Die deutsche Hilfsorganisation „Zukunft Donbass“ möchte ein MRT-Gerät an ein Krankenhaus in Lugansk schicken. Trotz politischer Behinderung gelingt es dem Aktionsbündnis seit zwei Jahren, medizinische Hilfslieferungen in die nicht anerkannte Volksrepublik in der Ostukraine zu senden. Auf ihre Arbeit wurde nun auch das Auswärtige Amt aufmerksam.
Iwana Steinigk ist glücklich, aber auch wütend. Die Organisatorin von Hilfstransporten in die nicht anerkannte Volksrepublik Lugansk in der Ostukraine ist berührt von der Vielzahl an Spenden aus der deutschen Bevölkerung für die Menschen im Donbass. Zugleich ärgert sie die einseitig negative Berichterstattung über Russland und die ukrainischen „Separatisten“ in den deutschen Medien und die Ignoranz der westlichen Politiker.
Hinter dem Aktionsbündnis „Zukunft Donbass“ stecken gerade einmal fünf bis sechs Personen um das Mutter-Tochter-Gespann Raisa und Iwana Steinigk, die sich in Sachsen und Thüringen unermüdlich für die Menschen im Donbass einsetzen, Informationsveranstaltungen organisieren, Menschen um Spenden bitten und sich an Krankenhäuser und Unternehmen wenden. Raissa Steinigk ist russischstämmige Ukrainerin. Ihre in Deutschland aufgewachsene Tochter Iwana erzählt im Sputnik-Interview:
„Wir bekommen sehr viele Zuschriften von Leuten, die das gut finden, was wir machen, die uns unterstützen wollen. Und wir haben bisher noch keine negativen Äußerungen bekommen. Ich denke, der Kreis der Leute wird immer größer, die mit der offiziellen Interpretation oder Leslinie nicht mehr einverstanden sind oder die der Meinung sind, dass da nur die halbe Information rüberkommt.“
15 Tonnen Spezialtransport ins Kriegsgebiet
Nun ist es den Aktivisten gelungen, von einem Lieferanten für medizinische Geräte in Bayern eine Magnet-Resonanz-Tomographie-Anlage (MRT) als Spende zu bekommen. Das 20 Jahre alte Gerät soll an das städtische Krankenhaus Nr.7 in Lugansk übergeben werden. Es wäre das erste MRT, das von einer deutschen Hilfsorganisation in die Volksrepublik Lugansk gebracht wird. Bisher gibt es in ganz Lugansk nur ein, dazu noch bedeutend älteres, MRT-Gerät für die circa 1,2 Millionen Einwohner der Volksrepublik.
Für den Spezialtransport der 15 Tonnen schweren MRT-Anlage nach Lugansk braucht der Verein nicht nur einen LKW, sondern auch einen Hebekran. Außerdem muss ein Techniker mitreisen, der das Gerät in Lugansk wieder zusammenbaut. So sind allein für den Transport 5000 Euro veranschlagt, wofür das Aktionsbündnis gerade Spenden auf der Plattform Better Place sammelt. Parallel wird ein weiterer Transport mit OP-Tischen, vier Tonnen Kindernahrungsmitteln und drei Tonnen Klinikwäsche vorbereitet, für den ebenfalls zu Spenden aufgerufen wird.
Nur über den Umweg Russland
„Zukunft Donbass“ hat bereits mehrere Hilfstransporte an zwei Krankenhäuser in Lugansk und Perwomajsk in der Lugansker Volksrepublik organisiert. Die beiden Krankenhäuser übergeben „Wunschlisten“, die die deutschen Aktivisten dann abzuarbeiten versuchen. So konnten seit 2016 viele Tonnen medizinische Geräte, Verbandsmaterial und chirurgische Instrumente in den Donbass geliefert werden, wie Sputnik berichtete.
Für den Transport nutzt das Aktionsbündnis eine belarussische Spedition, da kein deutsches Unternehmen bereit ist, in die vom Bürgerkrieg betroffenen Gebiete zu fahren.
