Assad als Garant: So lange bleiben russische Stützpunkte trotz Bombenhagel — Experten

Russlands Vertreter bei der OPCW, Alexander Schulgin, hat den britischen Geheimdiensten vorgeworfen, gemeinsam mit den USA den jüngsten Chemiewaffenangriff im syrischen Duma inszeniert zu haben. Unterdessen sagen Experten voraus, wie sich die Situation weiter entwickeln wird und welche Rolle die syrische Regierung dabei spielt.

„Wir sind nicht nur ‚ziemlich überzeugt‘ (…), sondern haben auch unwiderlegbare Beweise dafür, dass es am 7. April in Duma keinen Zwischenfall gab und dass dies eine im Voraus geplante Provokation der britischen Geheimdienste war, an der sich möglicherweise auch ihre ‚älteren‘ Verbündeten aus Washington beteiligten“, betonte der Diplomat.

Russland hatte zuvor einen Resolutionsentwurf in den UN-Sicherheitsrat eingebracht, dem zufolge der jüngste Raketenangriff der USA, Großbritanniens und Frankreichs verurteilt werden sollte. Das Dokument wurde jedoch abgelehnt.

Moskau ließ sich nicht gefallen, dass der Raketenschlag vor der Syrien-Reise von OPCW-Experten erfolgte, die in Duma nach Spuren von Chemiewaffen suchen sollten.

In diesem Zusammenhang ist erinnernswert, dass auch der US-Einsatz im Irak in den frühen 2000er-Jahren begonnen hatte, als Washington behauptete, Saddam Hussein hätte illegal Massenvernichtungswaffen entwickelt. Später wurde jedoch bewiesen, dass diese Behauptungen grundsätzlich falsch gewesen waren.

Die in Syrien entstandene Situation ist auch für die OPCW prekär, denn ihre Experten hatten noch 2014 bestätigt, dass alle syrischen Chemiewaffen entsorgt worden waren.

Der Nahost-Experte Theodore Karasik von Gulf State Analytics schloss aber in einem Beitrag für „Arab News“ nicht aus, dass der syrische Präsident Baschar al-Assad doch immer noch über Chemiewaffen verfügen könnte.

Dieser Auffassung stimmte auch der frühere Leiter des israelischen Nachrichtendienstes Mossad, General Danny Yatom, zu: „Niemand weiß genau, wieviel Prozent der Chemiewaffen aus Syrien ausgeführt wurden. Man braucht ja nicht 100 Tonnen Giftstoff, um 60 Menschen zu töten und mehrere Hunderte Menschen zu verletzen“, sagte er in einem Interview für die russische Online-Zeitung Gazeta.ru.

In Moskau schließt man allerdings  aus, dass die Assad-Truppen Giftstoffe eingesetzt haben könnten, und spricht von einer Provokation der Assad-Gegner.

Die Expertin des russischen Diskussionsklubs „Waldai“ Irina Swjagelskaja vom russischen Institut für Orientalistik findet ihrerseits, dass der jüngste Syrien-Schlag für den US-Präsidenten Donald Trump „eine Möglichkeit war, zu zeigen, dass er seine ziemlich harte Linie gegenüber Assad nicht aufgeben wird“. „Der Vorwand war natürlich fraglich, denn es gab keine objektive unabhängige Ermittlung. Das war offenbar tatsächlich eine Provokation, bei der Chemiewaffen angewandt wurden. Aber niemand gab sich auch richtig Mühe, nach Vorwänden zu suchen“, so die Expertin.

Der iranische Politologe Khamidrheza Azizi, ebenfalls „Waldai“-Experte, findet, dass die syrische Führung vom westlichen Raketenangriff sogar profitieren könnte: „Möglicherweise wird die syrische Regierung die öffentliche Meinung auf ihre Seite ziehen, indem sie die Situation als eine unmittelbare ausländische Verschwörung gegen die syrische Souveränität darstellen wird.“ Und da man in Moskau bereits erklärt hatte, dass die syrische Armee noch weitere Militärhilfe bekommen könnte, lassen sich nach seiner Auffassung „neue Schritte der syrischen Regierung gegen bewaffnete Kämpfer in verschiedenen Teilen des Landes erwarten“.

