Theresa May und die Lizenz zur Randale

Natürlich ist es das legitime Recht eines jeden Staates, Straftaten aufzuklären, die auf seinem Territorium begangen werden. Es ist seine Pflicht, wenn er als Staat in der internationalen Gemeinschaft respektiert werden will. Das gilt auch für den Vorgang in Salisbury, bei dem laut Medien immerhin vieles auf einen Einsatz von Gift hinweist.

Von Willy Wimmer

Bei der staatlichen Aufgabe, die jüngsten Ereignisse in Salisbury aufzuklären, sollte auch die Bundesregierung jedem britischen Ersuchen auf Hilfe oder Unterstützung bei kriminaltechnischen Untersuchungen dann entsprechen, wenn derartige Wünsche an sie durch die britische Regierung herangetragen werden oder es sich anbietet.

Auf der Insel stirbt es sich schneller

James Bond scheint so etwas wie die Ikone des Vereinigten Königreiches zu sein, wenn es darum geht, im britischen Staatsinteresse den Colt ziehen zu müssen. Der angesehene Wissenschaftler David Kelly musste das erleben, als man ihn an einer Feldhecke hingemordet fand, nachdem man ihn verdächtigt hatte, der latent vorhandenen britischen Kriegslust, diesmal beim Einmarsch in den Irak, Sand ins Getriebe geschaufelt zu haben. Jedenfalls hat der ehrenwerte Herr Kelly das britische und internationale Lügengespinst zur Begründung des Irak-Krieges nachhaltig durchlöchert.

Der Preis dafür war hoch. Er bezahlte sein Verantwortungsbewusstsein mit dem Leben. Es ist nicht bekannt, dass seinerzeit ein derartiger Aufklärungsfuror an den Tag gelegt wurde, wie dies jetzt durch die britische Premierministerin bei den „Salisbury Tales“ geschieht. Merkwürdig genug, wenn zwar keine Beweise präsentiert werden, dafür aber einem anderen Land eine Vorverurteilungsliste zugestellt wird.

Raushalten: Unter den von Theresa May geschaffenen Umständen erste deutsche Staatspflicht

Was die britische Premierministerin gestern im britischen Unterhaus einem anderen Staat unterstellt hat, nennt man „Beweisführung“. Es ist eine britisch-russische Angelegenheit, sich mit Frau May zu beschäftigen. Die natürlichste Aufgabe der deutschen Politik ist, sich aus diesem Streitfall herauszuhalten.

Das allerdings wird so leicht nicht möglich sein, wie frühe Äußerungen des britischen Außenministers Boris Johnson deutlich machen. Das übliche Spiel gegen Russland soll aufgezogen werden – diesmal vor der Fußball-Weltmeisterschaft. Am besten direkt vor der russischen Präsidentschaftswahl in wenigen Tagen, am 18. März 2018. Wenn das keine Wahlbeeinflussung ist, wenn man spektakulär mit einem Ultimatum kommt? Soll um 5.45 Uhr wieder zurückgeschossen werden? Was passiert denn heute Abend, wenn eine russische Antwort ausbleibt? Übt sich London wieder gewohnheitsmäßig in der Rhetorik des Krieges?

Angebliches russisches Sündenregister ist Ausdruck einer westlichen Hybris

Von der Ukraine über die Krim bis nach Syrien: Es war der Westen, der die Welt ins Elend stürzte. Während der Westen seit dem ordinären Angriffskrieg gegen Jugoslawien im Jahre 1999 das internationale Recht und vor allem die Charta der Vereinten Nationen zur Ruine zerschoss, handelte Moskau auf Basis des internationalen Rechts. Das hat London, Paris und Washington nicht gepasst, weil man sich die „Lizenz zum Kriegführen“ vorbehalten wollte.

Doch das ändert nichts an den Umständen. Theresa May besitzt noch die Unverfrorenheit, trotz Mangels an jeglichen Beweisen zu Salisbury die EU und die Nato ins Spiel zu bringen. So betreibt man im westlichen Szenario Kriegsvorbereitung, löst jedoch keine Kriminalfälle. Gleiwitz und Tongking lassen grüßen.

Quelle: Sputnik