Neuer Putin, alte Merkel – was weiter? Interview mit MdB Robby Schlund

Dr. Robby Schlund, Mitglied des Deutschen Bundestages von der AfD, ist zusammen mit einer Gruppe von internationalen Experten und Parlamentariern zur Beobachtung der Präsidentenwahl in Russland eingeladen worden. Sputnik traf sich mit dem thüringischen Politiker und praktizierenden Arzt aus Gera.

Wahlen in Moskau

„Wir waren sehr positiv überrascht. Es war alles sehr gut organisiert und wir hatten jederzeit die Möglichkeit, ein Wahllokal unserer Wahl zu besichtigen. Wir haben dann einige angesteuert, insgesamt haben wir aber zeitlich nur sechs geschafft“, schildert Dr. Schlund seine Eindrücke nach seinen Besuchen.

Viele Dinge seien ein absolutes Novum im Vergleich zu den Wahlen der vergangenen Jahre in Russland gewesen – so seien besonders die elektronischen Wahlboxen auf das Interesse der Delegation gestoßen:

„Ich muss sagen, das mit den elektronischen Boxen finde ich eine gute Idee! Ohne elektronischen Boxen muss die Wahlkommission die Stimmen per Hand auszählen, das führt natürlich oft zu Nachzählungen. Mit diesen E-Boxen erspart man sich einfach diese überflüssigen Fehler und Mehrarbeit“

Der Delegation sei stets ausreichend Auskunft gegeben worden. Die Wahlbeobachter hätten die Verplombung der Wahlurnen überprüfen können und dürfen, ihnen sei auch Zugang zu allen Nebenräumen gewährt worden.

„Wir haben die Räume ohne Einschränkungen angeschaut. Dort war alles sehr korrekt und ordentlich. Insgesamt waren wir sehr positiv über die Organisation und den Ablauf überrascht. Ich denke, dass es die vielen anderen Beobachter auch so gesehen haben“, so Schlund.

Im Großen und Ganzen seien rund 1500 Wahlbeobachter und internationale Spezialisten in Russland unterwegs gewesen, zu denen unter anderem Parlamentarier aus vielen Ländern und auch Abgeordnete der AfD-Bundestagsfraktion gehört haben, um das Verfahren und die Transparenz der Wahl zu überprüfen.

Als junge Partei sei besonders die AfD bei der Wahlbeobachtung stark vertreten gewesen. Ein Grund dafür sei das starke Interesse der Opposition, sich in jeweilige Themen der Außenpolitik politisch einzuarbeiten und Hintergrundinformationen zu sammeln.

„Es gibt ja die OSZE–Beobachter, aber wir haben uns gesagt, dass das am Ende für eine objektive Beobachtung der Wahl nicht ausreicht, da Russland ein großes Land ist. Im Endeffekt würden die OSZE-Beobachter nur minimale Stichproben durchführen können“, erklärt der Politiker.

Jeder, der sich mit wissenschaftlicher Arbeit befasse, wisse doch, dass nur eine größere Anzahl von Stichproben solide Erkenntnisse über die Grundgesamtheit geben würden. In dieser Hinsicht sei es der AfD wichtig gewesen, eine große Delegation nach Russland zu entsenden.

„Deswegen ist es schon sehr komisch, dass grade die Zeitungen, die eigentlich einen großen Wert auf Seriosität und Wissenschaftlichkeit legen, schreiben, die AfD hätte fünf Leute gebraucht, weil sie zu dumm wären, mit einem Mann die Wahlen zu beobachten.“

Aber nur mit mehr Personen werde die Stichprobe einfach größer. Man hätte sich gewünscht, dass noch viel mehr Parlamentarier aus dem Bundestag, die ja zur Neutralität grundsätzlich verpflichtet seien, zur Wahlbeobachtung gefahren wären.

„Dinge, die vorgeworfen und in den Raum gestellt werden, müssen mit Fakten belegt werden. Letztendlich stand im Raum, dass die Wahlen in Russland nicht transparent, unfair und nicht nach den Standards der OSZE ablaufen. Für mich als Arzt und Politiker ist es wichtig, vor allem erst einmal die Fakten zu haben, um mir meine Meinung bilden zu können.“

Umso größer sei die „Farce“ um die Politik in Berlin:

„Unsere Außen- und Sicherheitspolitik ist nicht mehr tragbar. Es ist nicht die mehr Zeit vom Format Genschers, es herrscht eine ganz andere Zeit, wo Politik vom Hörensagen abgeleitet wird. Das geht aber einfach nicht – man muss Fakten checken und dann überlegen, ob etwas stimmt oder nicht.“

Sobald dann Klarheit darüber herrsche, ob die Wahlen legitim verlaufen seien, könne man sich der Unterhaltung über die zwischenstaatlichen Beziehungen und deren Zukunft zuwenden.

Deutschland und Russland

„Wir leben auf dem gleichen Kontinent und wir sind aufeinander angewiesen. Wie kann es da trotz der Konfliktlage gerade auch in der Zukunft weitergehen? Das sind die Fragen unserer Zeit. Manchmal hat man das Gefühl, dass unsere derzeitige Außenpolitik, unsere Regierung, nicht in der Lage ist, sich diese strategischen Gedanken zu machen, oder man muss unterstellen: Sie haben strategische Gedanken, aber erzählen sie niemandem. Und dann ist die Frage, warum eigentlich nicht“, so der Politiker.

Das Volk als Souverän habe aber das Recht zu erfahren, wie die Zukunft beider Länder aus Sicht von Berlin und des Kremls und als multipolares Zusammenleben im gemeinsamen Europa aussehen werde.

