Anstatt Anhängsel der USA und deren Eliten zu sein, muss sich Europa grundlegend neu ausrichten. Die Zukunft des Kontinents steht auf dem Spiel.
Von Marco Maier/Contra Magazin
Mehrere Jahrhunderte lang haben die europäischen Mächte quasi das Weltgeschehen bestimmt. Teils durch die Kolonialreiche, teils auch durch die technologische Führerschaft. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde dies zwar zunehmend auf die Vereinigten Staaten von Amerika verlagert (und mit dem Zerfall des kommunistischen Ostblocks schien der Siegeszug der Amerikaner nicht mehr aufzuhalten zu sein), doch auch das «amerikanische Jahrhundert» neigt sich unaufhaltsam dem Ende zu. Ein Umstand, dem man in Europa noch größtenteils mit Realitätsverweigerung begegnet.
Anstatt sich auf die sich verändernden geopolitischen und weltwirtschaftlichen Veränderungen einzustellen und den Kontinent sozusagen für das 21. Jahrhundert «fit» zu machen, klammert man sich weiterhin an die transatlantische Idee. Selbst die überzeugtesten Eurokraten, die aus den vielen Ländern des Kontinents quasi ein US-Gegenstück in Form der «Vereinigten Staaten von Europa» formen wollen, können sich von dieser Partnerschaft über den «großen Teich» nicht lösen. Dies wird auch immer wieder im Verhalten Russlands gegenüber deutlich, wo man auf Feindseligkeiten setzt, anstatt den «großen Nachbarn im Osten» als strategischen Partner zu sehen.
Zwar versucht man in Moskau stets von «unseren Partnern» in Europa und den USA zu sprechen, doch diese verhalten sich nicht so. Kein Wunder also, dass sich die Russen trotz der Gefahren der wirtschaftlichen Abhängigkeit inzwischen lieber mit den Chinesen – der wohl künftig stärksten Supermacht der Welt – verbünden, selbst wenn man mit dem südöstlichen Nachbarn auch diverse Probleme hat. Die Europäer haben ihre größte Chance vergeben, neben den USA und China zusammen mit den Russen eine dritte globale Macht zu etablieren, die in der multipolaren Weltordnung der Zukunft weiterhin eine wichtige Rolle spielen könnte.
Europas Zukunft ist transkontinental, nicht transatlantisch. Anstatt auf Feindbilder zu setzen, hieße es vielmehr einen Mix aus Souveränität und Kooperation zu etablieren. Ein Staatenbund von Lissabon bis Wladiwostok, der natürlich in erster Linie die Umsetzung der eigenen Interessen verfolgt, gleichzeitig jedoch sowohl mit den Amerikanern (plus Anhang) und den Chinesen (plus Anhang) in weiten Bereichen kooperiert – zum Beispiel durch Handelsverträge, wissenschaftliche Zusammenarbeit und diverse Sicherheitsabkommen. Nur so kann auch sichergestellt werden, dass globale Hegemonialansprüche, wie sie derzeit zum Beispiel von den US-Eliten vertreten (und deren «Alliierten», vulgo «Vasallen» unterstützt) werden, keine Chance mehr haben.
Klammern sich die Europäer jedoch weiterhin an die Amerikaner, werden sie gemeinsam mit ihnen untergehen, während die Chinesen und wahrscheinlich noch andere aufstrebende Mächte schlussendlich das Ruder übernehmen werden. Der «alte Kontinent» wird geopolitisch und weltwirtschaftlich nur mehr eine globale Randregion darstellen, weil man sich weigert mit dem natürlichen Partner – das heißt Russland – zusammenzuarbeiten, um auch in den nächsten 100-200 Jahren noch etwas bewegen zu können.