Britisch-russische Gift-Geschichte: Konsequenzen in Syrien?

Die britische Giftgas-Geschichte mag man als Posse abtun, sie scheint es aber nicht zu sein. Eine weitergehende Syrien-Militäraktion wird psychologisch vorbereitet, wie die Sachlage vermuten lässt.

Von Viribus Unitis/Contra Magazin

Die letzten Wochen wurde die Weltöffentlichkeit mit einer surreal anmutenden britisch-russischen Gift-Geschichte in Atem gehalten. Was manche als Posse sehen könnten, die Theresa May anzettelte, um von innenpolitischen Themen abzulenken, könnte durchaus weitergehende Gründe haben – Gründe die man in Syrien suchen sollte – und die mit dem Suez-Kanal zu tun haben.

Russischer Chemie-Anschlag: Nichts passt, aber alles wird verwendet 

Natürlich kann man sich fragen, warum die Russen dies tun, also diese Gift-Aktion machen sollten. Der Zeitpunkt, 14 Tage vor der russischen Präsidentenwahl erfolgte die Vergiftung, ist denkbar ungeeignet – für Putin, aber denkbar geeignet für andere Interessenten. Das angeblich verwendete Nevengift heisst „Novichoc“ – ein alter sovietischer Kampfstoff. Die Russen verwendeten also einen alten Soviet-Kampfstoff, damit man möglichst schnell erkennt, dass es Russen waren. Das wäre aber nicht sehr intelligent von den Russen.

Die britische Regierung hat die UN-Chemiewaffen-Akteure eingeschaltet, vor denen sollte sich Russland erklären, bzw. diese sollen nun die britischen Proben prüfen. Russland selbst erhält – trotz Anforderung – keine Proben des Kampfstoffes.

Der britische Außenminister Johnson erklärte, die Beweise – die man nicht veröffentliche – würden zu 99,98 Prozent einen russischen Anschlag, und zwar organisiert durch die russische Regierung, belegen.

Die Briten haben Sanktionen deswegen verhängt – und zwar gegen die Russen. Die USA, zeitlich damit abgestimmt, haben auch Sanktionen gegen Russland verhängt, und zwar wegen der angeblichen Wahleinmischung Russlands.

Diesen beiden Sanktionen wurden Profi-Claqueure beiseite gestellt, nämlich Franzosen und Deutsche, die „ihre Unterstützung“ für USA und Briten verkündeten. Franzosen und Deutsche sind dabei nur Statisten in einem britisch-amerikanischen Drama, wobei die USA die Regie führen. In den USA wiederum führt der CIA die Regie und dahingehend Ex-CIA-Chef Pompeo, der nun zum Außenminister wurde.

Das ist alles sehr viel Aufwand, zu viel Aufwand, als dass dies alles nur zur Ausweisung von 23 russischen Diplomaten gedacht gewesen sein könnte. Wenn es für weitergehende Aktionen dienen sollte, dann darf man sich fragen – für welche?

Welt-Inventur: Einsatz chemischer Waffen gibt es sonst nur in Syrien

Mit solchen Aktivitäten sollte die Bevölkerung normalerweise auf etwas vorbereitet werden – fragt sich nur auf was? Klärung kann eine Inventur bringen. Inventur dahingehend, wo denn noch Chemiewaffenanschläge gemacht werden. In Afghanistan – nein, Westafrika (Mali-Einsatz) – nein, Jemen – nein, Libyen – nein, irgendwo sonst auf der Welt – eigentlich nein. Oder doch – ja – in Syrien.

Aus Syrien kommen immer wieder Meldungen, die Assad-Truppen hätten dort Chemiewaffen eingesetzt. Und in Syrien ist Russland der militärisch bestimmende Faktor. Ist da etwas für Syrien im Gange?

Mit einem mal kommen auf Fernsehsendern Meldungen, eine UN-Studie habe ergeben, dass syrische Frauen im Rahmen der Kämpfe sexuellen Übergriffen ausgesetzt seien. Die UN hat sich nicht daran gestört, dass syrische Frauen von den West-unterstützten Islam-Fundamentalisten gesteinigt wurden – und nun Aufregung wegen sexueller Belästigung? Steinigung egal, sexuelle Belästigung aber nicht?

Ehemals damals hatte Obama eine rote Linie für Syrien installiert – die er dann aber nicht einhielt. Die Linie war, dass wenn es zum Einsatz chemischer Waffen käme, die USA eingreifen würden.

Vorausgegangen war, die Abgabe aller Chemiewaffen, die Assad hatte, an die internationale Gemeinschaft. Dann war ein Chemie-Anschlag in Syrien, den Assad angeblich begangen hatte. Kurz darauf wurde der Exil-Russe Litvinenko angeblich von „russischen Agenten“ in London vergiftet. Und weiter kurz darauf, setzte der Westen ganz offen seine Aktivitäten auf Seiten der Anti-Assad-Kräfte.

Kann es sein, dass wir in naher Zukunft wieder einen Chemiewaffeneinsatz sehen werden, den man wieder – wie immer – Assad zuordnet? Kann es sein, dass dabei vielleicht sogar der gleiche russische Kampfstoff, also Novichok, von „unabhängigen Experten“ nachgewiesen wird? Kann es sein, dass der Westen dahingehend eine rote Linie überschritten sieht und militärisch voll gegen Assad vorgeht?

