Die Erklärung der G7-Außenminister nach ihrem zweitägigen Treffen in Toronto besteht fast vollständig aus Klischees der US-Propaganda und widerspricht ihren früheren Erklärungen. Angesichts dessen stellt sich die Frage: Ist es für Russland überhaupt sinnvoll, mit Ländern zu verhandeln, die nicht selbstständig sind, wenn sie Entscheidungen treffen?
In der Abschlusserklärung der Außenminister der G7-Länder (Großbritannien, Deutschland, Italien, Kanada, USA, Frankreich und Japan) wurden die Minsker Vereinbarungen erwähnt. Sie werden von der Ukraine ignoriert, aber für schuldig wird immer wieder Russland erklärt, dem die G7-Länder wieder mit Sanktionen drohen.
Darüber hinaus wurden in der Erklärung die „Menschenrechtsverletzungen“ auf der Krim verurteilt, die offizielle G7-Vertreter seit 2014 überhaupt nicht besucht haben und inoffizielle Vertreter keine Menschenrechtsverletzungen registrierten.
Ferner wurden Moskau abermals die Einmischung in „demokratische Systeme anderer Länder“ und die Organisation von „Cyberangriffen“ vorgeworfen – allerdings wiederum ohne jegliche Beweise.
Schon wieder wurde Russland des Giftanschlags auf seinen früheren Doppelagenten Sergej Skripal in Salisbury beschuldigt, weil es „keine glaubwürdigen alternativen Erklärungen“ für diesen Zwischenfall gebe.
Darüber hinaus wurde in dem Dokument der Raketenschlag der USA, Frankreichs und Großbritanniens gegen Syrien nach dem inszenierten Chemiewaffen-Zwischenfall begrüßt.
Die Teilnehmer des G7-Treffens verurteilten den Iran für dessen „Raketentests“. Viel wurde in der Erklärung über Nordkorea, die Freiheit der Schifffahrt, die Terrorbekämpfung und Dutzende andere Probleme geschrieben, aber das alles hat schon keine Bedeutung. Denn ohne Russland lassen sich die meisten von diesen Problemen nicht in den Griff bekommen – aber Russland zählten die Chefdiplomaten nicht zu ihren Partnern, sondern zu den „Hindernissen“ bei der Lösung der erwähnten Probleme.
Und wenn man bedenkt, dass die meisten Vorwürfe gegen Russland aus den Fingern gesogen wurden, stellt sich die Frage, wie realistisch alle anderen von den westlichen Außenministern aufgezählten Probleme sind.
Leider sind diese Probleme real – sowohl die Weigerung der Ukraine, die Minsker Vereinbarungen zu erfüllen, als auch das nordkoreanische Atomproblem, die israelisch-palästinensischen Beziehungen, die Situation in Syrien und natürlich der internationale Terrorismus. Das sind alles Fragen, die die globale Sicherheit gefährden. Aber die Chancen für ihre Lösung ohne Russland liegen bei null.
Kennzeichnend ist, dass die Verhandlungen in Toronto unter dem Motto „BUILDING A MORE PEACEFUL AND SECURE WORLD“, also „Gestaltung einer friedlicheren und sichereren Welt“ verliefen. Aber es ist schlicht unmöglich, eine sichere Welt zu gestalten, wenn die beiden größten Atommächte nach den USA – Russland und China – zur Debatte gar nicht eingeladen worden sind.
Zu einem traurigen Beweis für die ausbleibende Sicherheit wurde ein Zwischenfall, wobei ein Fahrzeug mehrere Fußgänger überfahren hat – ausgerechnet in Toronto, wo eigentlich die strengsten Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden sein sollten. Ein Terroranschlag kommt vorerst nicht infrage, aber der Zwischenfall ist sowieso tragisch: Es sind immerhin zehn Menschen ums Leben gekommen, und weitere 15 Menschen wurden verletzt.