„In der Realpolitik braucht man sicher aktuelle und pragmatische Lösungen bei Problemen, aber momentan erscheint uns aus Oppositionssicht, dass die Altparteien weder dazu in der Lage sind noch dazu, in strategischen Formaten zu denken und Lösungen zu generieren. Sie leben tatsächlich politisch nur noch von der Hand in den Mund oder sie haben einfach keinen Willen mehr dazu.“

Genau deswegen die Schlussfolgerung: Die AfD müsse sich selbst ein Bild von der Welt machen. Wenn Berlin keine Strategie vorweise, wolle die AfD-Opposition Positionspapiere erarbeiten, die nicht nur taktische, sondern auch operative und strategische Szenarien und Lösungen für die nächsten zehn bis 15 Jahre enthalten.

„Wenn es irgendwann Neuwahlen geben wird, wird es meiner Meinung nach unser nächster Wahlerfolg. So wie die Regierung zusammengestellt ist, wird das nicht mehr ewig gehen. Wir werden die vier Jahre vermutlich nicht schaffen.“

Neuer Putin, alte Merkel

„Ich sage Ihnen einfach mal meine persönliche Sicht: Frau Merkel sagt uns natürlich nicht, was sie denkt. Aber man bekommt im Großen und Ganzen schon das Gefühl, dass Berlin tief innendrin froh ist, dass Herr Putin die Wahl wieder gewonnen hat, weil er nach wie vor ein verlässlicher Partner ist und im Osten eine stabile Politik in den nächsten Jahren weiterführen wird“, sagt der Politiker.

Man müsste also aus der Sicht der deutschen Regierung keine Angst vor Reaktionen haben, auch wenn man die Kriegstrommel rühre und russophobe Propaganda betreibe.

„Ich denke schon, dass die Bundesregierung weiß, dass sie mit Putin einen sehr guten Diplomaten und einen sehr ruhigen und auch geduldigen Partner hat.“, so Schlund.

Im Unterschied zu anderen politischen Parteien sehe die AfD kein Problem darin,  die Wahl des russischen Volkes zu akzeptieren. Und dass das Volk gewählt hat, davon konnte sich Dr. Schlund ja unmittelbar vor Ort überzeugen.

„Diese Dinge machen doch eine multipolare Welt aus. Wir können nicht einfach schulmeisterlich  sagen, wir hätten gern den oder den, nur weil er vielleicht die Dinge so macht, wie wir sie gerne hätten. So etwas funktioniert einfach nicht. Schauen Sie doch einfach nach Libyen etc. Da werden immer Endloskonflikte draus.“

Wenn man die Wahlen in Russland und Deutschland vergleiche, dann sehe man zwar die gleichen Personen (Merkel und Putin) wieder, aber auch Unterschiede:

„Beim Herrn Putin steigt die Wählergunst, und bei Merkel fällt sie rapide, das ist der entscheidende Unterschied. Und die Wähler sind nun mal das Volk, und sie haben unserer Frau Merkel eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie sie eigentlich als Kanzlerin nicht mehr haben wollen.“

Wenn das Volk seinen Präsidenten mit einer großen Mehrheit gewählt habe, mit einer Mehrheit, von der Merkel als Kanzlerin nur träumen könne, dann bestehe kein Zweifel, dass Putin legitimiert sei.

Die AfD sei jedoch leider nicht in der Regierungsverantwortung, sonst hätte man die Beziehungen zu Russland in kürzester Zeit wieder normalisieren können.

„Deshalb fangen wir unsere Kooperationsarbeit zunächst auf der zivilgesellschaftlichen Ebene an: Gespräche mit Geschäftsleuten, mit Ärzten, mit Leitern von Kindereinrichtungen, Schulleitern. Mit dem ‚mittleren Management‘ sozusagen. Dort sollte und muss es die ersten Annäherungen geben. Hier werden vertrauensbildende Maßnahmen initiiert, die zusammenführen und nicht trennen. So entstehen Freundschaften und das hat natürlich Multiplikations-Charakter.“

Schlund berichtet weiter über das oftmals falsche Bild der deutschen Bevölkerung über Russland:

„Es ist immer noch so, dass viele Leute, die noch nie hier in Russland waren, tatsächlich aber völlig unbegründet Angst haben. Dieses falsche Bild wird in der Tat bewusst von den westlichen Medien in unisono gesungen. Nicht selten werde ich von Menschen in Deutschland gefragt: Herr Schlund, Sie fahren schon wieder nach Russland?  Haben Sie denn da keine Angst? Sie sind dann ganz erstaunt, wenn ich herzhaft lache und sage, weniger als des Nachts in den Straßen deutscher Großstädte. Bewusst wird medial in Westeuropa versucht, die Menschen davon abzuhalten, sich selbst ein Bild vom modernen Russland und den Bürgern dort zu machen. Aber das ist wirklich absurd!“

Dabei gäbe es so viele Möglichkeiten, an gemeinsamen Projekten zu arbeiten, Konferenzen durchzuführen, Arbeiten in verschiedenen Aspekten zu bündeln und Menschen auf allen gesellschaftlichen Ebenen zusammenzubringen.

Denn Deutsche und Russen hätten mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede, betont der Bundestagabgeordnete.

„In unseren Kulturen gibt es so viele Gemeinsamkeiten. Wir haben die meiste Zeit unserer Geschichte zusammen und in gegenseitigem Respekt verbracht. Es gab einige schlimme Zeiten, die natürlich nicht vergessen werden können, aber diese sind letztendlich vorbei und es wird auch nicht wieder dazu kommen. Dafür setze ich mich mit ganzer Kraft ein. Wir werden in diesem Sinne die Leute in allen Ebenen der Gesellschaft freundschaftlich zusammenbringen. Denn Freunde schlägt man nicht. Das ist ganz einfach.“

Quelle: Sputnik