Willy Wimmer: „Westen antwortet auf ausgestreckte Hand Putins mit eiserner Faust“

Die Rede des russischen Präsidenten vor der Föderalen Versammlung wurde in den westlichen Medien auf die Präsentation neuer strategischer Atom-Waffen reduziert. Der ehemalige Staatssekretär für Verteidigung und Ex-Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Willy Wimmer, sieht in der Rede von Wladimir Putin noch eine andere Botschaft.

Von Armin Siebert

Herr Wimmer, im Westen wurde über die Rede des russischen Präsidenten vergangene Woche im Prinzip nur berichtet, dass Putin eine neue Satansrakete präsentiert hat. Ist bei Ihnen noch mehr hängengeblieben von der Rede?

Ja. Man muss heutzutage sehen, dass die Aussagen des russischen Präsidenten Putin sehr authentisch hier vermittelt werden über die Medien, die frei sind – und das ist vielleicht der Unterschied zur Zeit des Kalten Krieges. Deswegen kann man heute selber nachvollziehen, was bei dieser Rede wirklich die zentrale Botschaft gewesen ist. Aus meiner Sicht gab es eine doppelte Botschaft.

Die Darstellung in militärischer Hinsicht, was die Waffensysteme anbetrifft, hat eines klar vermittelt: Die Russische Föderation und auch der Präsident der Russischen Föderation stehen für militärische Stabilität. Und die Waffensysteme, die vorgestellt wurden, sind Ausdruck dieses Bemühens, auf allen Ebenen zwischen konventionellen und strategischen, nuklearen Streitkräften glaubwürdig zu sein.

Aber zweitens macht das auch deutlich, wie weit wir uns von unseren Hoffnungen entfernt haben, und das muss sich in erster Linie der Westen fragen lassen. Denn bevor ich zur militärischen Stabilität komme, muss ich mich doch fragen, ob ich eine Stabilität in politischer, diplomatischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht bekommen kann, und da hat man einfach aus meiner Sicht in den zurückliegenden Jahrzehnten die ausgestreckte Hand des russischen Präsidenten Putin schnöd zurückgewiesen und hat das genaue Gegenteil von politischer Stabilität auf dem eurasischen Kontinent angestrebt.

Wobei die Hand Putins anscheinend immer noch ausgestreckt ist. Der Präsident sagte auch: einen Nuklearkrieg kann niemand gewinnen. Also lasst uns lieber miteinander reden.

Ja. Was ist denn in der Zeit des Kalten Krieges bewirkt worden? Die Konferenz von Jalta bedeutete, und zwar auf sowjetisches Wirken hin, dass Krieg eigentlich von der Welt verbannt werden sollte. Das war das Ergebnis des Zweiten Weltkrieges. Deswegen gab es das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen und die Möglichkeit des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, dieses Gewaltmonopol der Vereinten Nationen zu bestimmen.

Die Zeit des Kalten Krieges war davon bestimmt, es nicht zum Schlimmsten kommen zu lassen.

Was die Vereinigten Staaten seit Ende des Kalten Krieges 1990 betreiben, ist die Rückkehr zu einer internationalen Ordnung, wie sie bis 1939 in der allgemeinen Verfügbarkeit des Krieges bestand.

Vor diesem Hintergrund muss ich mich, wenn ich die ausgestreckte Hand des russischen Präsidenten Putin sehe, heute fragen, wo denn die westlichen Vorgehensweisen sind, um mit der vom Westen selbst geschaffenen Situation fertig werden zu wollen? Das heißt, die ausgestreckte Hand des russischen Präsidenten Putin wird von der eisernen Faust des Westens beantwortet. Damit kann ich keinen Frieden und keine Sicherheit und keine Stabilität im wahrsten Sinne des Wortes auf dem euro-asiatischen Kontinent schaffen.

In der Rede des russischen Präsidenten ging es nicht nur um Waffen und Rüstung. Als den größten Feind Russlands bezeichnete Putin nicht die USA, sondern die Rückständigkeit seines eigenen Landes.

Ja, das ist die schonungslose Art, die wir beim russischen Präsidenten Putin in der Darstellung der Russland betreffenden Probleme seit langem erleben. Wir haben gesehen, dass Putin eigentlich die Antwort auf Boris Jelzin und die Zeit gewesen ist, als Russland über das Ende des Kalten Krieges hinaus zusammenzubrechen schien. Putin hat diese Entwicklung gestoppt.

Das werden wir jetzt auch bei den bevorstehenden Wahlen sehen, wie die Antwort der russischen Wähler darauf ist. Aber ein schonungsloses Bild zu zeichnen, ist ehrenwert. Das ist etwas, was man sich bei uns auch wieder angewöhnen sollte. Denn was Putin deutlich macht, offen zu sagen, wo die Probleme sind, wird doch hier im Westen übertüncht. Sie müssen sich nur die Instabilität des Westens insgesamt ansehen, um zu wissen, was das bedeutet.

Das komplette Interview mit Willy Wimmer zum Nachhören:

Quelle: Sputnik

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