GroKo spricht sich für Atomwaffen in Deutschland aus — Russland als Vorwand

„Dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten – Atomwaffen abziehen“ hat die Linksfraktion im Bundestag gefordert. Russland wurde dabei u.a. sowohl von Seiten der Union sowie der FDP mehrmals als Aggressor dargestellt. Das wiederum wurde als Vorwand genutzt, um dem Verbotsvertrag nicht zuzustimmen.

Von Paul Linke

In ihrem Antrag wirft die Linksfraktion der Bundesregierung vor, sich zwar außenpolitisch zu einer Welt ohne Atomwaffen zu bekennen, „jedoch während des gesamten Prozesses der Ausarbeitung des Vertrags keinerlei Anstrengungen“ unternommen zu haben, diesen zu unterstützen. „Sie hat die Vertragsverhandlungen boykottiert und in der entscheidenden Abstimmung in der UN-Vollversammlung dem Vertrag ihre Zustimmung verweigert“, bemängelt die Linksfraktion.

Mit ihrer ablehnenden Haltung zum neuen Atomwaffenverbotsvertrag sende die Bundesrepublik Deutschland ein „falsches Signal, schadet ihrer abrüstungspolitischen Glaubwürdigkeit und schwächt die Institution der Vereinten Nationen“, heißt es dort weiter. Die Bundesregierung werde deshalb aufgefordert, den Atomwaffenverbotsvertrag umgehend zu unterzeichnen. Außerdem solle sie „unverzüglich die Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an der nuklearen Teilhabe der Nato aufkündigen“ und Schritte zum Abzug der US-Atomwaffen vom Territorium der Bundesrepublik Deutschland einleiten.

„Russland mit seiner Kriegsrhetorik“

Die Unionspolitiker haben mehrfach als Grund für die bestehende nukleare Teilhabe Deutschlands das aggressive Verhalten Russlands genannt. Der Sport- und Finanzexperte der CDU/CSU-Fraktion, Dr. Frank Steffel, eröffnete die Aussprache und sagte: „So lange Länder wie Nordkorea, der Iran, Pakistan, aber auch Russland mit Kriegsrhetorik und Ankündigung über die Ausweitung ihrer Atomprogramme drohen, wäre ein einseitiger Verzicht der freien Demokratie dieser Welt gefährlich und verantwortungslos.“

Dass der Kalte Krieg geendet habe, habe nicht an Nachgiebigkeit, Anbiederung oder einseitiger Abrüstung gelegen, „sondern es lag leider daran, dass die Nato und Europa, Deutschland und den Westteil Berlins auch durch Nachrüstung, durch den Doppelbeschluss und auch durch atomare Waffen gegen die militärische Bedrohung durch die Sowjetunion und den Warschauer Pakt geschützt haben“, machte Dr. Steffel deutlich.

ICAN verweist auf die Gefahr von Unfällen

Für die Sicherheit Deutschlands würden Atomwaffen überhaupt keine Rolle spielen. „Im Gegenteil. Sie gefährden unsere Sicherheit“, erklärte Martin Hinrichs von der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) und verwies auf mögliche Unfälle. Es habe in der Geschichte zahlreiche Situationen gegeben, wo z.B. schon feindliche Raketen auf dem Radarbildschirm aufgetaucht seien. „Und nur dadurch, dass Männer wie der russische Offizier Stanislaw Petrow den Befehl verweigert hatten, nur deshalb sind wir heute noch am Leben.“ Der Abrüstungsexperte wies auch nochmal darauf hin, dass der Kalte Krieg in erster Linie wegen der zahlreichen Abrüstungsverträge zwischen den USA und der Sowjetunion endete.
„Orientierungslose Anpassungspolitik der Bundesregierung“

Auch die Partei Bündnis90/Die Grünen sowie die Alternative für Deutschland (AfD) forderten die Bundesregierung auf, dem Verbotsvertrag der Vereinten Nationen, der seit dem 20. September 2017 ausliegt, zu unterzeichnen. „Die Bundesregierung verfolgt  derzeit eine orientierungslose Anpassungspolitik, die dazu führt, dass zunehmend andere Staaten und Institutionen die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik beeinflussen und steuern. Eine atomare Katastrophe ungekannten Ausmaßes ist jederzeit auch auf deutschem Boden möglich“, sagte der AfD-Abgeordnete Dr. Robby Schlund.

Bekenntnis zur atomaren Komponente der GroKo

Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stehe in einem Koalitionsvertrag „explizit“ ein Bekenntnis zur atomaren Komponente der Nato, beklagte bei der Bundestagsdebatte über den UN-Atomwaffenverbot und den Abzug atomarer Waffen aus Deutschland der stellvertretende Vorsitzende der Partei Die Linke, Tobias Pflüger. Ein Atomwaffenvertrag der Vereinten Nationen, der von der Friedensnobelpreisträgerin ICAN initiierte wurde, hat an der Position der sogenannten Volksparteien offenbar nichts ändern können.

Im Gegenteil: 2010 habe sich der Bundestag noch für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland stark gemacht, bemerkte im Sputnik-Interview das ICAN-Vorstandsmitglied Martin Hinrichs und zeigte sich gleichzeitig enttäuscht über die Haltung der SPD im Koalitionsvertrag zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag: „Im Moment habe ich den Eindruck, dass sich leider die CDU mit ihrer Betonung, dass wir an der Aufrüstung teilhaben müssen, durchsetzt.

Es wird zum einen von der Vision einer atomfreien Welt geredet. Zum anderen scheint es nicht so wichtig zu sein, um sich tatsächlich zu trauen, die Atommächte unter Druck zu setzen. Wenn Außenminister Gabriel so handeln würde wie er redet, würde Deutschland für die Abrüstung eine aktive Rolle spielen. Wenn wir immer nur darauf warten, bis die Atommächte ihre Atomwaffen freiwillig abgeben, kommen wir nie weiter. Wir müssen Druck ausüben und müssen mit einem guten Beispiel vorangehen.“

Als offizielle Atommacht beabsichtigt auch Russland nicht, sich dem Atomwaffenverbotsvertrag anzuschließen, wie der russische Außenminister Sergej Lawrow bei der jüngsten Sitzung des UN-Sicherheitsrats zum Verbot von Atomwaffen erklärte. „Wir gehen davon aus, dass der vollständige Abbau der Atomwaffen nur möglich ist, wenn eine ebenbürtige und unteilbare Sicherheit für alle, darunter auch für Besitzer von Atomwaffen, gewährleistet werden kann, wie dies der Atomwaffenverbotsvertrag vorsieht“, sagte Lawrow. Die Vorschriften des Vertrags aber entsprechen ihm zufolge diesen Prinzipien nicht.

Er betonte dabei, dass Russland ebenfalls für eine atomfreie Welt eintrete. „Aber dieses Ziel soll nicht mit solch einseitigen Methoden erreicht werden, auf denen der Atomwaffenverbotsvertrag beruht“, präzisierte der russische Chefdiplomat.

Interview mit Martin Hinrichs (ICAN) zum Nachhören:

Quelle: Sputnik