Was brachte junge Frauen aus Deutschland dazu, nach Syrien oder den Irak zu reisen und sich dort den Islamisten des IS anzuschließen? Und warum wollen sie nun zurück?
Die „Welt“ berichtete im Februar bereits von statistischen Zahlen einer Studie des Brüsseler Egmont-Institut für Internationale Beziehungen zu westlichen IS-Rückkehrern, dass von den mehr als 5.000 ausgereisten Islamisten bereits rund 1.500 wieder in ihren Heimatländern zurück seien. Viele würden oft als desillusioniert, frustriert und traumatisiert gelten, andere hätten sich vermutlich noch weiter radikalisiert.
Erst mit den Terroranschlägen von Brüssel (5/2014) und Paris (11/2015) wachte man auf, denn diese waren jeweils von islamistischen Rückkehrern verübt worden. Deutschland geht von rund einem Drittel Rückkehrern von den etwa 970 ausgereisten deutschen Islamisten aus. Nur wenige Erkenntnisse lägen zu ihren Aktivitäten in Syrien und dem Irak vor. Das BKA schätzt in einer Analyse ein, dass nur zehn Prozent tatsächlich desillusioniert seien.
Die IS-Frauen aus Deutschland
Aktuell erinnert auch die „Bildzeitung“ an das Thema, berichtet, dass unter den Rückkehrern rund 20 Prozent Frauen seien und sprach mit drei jungen Frauen, die aus Deutschland nach Syrien gingen, derzeit in einem kurdischen Camp sitzen und nun wieder zurückwollen. Einst gingen sie aus Deutschland weg, „um ‚ISIS‘ zu dienen“: Linda (33), Ayse (32) und Nadine (29), wie „Bild“ sie anonymisierend nannte. Jahrelang lebten sie in Rakka, der temporären Heimat des sogenannten „islamischen Kalifats“.
Linda, aus München, Realschulabschluss und Job im Einzelhandel hatte schon als Jugendliche Kontakte in die Muslim-Szene, konvertierte zum Islam und heiratete einen Deutsch-Türken. Weil sie Niqab getragen habe, sei sie in Deutschland schlecht behandelt worden. Die junge Familie folgte den schönen Landschaftsbildern aus den IS-Propaganda-Videos, den Geschichten um Freundschaft und Familie, ging nach Syrien. Linda wollte ihren Glauben in Ruhe leben, empfohlen von einer „Schwester“.
Zwischen den zwei Stühlen sitzend
Eine andere „Unwissende“, mit der „Bild“ sprach, ist Nadine, vier Kinder hat sie. Die 29 Jahre alte Frau aus Norddeutschland mit Abitur fragte die Reporter ernsthaft, ob es wirklich stimme, dass ISIS Menschen auf der Straße aufgehangen habe. Rund 30 Monate lebte sie in Rakka. Mit „Bild“ referierte sie hauptsächlich nur über ihren Glauben und dass sie in Syrien nur helfen wollte. Über die Gräueltaten sprach sie kaum. Auch sie sei in Deutschland schlecht behandelt worden, weil sie Niqab getragen habe.
Als ihr Vater ihr manchmal aus der Zeitung über den IS vorlas, glaubte sie ihm nicht. Das stimme nicht, weil: „Das ist nicht der Islam“, beharrte sie.
In dem kurdischen Camp, in dem sie jetzt sitzt, gefällt es ihr nicht. Sie will zurück nach Deutschland, verstehe aber auch die Angst der Menschen hier vor den Rückkehrern. Diese scheint begründet: „Hier leben auch einige Frauen, denen ich in Deutschland lieber nicht wieder begegnen will. Und ich hoffe, dass die gar nicht erst zurück dürfen.“
Die „Normalität des Irrsinns“
Im nachfolgenden Video-Beitrag berichtet IS-Aussteigerin Maryam A. über das alltägliche Leben im „Kalifat“. Die junge Deutsche lebte zwei Jahre freiwillig im Islamischen Staat.
Sie berichtete von einer Steinigung direkt vor ihrer Haustür, von einer WhatsApp-Gruppe mit anderen deutschen IS-Frauen und davon, wie eine der Frauen von ihrem Mann eine jesidische Sklavin geschenkt bekommen hatte.
Der „Spiegel“-Nahost-Korrespondent, der mit ihr sprach, war erstaunt über ihre Schilderungen und die „Normalität des Irrsinns“.
„Tötet gut und nicht auf diese Weise“
Die dritte IS-Frau aus Deutschland, mit der „Bild“ sprach, wurde unter dem Namen Ayse vorgestellt.
Auch Ayse will zurück nach Deutschland. Ihr Mann starb angeblich auf der Flucht. Die 32-Jährige gab als einzige der drei Frauen zu, von den Verbrechen etwas mitbekommen zu haben. Sie fand es ganz schlimm, dass in der Stadt überall Leichen hingen.
Von denen wollen die anderen beiden Frauen offenbar nichts gewusst haben. Doch auch Ayses Mitgefühl hält sich in Grenzen, in den Grenzen innerhalb des Koran. Der „Prophet“ habe eigentlich gesagt: „Tötet gut und nicht auf diese Weise.“ Die ISIS hätten die Menschen aber wie Schafe hängen lassen, meinte sie.
Auch Ayse sieht sich als Opfer, dem geholfen werden muss: „Wenn ich mit meinen Kindern zurück komme nach Deutschland, brauchen wir neue Namen und Wohnorte in Deutschland, weil wir dann von Islamisten verfolgt werden.“
Der Fall Passoni
Die Belgierin Laura Passoni hat sich vom IS losgesagt. Neun Monate lebte die damals 29-Jährige 2014/2015 mit ihrem vierjährigen Sohn in Syrien, bevor sie über die türkische Grenze flüchtete. Sie sieht es als ihre Mission an, aufzuklären, Jugendliche vor dem IS zu warnen, wie sie in einem Videobeitrag schildert.
Laura Passoni fiel auf einen IS-Anwerber auf Facebook herein, der ihr in schönen Videos mit frommen Gesängen und begeisterten Massen das Paradies auf Erden versprach, inklusive einem treusorgenden Ehemann und einem Job als Krankenschwester.
Doch die Realität sah anders aus, denn der IS war auf der Suche nach Nachwuchs: „Die Rolle der Frau: Gebärmaschinen für den Islamischen Staat, kochen und dem Mann für Sex zur Verfügung stehen“, so die Belgierin, die mit 16 Jahren zum Islam konvertierte.
Auch die „Welt“ berichtete über den Fall.