In einem aktuellen Interview mit der Passauer Neuen Presse stellte die amtierende Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erneut klar, was die zentrale Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein wird. Eine Neuauflage der Große Koalition würde die Bundeswehr massiv aufrüsten und die militärische Rückkehr auf die Weltbühne aggressiv vorantreiben.
Von Johannes Stern
Union und SPD hätten bereits „in den vergangenen Jahren sehr wichtige Reformen für die Truppe angestoßen“, erklärte von der Leyen. Nachdem die Bundeswehr „im letzten Vierteljahrhundert immer mehr geschrumpft“ sei, dürfe „sie jetzt wieder wachsen“. Allerdings könne man „nicht in wenigen Jahren alles aufholen, was zuvor 25 Jahre lang abgebaut und gespart worden ist“. Der „Modernisierungskurs“ müsse also „weiter beharrlich fortgesetzt werden“, und genau das wolle sie „mit aller Kraft tun“.
Von der Leyen prahlte mit den bereits in der letzten Legislaturperiode erzielten „Erfolgen“. Seit Anfang 2015 sei „die durchschnittliche Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme […] um mehr als 25 Prozent gestiegen“. Und bereits 2016 habe sie „dem Parlament einen 130-Milliarden-Investitionsplan bis zum Jahr 2030 vorgelegt“. Auch mit „dem Material für die Truppe“ gehe „es Schritt für Schritt bergauf“.
Was die Große Koalition nun im Sinn hat, ist nur mit der Rüstungsoffensive Nazi-Deutschlands vor dem Zweiten Weltkrieg vergleichbar. Von der Leyen bekräftigte, dass „die Nato-Ziele“ bis zum Jahr 2024 „erreicht werden“ sollen. Man habe „im Koalitionsvertrag einen Zielkorridor auf dem Weg dorthin festgeschrieben“. Das sei „noch harte Arbeit, die vor uns liegt“, sie sei aber „zuversichtlich, dass wir es schaffen“.
In Zahlen ausgedrückt geht es bei der „harten Arbeit“ nahezu um eine Verdopplung des Militärhaushalts. Im Budget für das Jahr 2018 sind offiziell 39,5 Milliarden Euro für Verteidigung vorgesehen, was etwa 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Um das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erreichen, müssten bei wachsender Wirtschaftsleistung jährlich mindestens 35 Milliarden Euro zusätzlich in die Verteidigung fließen.
Wie bereits in ihrer Kriegsrede auf der Sicherheitskonferenz in München ließ von der Leyen keinen Zweifel daran, dass die geplante Aufrüstung dazu dient, Krieg zu führen und die Interessen des deutschen Imperialismus weltweit durchzusetzen. Die Bundeswehr sei „der zweitgrößte Truppensteller in der Nato“ und habe in „den vergangenen Jahren lauter neue Aufgaben“ übernommen. Dazu gehörten unter anderem „der Schutz im Baltikum, die Einsätze in Syrien und im Irak, die Missionen im Mittelmeer“. Die Soldaten und Soldatinnen erledigten das „samt und sonders mit Bravour“. „Umso wichtiger“ sei „eine konstant bessere finanzielle Ausstattung der Streitkräfte“.
Die SPD, deren Mitglieder bis zum Samstag über den Koalitionsvertrag abstimmen, würde in der Großen Koalition eine treibende Rolle in der Rüstungspolitik spielen. Am Mittwoch forderte der sozialdemokratische Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, der bereits mit seinem Jahresbericht die Aufrüstungshysterie der herrschenden Klasse befeuert hatte: „Für die gewachsenen Aufgaben, die die Bundeswehr jetzt erfüllen muss, braucht sie die Vollausstattung.“
Darunter versteht Bartels eine hochgerüstete, riesige Armee, die in der Lage ist, große Kriege zu führen. „Jeder Verband braucht sein eigenes Material. Hohle Strukturen nützen im Ernstfall nichts. Zur Zeit des Kalten Krieges stand für 1,3 Millionen Bundeswehr-Soldaten – das wäre der mobil gemachte Verteidigungsumfang gewesen – rollendes, funkendes und schießendes Material zur Verfügung“. Heute reiche „die Ausrüstung nur für die deutschen Kontingente in den Auslandseinsätzen und den einsatzgleichen Verpflichtungen“. Für „die Masse der Truppe zu Hause“ aber reiche „es hinten und vorne nicht“.