Kein Wunder ist angesichts dessen, dass der russische Außenminister Sergej Lawrow sich über die Erklärung seiner Amtskollegen enttäuscht zeigte: „Was die Ergebnisse des Außenministertreffens in Toronto angeht, so ist der antirussische Hintergrund offensichtlich, und leider sind diesen schmierigen antirussischen Weg auch die G7-Länder gegangen, die uns bisher versichert hatten, sie wollen Russland nicht isolieren.“
„Wir werden aber unsere Position geduldig verteidigen und warten, bis unsere Partner begreifen, dass diese Linie absolut aussichtslos ist und in eine Sackgasse führt“, ergänzte der Chefdiplomat.
Das Vorgehen einiger Außenminister sieht wirklich kontrovers und inkonsequent aus. So hatte der deutsche Außenamtschef Sigmar Gabriel im September 2017 und im Januar 2018 gesagt, dass die allmähliche Aufhebung der Russland-Sanktionen nicht von der 100-prozentigen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen begleitet werden müsste.
Aber Gabriels Nachfolger Heiko Maas, der ebenfalls die SPD vertritt und unter derselben Kanzlerin Angela Merkel arbeitet, hat jetzt eine Erklärung unterzeichnet, der zufolge die Russland-Sanktionen nur nach der „vollständigen und unumkehrbaren Umsetzung der Minsker Vereinbarungen“ aufgehoben werden könnten. Hat man auf ihn etwa gezielt, als er seine Unterschrift unter das Dokument setzte?
Verschiedene italienische Politiker, unter anderem der Parteichef der „Lega Nord“, Matteo Salvini, und der ehemalige EU-Kommissionspräsident und Ministerpräsident Romano Prodi, hatten auch öfter für die Aufhebung der antirussischen Restriktionen plädiert.
Aber jetzt hat der Außenminister Angelino Alfano, der früher auch gesagt hatte, die EU sollte mit den USA über die Aufhebung der Russland-Sanktionen intensiver sprechen, das Dokument unterzeichnet. Wurde er in diesem Moment etwa bedroht?
Ein Sonderfall ist dabei Japan, das eigentlich am bilateralen Zusammenwirken mit Russland auf ganz verschiedenen Gebieten interessiert ist, unter anderem im Kontext der Beziehungen mit China, der Situation um Nordkorea, um die Kurilen-Inseln usw. Warum hat auch Taro Kono diesen antirussischen Thesen zugestimmt? Dachte er etwa, er würde dadurch Moskau nachgiebiger machen? Das ist aber fraglich.
Am Ende stellt sich noch eine durchaus logische Frage: Wann sind die G7-Länder eigentlich ehrlich: wenn sie sich für die Aufhebung der Sanktionen aussprechen oder wenn sie von ihrer möglichen Verschärfung reden?
Keine Fragen hat man in Moskau wohl nur an die USA, Großbritannien und Frankreich: Diese neue „Entente“, in der Russland durch die USA abgelöst wurde, verhält sich durchaus konsequent.
Die Demonstration der „G7-Einheit“ führt aber zum Gegeneffekt, nämlich zur Entwertung der früheren Erklärungen der Politiker aus diesen Ländern. Moskau hat schon längst die Versuche aufgegeben, sich mit Kiew auf etwas zu einigen. Denn alle prinzipiell wichtigen Entscheidungen in Bezug auf die Ukraine werden in Washington und weniger wichtige in Brüssel getroffen.
Mit ihren kontroversen Erklärungen über die Russland-Sanktionen werten die Europäer und Japaner die Bedeutung der Beziehungen mit ihnen für Moskau ab. Denn warum sollte es sich darum bemühen, wenn alle Entscheidungen ohnehin Washington trifft?
Aber Lawrows Worte zeugen davon, dass Moskau zu solch kardinalen Schritten doch nicht bereit ist und abwarten wird, „bis unsere Partner begreifen, dass diese Linie absolut aussichtslos ist.“ Es sieht aber danach aus, dass Moskau darauf sehr lange warten muss.