Westliche Medien haben auf die gestrige Jahresansprache des russischen Präsidenten Wladimir Putin an die Föderalversammlung (Parlament), die er großenteils der Präsentation der neuesten russischen Waffen widmete, sehr nervös reagiert. Manche betrachten das sogar als Erklärung eines neuen Kalten Krieges.
Die diesjährige Jahresrede des Kremlchefs war ziemlich ungewöhnlich: Er sprach nicht nur über die innenpolitischen Probleme, was ziemlich üblich ist, sondern auch über den außenpolitischen Aspekt – und das war ein wichtiges Signal an den Westen und allen voran an die USA.
Mehr als 40 Minuten lang zählte Putin die jüngsten Errungenschaften der russischen Rüstungsindustrie auf. Unter anderem erzählte er über die „unschlagbare“ schwere Interkontinentalrakete „Sarmat“, über den Fla-Raketenkomplex „Kinschal“ („Dolch“) und über Laser- und Hyperschall-Komplexe.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte
Putins Rede wurde von Videoclips begleitet, auf denen die Möglichkeiten der russischen Waffen präsentiert wurden. Die westlichen Medien wurden davon sehr stark beeindruckt.
„Die interaktive Präsentation begann mit Diagrammen, auf denen die Geburtenzahl und die Ernte der vergangenen Jahre angeführt wurden. Aber vor allem wurde sie als Plattform für die Vorstellung der neuesten russischen Waffen genutzt“, schreibt der britische „Guardian“.
US-Medien fanden das Video sehr beunruhigend, auf dem die potenzielle Flugbahn russischer Raketen gezeigt wurde. Ein Autor der „New York Times“ verwies darauf, dass eine Rakete vom Territorium Russlands gestartet würde, und dann würde sie „alle Barrieren im Atlantischen Ozean umfliegen, das Kap Horn umkreisen und die westliche Küste der USA treffen können.“
Darauf verwies auch der britische „Telegraph“: „Auf einem Video war zu sehen, wie Raketen massenweise auf Florida fallen.“
Laut Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat jedoch Moskau nicht vor, irgendjemanden anzugreifen. Die neuen russischen Waffen stellen keine Gefahr für jene dar, die Russland ebenso nicht anzugreifen planen, sagte er am Freitag gegenüber der Presse.
Washington hatte provoziert
In seiner Rede betonte Putin mehrmals, dass Russland sein Waffenarsenal nur „als Antwort auf den einseitigen Austritt der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Raketenabwehrvertrag und auf die praktische Entfaltung dieses Systems sowohl auf dem Territorium der USA als auch außerhalb ihrer nationalen Grenzen“ ausbaue.
US-Medien werteten diese Worte als direkte Drohung an die USA. Die „Washington Post“ schrieb, Putin habe „eine Botschaft an Washington“ geschickt – vor dem Hintergrund der jüngsten Aussagen der Trump-Administration, die USA würden neue Atomwaffen entwickeln.
Viele halten übrigens das neue Atomprogramm der USA als Hauptgrund für die Verschärfung des russischen Tonfalls: Die „Financial Times“ schrieb, dass Putins Worte „ernsthaft an die Wahrscheinlichkeit einer direkten bewaffneten Konfrontation Russlands und der USA denken lassen“.
Washington hatte Anfang Februar seine neue „nukleare Strategie“ verabschiedet und dadurch für große Aufregung in Russland gesorgt. Denn laut diesem Dokument wollen die USA neue Atomwaffen „angesichts der Entwicklung des russischen nuklearen Potenzials ausbauen“. Unter den größten Opponenten Washingtons wurden auch China, der Iran und Nordkorea erwähnt.
Nicht nur die USA
Manche Reporter gingen noch weiter und warfen dem Kremlchef vor, ein neues Wettrüsten ausgerufen zu haben. Der „Guardian“ schrieb beispielsweise, dass Putin den Westen herausfordere, indem er gesagt hatte, der Westen habe Russland „nicht eindämmen können“.