Reale Albträume der NATO: Kontrollverlust über das östliches Mittelmeer und den Suez-Kanal 

Nun mag man sich fragen, wegen Syrien so ein Aufwand – warum denn? Ein bisschen Wüste, ein bisschen Öl (grad mal etwas mehr als zur Selbtversorgung notwendig), ein bisschen Mittelmeerstrand – und deshalb so ein Aufwand. Nein, das alleine wäre den Aufwand nicht wert.

Nun könnte man meinen, Syrien ist ein Baustein im Rahmen der chinesischen Belt-and-Road-Initiative, also der neuen Seidenstraße, also es geht vielleicht um wirtschaftliche Interessen. Es geht darum, China wirtschaftlich in der Region zu stoppen. China ist im Libanon schon sehr stark und könnte nun auch in Syrien wirtschaftlich sehr stark werden. Das könnte der Grund sein, ist er aber nicht. Tatsächlich aber gibt es einen anderen, viel gewichtigeren Grund.

Das Problem für die NATO heißt: Russland in Syrien, Russlands Militär in Syrien. Russland hat mit Syrien gerade Stationierungsverträge abgeschlossen – für Latakia als Luftwaffenbasis, und für Tartus als Marinebasis. Die Verträge laufen ab 2017 – für 49 Jahre.

Russland hat Luftabwehrbatterien – Typ S400 – in Latakia, Syrien stationiert. Die Reichweite dieser Luftabwehrbatterien schließt den türkischen NATO-Stützpunkt Incirlik ebenso ein, wie die britische Luftwaffenbasis Akrotiri auf Cypern. Das heißt, die NATO fliegt dort nur, weil die Russen es passiv zulassen – sie könnten jedes Flugzeug das dort fliegt, mit Ihren S400- Batterien vom Himmel holen.

Der syrische Hafen Tartus war schon immer Stützpunkt der Russen – also vorher der Sowiets. Allerdings nur Stützpunkt. Eine Mannschaft von 50-60 Mann mit einem Reparaturschiff war hier stationiert, die bei Bedarf ins Mittelmeer hinausfuhr, um russischen Kriegsschiffen die einen Maschinenschaden hatten, zu helfen. Eine Art ADAC-Stützpunkt für Kriegsschiffe war dies ehemals, und damals nicht von kriegswichtiger Bedeutung.

Russland baut nun gerade Tartus aus – zum Kriegshafen erster Ordnung. Jede Art von Kriegsschiffen der russischen Marine soll dort abgefertigt werden. Wobei nicht nur Überwasserkriegsschiffe sondern auch U-Boote (mit Batterie-Tausch-Station) gewartet werden sollten.

Tartus soll Haupt-Kriegshafen für die russische Schwarzmeerflotte werden, die Russland im Schwarzen Meer nicht mehr braucht. Das Schwarze Meer kontrolliert Russland einerseits mit landgestützten Flugzeugen – so etwas hatten die Deutschen auch mal für die Ostsee, damals Marine-Flieger genannt – und andererseits kontrolliert Russland das Schwarze Meer mit Land-Batterien.

Russische Luftabwehr-Batterien des Typs S400 und russische landgestützte Anti-Schiffs-Batterien des Typs Bastion P beherrschen das Schwarze Meer. Eigene Kriegsschiffe brauchen die Russen dadurch im Schwarzen Meer nicht mehr. Das gleiche System läuft im Übrigen in der Ostsee, auch hier ist die baltische Flotte der Russen überflüssig – wird alles von Land mit Flugzeugen und Abwehrbatterien gemacht.

Die russische Schwarzmeerflotte, im Schwarzen Meer selbst überflüssig, kann Russland so als „östliche Mittelmeerflotte“ mit Haupthafen Tartus im östlichen Mittelmeer einsetzen, um dort der NATO die Seeherrschaft streitig zu machen – oder der NATO die Seeherrschaft in dem Gebiet überhaupt abzunehmen.

Zusammenhängend mit dieser Dominanz Russlands über das östliche Mittelmeer – und damit der Nord-Zufahrt zum Suez-Kanal, ist die Militärpräsenz des engsten Verbündeten von Russland, von China zu sehen. China hat eine Militärbasis in Dschibouti – Marine und Luftwaffe – mit einer Stationierungserlaubnis von bis zu 10.000 Mann. China kontrolliert so – mit anderen Mächten, die auch in Dschibouti sind, unter anderem die USA die 4.000 Mann dort haben – die Süd-Zufahrt zum Suez-Kanal.

Im Norden des Suez-Kanals die Russen, im Süden die Chinesen, eine Realtität, die ein NATO-Albtraum mit Horror-Qualität ist. Ein Albtraum, aus dem die NATO möglichst schnell wieder rauskommen möchte. Die Russen müssen raus aus Syrien – je eher desto besser.

Weitergehend hofft der Westen natürlich, wenn man Russland in Syrien substantiell schwächt, dann würde sich mit einem geschwächten Russland, möglicherweise auch die Ukraine lösen lassen.

Die militärische Situation in Syrien wird in einem eigenen Artikel dargestellt.