Auch müssen die LKW den teureren Umweg über Russland nehmen, da die Lieferungen kleinerer Hilfsorganisationen von der Ukraine nicht über den direkten Weg durch die Ukraine in die Volksrepubliken gelassen werden. Auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke äußerte die Bundesregierung, dass sie Hilfslieferungen in die Volksrepubliken grundsätzlich befürwortet, jedoch nur, wenn sie den offiziellen Weg über die Ukraine nehmen. Dies ist laut Steinigk jedoch so gut wie unmöglich:
„Solange man sich nur auf die humanitären Aspekte konzentriert, hat die deutsche Regierung nichts dagegen oder auch keine Möglichkeiten, zu intervenieren. Worauf man nur immer wieder hingewiesen wird, ist, dass es zwischen der Ukraine und der Bundesrepublik Absprachen oder Vereinbarungen gibt, an die man sich bitte zu halten hat. Zum Beispiel, dass man den vorgeschriebene Transportweg einzuhalten hat, dass man diese Gebiete im Osten der Ukraine auf dem innerukrainischen Weg anzufahren hat. Das funktioniert aber in der Praxis nicht.“
Anruf vom Auswärtigen Amt
Es gab sogar eine Beschwerde der ukrainischen Botschaft beim Auswärtigen Amt über das Aktionsbündnis „Zukunft Donbass“. Der Vorwurf lautete nicht überraschend: illegale Einreise in die Ukraine über die nicht anerkannte Grenze zwischen den Volksrepubliken und Russland. Daraufhin rief das Auswärtige Amt sogar bei Frau Steinigk an:
„Die haben uns ausgefragt: was wir machen, warum wir das machen, wie wir das machen. Wir hatten ein langes Telefonat. Am Ende sind wir so auseinandergegangen, dass wir unsere humanitäre Arbeit weiter durchführen werden. Wenn es für uns möglich wäre, würden wir gern den kürzeren Weg durch die Ukraine nehmen. Da wir aber nach Anfragen bei den ukrainischen zuständigen Behörden keine Antwort bekommen haben, müssen wir leider auf die andere Strecke ausweichen“, so Iwana Steinigk.
Unterstützung aus der Bevölkerung – Zurückhaltung aus der Politik
Die Beschaffung der Hilfsmittel und das Gewinnen von Spenden gestaltet sich für die Aktivisten ambivalent. Auf der einen Seite gibt es eine verhältnismäßig große Sympathie und Unterstützung aus der Bevölkerung und auch eine gute Zusammenarbeit mit deutschen Krankenhäusern, aber auch mit der Evangelische Kirche oder Produzenten von Babynahrung. Als Spender werden Kliniken, Arztpraxen oder Hersteller medizinischer Geräte angesprochen, die Geräte aussortieren und dem Hilfsprojekt unentgeltlich zur Verfügung stellen.
Allerdings erhält das Aktionsbündnis keinerlei politische Unterstützung. Und viele Unternehmer halten sich aufgrund der politischen Ausrichtung des Westens in Bezug auf den Ukrainekonflikt lieber zurück. Entsprechend berichten die großen Medien nicht über die Arbeit der Donbass-Unterstützer.
„Es handelt sich für mich nicht um Separatisten“
Zu dem Vorwurf, dass das Aktionsbündnis quasi die „Separatisten“ unterstützt, meint Steinigk:
„Es handelt sich für mich bei den Menschen dort nicht in erster Linie um Separatisten, mit dieser Negativkonnotation, sondern um Menschen in einer Region in der Ostukraine, die sich für etwas Anderes entschieden haben, als ihnen von Kiew im Sommer 2014 angeboten wurde. Der größte Teil der Bevölkerung dort ist völlig unverschuldet in diesen bürgerkriegsähnlichen Zustand geraten. Politische Differenzen werden dort eben auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen. Und denen wollen wir helfen.“
Noch immer finden fast täglich Angriffe von Seiten der ukrainischer Armee und Freischärlerkorps auf Städte und Dörfer in den selbsternannten Volksrepubliken Lugansk und Donezk statt. Auch Krankenhäuser geraten immer wieder unter Beschuss, werden von Granaten getroffen und beschädigt. Die verletzten Menschen müssen medizinisch versorgt werden. Entsprechend ist die Aufrechterhaltung der Arbeit der Ärzte und des Krankenhauspersonals lebensnotwendig für die Region.
Seit September engagiert sich das Aktionsbündnis „Zukunft Donbass“ auch für drei Kinderheime in Lugansk. Für die Jüngsten werden Kinderkleidung, Schulmaterialien und Spielzeug gesammelt. Ein Transport mit Spenden für die Kinder traf zu Weihnachten in Lugansk ein.
Sie finden den Verein auf der Website www.zukunft-donbass.org.
Spenden können Sie hier.
Das komplette Interview mit Iwana Steinigk zum Nachhören:
Quelle: Sputnik