Zusätzlich „zu den Auslandseinsätzen ‚out of area‘, außerhalb des Bündnisgebietes,“ gehe „es seit 2014 auch wieder um kollektive Verteidigung in Europa“, so Bartels. „Vor der Ukrainekrise“ habe „das praktisch keinen Stellenwert mehr gehabt“, jetzt aber sei zum Beispiel „die Nato-Eingreiftruppe NRF ernsthaft gefordert“. Kein „europäischer Nato-Partner in Osteuropa soll fürchten müssen, von seinem großen Nachbarn militärisch bedroht oder unter Druck gesetzt zu werden.“
Bartels und die SPD wissen genau, dass in Osteuropa nicht Moskau der Aggressor ist, sondern die Nato-Mächte. Seit der Auflösung der Sowjetunion vor 25 Jahren kreist das westliche Militärbündnis Russland systematisch ein. Im Februar 2014 unterstützten die Bundesregierung und der damalige sozialdemokratische Außenminister Frank-Walter Steinmeier zusammen mit der US-Regierung einen rechten Putsch in Ukraine, um ein pro-westliches Regime an die Macht zu bringen. Anfang 2017 entsandte Deutschland das erste Mal seit dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht gegen die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg wieder Kampftruppen nach Osteuropa.
In den Tiraden von Bartels zeigt sich der wahre Charakter der SPD als eine im Kern rechte und militaristische Staatspartei. Im Interview mit dem Internetportal web.de beklagt er, dass in einem „Vierteljahrhundert der Schrumpfung“ zahlreiche „Waffen verschrottet“ worden seien. „Mit der Sparreform von 2011“ habe die Bundeswehr „massiv Material weggegeben. Für das Heer sollten 70 Prozent des Geräts ausreichen“. Das bedeute „zum Beispiel, dass sechs Panzerbataillone, die auf dem Papier stehen, mit Panzern für vier Panzerbataillone auskommen müssen.“
Grüne und Linkspartei haben die Rückkehr des deutschen Militarismus von Anfang an unterstützt. Wenn sie die Aufrüstungspläne der Bundesregierung nun kritisieren, dann von rechts. In einer aktuellen Presseerklärung beklagt sich der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, dass die Verteidigungsministerin nicht in der Lage sei, „die Soldatinnen und Soldaten mit notwendiger Grundausrüstung auszustatten. Es mangelt an Winterkleidung, es mangelt an Zelten, es mangelt an schusssicheren Westen.“
Deutschland sei „an wichtigen UN-Blauhelm-Einsätzen wie in Mali beteiligt“, und um „diese Einsätze auch in der notwendigen Qualität durchführen zu können“, bräuchten „unsere Soldatinnen und Soldaten eine vernünftige Ausstattung,“ polterte Hofreiter. Frau von der Leyen sei „jetzt seit vier Jahren Verteidigungsministerin“, und sie solle „endlich aufhören, rumzuquatschen, und endlich dafür sorgen, dass die Soldatinnen und Soldaten die Ausrüstung bekommen, die ihnen zusteht“.
Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, bezeichnete „die im Koalitionsvertrag verabredete Verdoppelung des Militärhaushalts von 37 auf über 70 Milliarden Euro“ in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung zwar als „puren Wahnsinn“. Nur um sich dann ebenfalls hinter die Rüstungsoffensive zu stellen. Da die Bundeswehr sich wieder auf ihren Auftrag der Landesverteidigung konzentrieren solle, müsse sie „ordentlich ausgerüstet sein“, verlangte Wagenknecht.
Die Sicherstellung der „Landesverteidigung“ ist ein Code-Wort für die geplante Aufrüstung der Bundeswehr und die Entwicklung einer unabhängigen deutschen Militär- und Großmachtpolitik. Vor wenigen Tagen forderte der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat, die Armee müsse „endlich wieder auf die Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet werden“. Es reiche „nicht aus, jetzt an einzelnen Stellschrauben zu drehen, mehr Unterhosen, mehr Stiefel oder Panzer anzuschaffen“. Nötig sei „eine fundamentale Kurskorrektur“. Die Linkspartei arbeitet eng mit Kujat zusammen, sie hatte den General bereits im September 2016 zu ihrer Fraktionsklausur in Hannover eingeladen.
Während die gesamte herrschende Klasse in Deutschland trotz zweier verheerender Weltkriege wieder auf Militarismus und Krieg setzt, verschärft die Sozialistische Gleichheitspartei ihren Kampf dagegen. Die SGP lehnt die Kriegsverschwörung ab und fordert Neuwahlen. Dabei stützt sie sich auf die große Opposition in der Bevölkerung und kämpft für den Aufbau einer internationalen Bewegung gegen Kapitalismus und Krieg. Letztlich können die Aufrüstungs- und Kriegspläne, die die Herrschenden in allen imperialistischen Ländern hinter dem Rücken der Bevölkerung aushecken, nur durch die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms gestoppt werden.
Quelle: WSWS