Gazprom scheidet sich von Kiew: Russischer Gasgigant will Ukraine nicht retten

Der russische Gaslieferant will die Verträge mit der Ukraine aufkündigen; für die Rettung ihrer Wirtschaft will er nichts tun, schreibt die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Montag.

Gazprom ist von dem politisierten Urteil des Stockholmer Schiedsgerichts über den Gastransit über die Ukraine so enttäuscht, dass es die Kündigung aller Vertragsbeziehungen mit Kiew initiiert, ohne auf ihren Ablauf Ende 2019 zu warten.

Der russisch-ukrainische Gaskonflikt gewinnt erst noch an Dynamik. Gazprom kündigte am Samstag den Beginn des Verfahrens der Vertragskündigung an. Wie es in der russischen Holding hieß, wird das Verfahren erneut vor dem Stockholmer Schiedsgericht behandelt, jedoch von anderen Richtern.

Das Schiedsgericht der Handelskammer Stockholm hatte am 28. Februar einer Klage von Naftogaz gegen Gazprom stattgegeben und den russischen Energiekonzern dazu verpflichtet, Naftogaz 2,56 Milliarden US-Dollar zu zahlen. Gazprom ist mit diesem Beschluss kategorisch nicht einverstanden. Gazprom-Chef Alexej Miller zufolge verletzte das Gericht das Gleichgewicht der Interessen und richtete sich nach Doppelstandards, als der Beschluss mit „der schweren Wirtschaftslage in der Ukraine“ erklärt wurde.

„Wir sind kategorisch dagegen, wenn die Wirtschaftsprobleme der Ukraine auf unsere Kosten gelöst werden. In dieser Situation ist die weitere Vertragsgültigkeit für Gazprom wirtschaftlich zwecklos und ungünstig“, sagte Miller.

Die Situation wurde in Kiew sehr nervös wahrgenommen, insbesondere vor dem Hintergrund der kalten Temperaturen bis minus 25 Grad in den letzten Tagen. Dort meint man wohl, dass Gazprom einfach unverzüglich einseitig auf alle seine Verpflichtungen verzichtet. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko rief die Ukrainer dazu auf, die Heizungen herunterzudrehen, um „das Szenario Russlands zu zerstören“. Die ukrainische Regierung führte Sondermaßnahmen ein, um Energie zu sparen: Die Industrieunternehmen müssen den Verbrauch reduzieren, die Heizkraftwerke zu Dieselkraftstoff wechseln, bis Mittwoch sind die Schulen geschlossen.

Die Reaktion Europas war gelassener, obwohl auch dort eisige Kälte und große Gasnachfrage zu erkennen sind. Bloomberg zufolge zwingen die starken Kälteeinbrüche Europa zu Rekordgaskäufen bei Russland, die Gasvorräte in den Speichern liegen auf dem minimalen Niveau seit fünf Jahren. Zunächst hatte die EU-Kommission Sorgen wegen der Gaslieferungen an die Ukraine und des Transits in die EU. Doch nach Verhandlungen des Vizepräsidenten der EU-Kommission, Maros Sefcovic, mit dem russischen Energieminister Alexander Nowak veröffentlichte die EU-Kommission eine Pressemitteilung, in der die Gewissenhaftigkeit der Gaslieferungen aus Russland in die EU bestätigt wurde. „Alle vorhandenen Verpflichtungen bezüglich Lieferungen und Gastransit in die EU werden eingehalten“, hieß es in der Mitteilung der EU-Kommission.

Bislang droht Kiew Gazprom mit der Einziehung von nicht nur 500.000 Dollar für jeden Tag der Nichterfüllung des Beschlusses des Schiedsgerichts, sondern auch des Preisunterschieds zwischen russischem und polnischem Gas, das es an diesem Wochenende kaufen musste.

Laut Öl- und Gasmarktexperte Wladimir Blinkow ist dieser Skandal vorteilhaft für Gazprom und kann sogar beim Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 helfen. Gazprom stellte seit acht Tagen in Folge neue Rekordwerte der täglichen Lieferungen an Europa auf, am 28. Februar wurde ein absoluter Rekord aufgestellt – 699,3 Millionen Kubikmeter. Vor dem Hintergrund der Probleme bei anderen Gaslieferanten ist das die beste Werbung. Angesichts der Probleme mit dem ukrainischen Transit sieht Europa, dass das Gas durch die Nord-Stream-Pipeline ohne Vermittler direkt nach Deutschland fließt, so der Experte.

Quelle: Sputnik