Team der russischen Athleten war es eine weitere Katastrophe. Folgendes war passiert:
Einer der russischen Athleten, die an den Olympischen Winterspielen teilnahmen, war positiv auf die verbotene Substanz Meldonium getestet worden, und zwar bei zwei verschiedenen Proben. Es gibt keine Möglichkeit, das zu bestreiten. Der Bronzemedaillengewinner im Curling, Alexander Kruschelnitski, hatte Meldonium in seinem Körper, Punkt. Für die anti-russischen Propagandisten war das ein gefundenes Public-Relations-Fressen. Damit wurden alle seit vielen Jahren geschürten Vorurteile gegen die «betrügerischen» Russen anschaulich und scheinbar unwiderlegbar bestätigt. Dennoch: Bei näherem Hinsehen scheint einiges nicht zu stimmen.
Meldonium beim Curling völlig nutzlos
Kurz bevor Kruschelnitski von Russland nach Japan gereist war, wo die Athleten trainierten, war er auf die gleiche Substanz getestet worden. Da war er sauber. Er musste also das Meldonium während der letzten zwei Wochen im Ausland aufgenommen haben. Tatsächlich entspricht die nachgewiesene Menge auch nur einer einzigen Dosis. Die Wirkung von Meldonium ist, dass es den Blutfluss erhöht und so Sportlern hilft, die in einer Disziplin antreten, die mit extrem hoher körperlicher Intensität betrieben wird. Es ist also ein Mittel, um die Ergebnisse von Hochleistungssportlern zu verbessern. Und schließlich muss Meldonium regelmäßig eingenommen werden, nicht nur einmal, um tatsächlich wirksam zu sein.
Aber Kruschelnitski hat seine Bronzemedaille im Curling gewonnen, also in einer Disziplin, die viele gar nicht als Sport ansehen. In dieser Disziplin braucht man vor allem Ruhe und Konzentration. Ein stark erhöhter Blutfluss, der Muskeln und Hirn mit Sauerstoff überschüttet, bewirkt das Gegenteil. Meldonium ist also beim Curling eher abträglich als leistungsfördernd. Aus den oben erwähnten Gründen macht es also für den russischen Curler Kruschelnitski überhaupt keinen Sinn, eine einzige Dosis Meldonium einzunehmen — im sicheren Wissen darum, dass er
- nach dem Wettbewerb nochmals auf die Einnahme verbotener Substanzen geprüft wird;
- dass eine einzelne Dosis Meldonium nicht einmal einem Hochleistungssportler hilft und dass
- Meldonium als Substanz einem Curler eher schaden als nützen wird.
Auch der «Independent» reagiert ungläubig
Es versteht sich von selbst, dass jeder, der diese Zusammenhänge kennt, auch versteht, dass es sich dabei nur um einen vorsätzlich provozierten Vorfall handeln kann. Denn es ist wahrscheinlicher, dass eine Jungfrau schwanger wird, als dass ein Curling-Champion bewusst Meldonium nimmt. Für die Russen ist klar, dass es sich im Fall Kruschelnitski um eine sehr geschickte, aber dadurch nicht weniger hinterhältige «Provokation» interessierter Kreise handeln muss. Sogar britische Zeitungen erkennen die groteske Note dieses Falls. So titelte z. B. The Independent in seiner Berichterstattung über die Olympischen Winterspiele in Korea: «Was ist Meldonium und wie kann das verbotene Medikament die Curling-Leistung steigern?»
Die landesweit erscheinende britische Tageszeitung schreibt, dass «die Reaktion auf Alexander Kruschelnitskis mutmaßlichen positiven Drogen-Test für Meldonium innerhalb der olympischen Gemeinschaft auf Unverständnis gestoßen» sei. So hätten die Curling-Sportler aus anderen Teams, die gegen die Russen angetreten waren, sich gewundert, «warum jemand in einem Sport, der eine geringe Intensität und Ausdauer erfordert, ein Aufputschmittel nehmen würde».
Die Verwendung von Beta-Blockern hätte in dieser Disziplin einen viel größeren Vorteil ergeben, da damit die Nerven beruhigt werden und im entscheidenden Moment, wenn der Curler den Stein loslässt, das Zittern verhindert wird.
Nur die deutschen und die US-Medien versuchen, ihren Lesern und Zuhörern die Geschichte vom «gedopten Kruschelnitski» im Brustton der Überzeugung zu verkaufen. Aber jeder, dem diese Geschichte plausibel vorkommt, der glaubt auch daran, dass man mit zwei Flugzeugen drei Wolkenkratzer zum Einsturz bringen kann.
Abgekartetes Spiel mit wenig Risiko?
Natürlich wird es für die Russen so gut wie unmöglich sein, den Beweis für Kruschelnitskis Unschuld zu erbringen und nachzuweisen, dass er die Dosis Meldonium nicht absichtlich eingenommen hat. Im Olympischen Dorf essen und trinken alle Teilnehmer in denselben Kantinen und Café-Bars. Ein paar unbemerkte Tropfen in ein offenes Glas oder in eine bereits geöffnete Flasche in Kruschelnitskis Zimmer hätten gereicht. Wer auch immer das durchgezogen hat, der hat mit wenig Risiko und mit so gut wie keinen Kosten einen riesigen anti-russischen Propagandaerfolg erzielt, mit dem Fazit: Die bösen Russen können einfach nicht anders als lügen und betrügen. Und außerdem sind sie dumm, denn sie betrügen auch dann, wenn sie fest damit rechnen müssen, dass sie kontrolliert werden und auffliegen.
Es ist ein weiterer, großer PR-Schlag gegen Russlands Image und gegen die Moral der russischen Athleten, die bereits mit einem unrechtmäßig reduzierten Team und unter schrecklichen Bedingungen in Korea antreten mussten. Um in Zukunft besser gewappnet zu sein, müssen die Russen verstehen, dass die westliche Unwertegemeinschaft einen alle Lebensbereiche einbeziehenden Krieg gegen ihr Land führt, den nur noch der Umstand, dass noch nicht geschossen wird, von einem totalen Krieg trennt.
Quelle: RT