Diese Worte konnte kaum jemand im Westen übersehen, aber das „Wall Street Journal“ schrieb eher zurückhaltend:
„Putin verschärft die Rhetorik gegenüber dem Westen und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Wettrüstens mit Washington.“ Der Ton des Kremlchefs erinnere „an die Zeiten des Kalten Krieges“, und damit wollte er „beweisen, dass es Russland verdient, zu den militärischen Supermächten der Welt zu gehören“.
Nick Robertson von CNN sagte sogar, dass die jüngsten Waffentests in Russland und China „ein Problem nicht nur für die westliche Rüstungsindustrie, sondern für die ganze Welt im Allgemeinen“ seien.
Die „Financial Times“ schrieb allerdings, „Putins Drohungen waren für die USA wohl nicht überraschend“. Zugleich räumte die Zeitung aber ein, dass Putin mit seinen Worten auch die Absicht zur Fortsetzung der Konfrontation mit dem Westen signalisiert habe.
Dabei formulierte Putin die Position Moskaus unumwunden deutlich und lud die westlichen Partner abermals zum Dialog ein. „Man sollte keine neuen Gefahren für die Welt schaffen. Im Gegenteil: Man sollte sich an den Verhandlungstisch setzen und gemeinsam an einem erneuerten, aussichtsreichen System der internationalen Sicherheit und der nachhaltigen Entwicklung der Zivilisation arbeiten“, so Putin. „Wir haben Ihnen das schon immer gesagt. Alle diese Initiativen bleiben in Kraft – Russland ist dazu bereit. Unsere Politik wird sich nie auf Ansprüche auf unsere Ausschließlichkeit stützen. Wir verteidigen unsere Interessen und respektieren die Interessen anderer Länder. Wir orientieren uns am Völkerrecht und halten die Schlüsselrolle der UNO für unerschütterlich.“
Das war kein Bluff
Putin unterstrich mehrmals, dass die von ihm erwähnten Waffen entweder bereits getestet worden seien oder derzeit getestet werden. Dennoch zweifeln einige westlichen Journalisten daran, dass die russischen Militärs tatsächlich über „unschlagbare“ Rüstungen verfügen.
Das „Wall Street Journal“ verwies darauf, dass es bislang „keinen einzigen unabhängigen Kommentar gab, in dem Putins Äußerungen über die Möglichkeiten der neuen Waffen bestätigt worden wären“. Zugleich berief sich die Zeitung aber auf den unabhängigen Militärexperten Iwan Konowalow, dem zufolge Putins Rede gezeigt hat, „wie weit die russische Rüstungsindustrie tatsächlich geschritten ist“. „Russland entwickelt die besten Waffen in der Welt, und die USA – falls sie das Gleichgewicht aufrechterhalten wollen – müssten auf diese Herausforderung möglichst schnell antworten“, warnte der Experte.
Die „Washington Post“ behauptete in ihrem Artikel mit der Überschrift „Was hat Russlands Erklärung von neuen Atomwaffensystemen wirklich zu bedeuten?“, dass die Amerikaner solche Technologien bereits in den Jahren des Kalten Krieges entwickelt hätten, so dass sich Russlands Waffen nicht als richtiger technologischer Durchbruch bezeichnen ließen. Dennoch räumte die „Washington Post” ein, dass Moskau dem Westen zu verstehen gegeben habe: „Die russischen Angriffskräfte können nicht durch Raketenabwehrsysteme eingedämmt werden.“
Allerdings bestätigte der Befehlshaber der russischen Luft- und Weltraumtruppen, Generaloberst Sergej Surowikin, vor kurzem, dass die Effizienz der Hyperschallrakete „Kinschal“ im Laufe der staatlichen Tests schon mehrmals bestätigt worden sei. „Alle Teststarts dieser neuesten Raketen endeten mit der präzisen Vernichtung der jeweiligen Ziele“, betonte der hochrangige Militär.
Quelle: Sputnik