Dieser Meinung stimmte auch Swjagelskaja zu: „Die syrische Führung könnte davon profitieren, indem sie sagen würde: ‚Schaut her, wir wurden von drei größten Ländern angegriffen, haben aber die Effizienz unserer Verteidigung bewiesen.‘ Das wäre ein Mittel zur Mobilmachung.“

Die US-Zeitung „The Wall Street Journal“ schrieb indes am Montag, Präsident Trump hätte Schläge auch gegen russische und iranische Objekte in Syrien erwogen, aber das Pentagon hätte ihn überzeugt, darauf zu verzichten. Dennoch war das der erste US-Militäreinsatz in der neusten Geschichte gegen ein Land, in dem es russische Stützpunkte gibt. Dadurch ist Moskau in eine heikle Situation geraten, denn es unterstützt den syrischen Staatschef Assad, ohne aber einen Militärkonflikt mit den USA zu haben.

Dennoch zeigte sich Swjagelskaja überzeugt, dass Russland eine weitere Anspannung der Situation vermeiden werde. „Ich denke, wir werden im politischen Bereich handeln. Was die militärische Reaktion angeht, so wird Russland zurückhaltend bleiben, zumal die Luftabwehr einen wesentlichen Teil der Raketen abfangen konnte, und das ist auch ein Beweis für unsere Stärke und dafür, dass wir den syrischen Himmel effizient verteidigen“, so die Politologin.

Was die Ziele angehe, die Washington mit seinem Raketenschlag verfolgte, so habe es damit offenbar zeigen wollen, dass es keinen Dialog mit Assad führen wolle und an seinem möglichst schnellen Rücktritt interessiert sei. „Die USA hatten noch unter Präsident Obama erklärt, dass Assad Teil des Problems wäre. Die Russen sagten jedoch, er wäre Teil der Lösung“, sagte seinerseits General Yatom. „Meine Meinung ist so: Falls Assad weiterhin Teil der Problemlösung bleiben sollte, wird das nicht funktionieren. Meines Erachtens sollte Assad beseitigt werden – er hat keine Legitimität in Syrien, auch wenn die Russen und Iraner dagegen sind.“ Zugleich räumte der Israeli ein, dass Assads Positionen in letzter Zeit stärker geworden seien – vor allem dank der Unterstützung Russlands, dessen Luftstreitkräfte seit dem Herbst 2015 in Syrien stationiert seien.

Russland ist neben dem Iran der größte Protektor Assads, wobei Moskau und Teheran unterschiedliche Ziele verfolgen. Für den Iran ist wichtig, dass die alawitische Minderheit, der Assad angehört, an der Macht bleibt, so dass auch der Iran in Syrien weiter Einfluss ausüben könnte. Für Moskau ist Assad der Garant dafür, dass die russischen Stützpunkte in Syrien bleiben – und dadurch könnte es seinen militärpolitischen Einfluss im Nahen Osten aufrechterhalten.

Aber egal wie, räumten die Experten ein, es gebe für Assad aktuell keine Alternativen – und dadurch gerate die Situation in eine Sackgasse. Zwar bleibe er de jure das syrische Staatsoberhaupt, aber faktisch kontrolliere er nur einen Teil des Territoriums des Landes. Und angesichts dessen könne er nicht der Initiator des Friedensprozesses werden.

Den Schlüssel zur Regelung der Lage haben Russland, die Türkei und der Iran in ihren Händen, die sich aber nicht immer verständigen können. So begrüßte Ankara beispielsweise den amerikanisch-britisch-französischen Raketenschlag gegen Syrien – und das ist ein Zeichen dafür, dass es zwischen den Partnern Probleme gibt.

Quelle: Sputnik